Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen Theil I. Jahr 700-840, Nr. 212, S. 238
In Christi nomine. Anno IIII regni domni nostri Ludvigi scripsi ego Andreas pres- biter rogitus ad Onorium et Valeria. Constat eos vindere et vindiderunt sub legitimum jure strumentorum tibi Folcvino escultaizo agrum in fundo Vinomna1 onora III sutus sanctu Petru. Confinit da una parte presbiter Joannis et da alia parte Lubucio. Et acontra ipsa terra demisit Folcvinus precium Onorio et Valeriai quatuor solidus de debito, et ipsum agrum tradiderunt Folcvino ad posedendum, ut ab ac die abeas, posedeas, tuo jure vindicis adque defendas et queque exinde facere volucris abeas potestatem. Et spondimus, si aliqui aliquando de nos vcl de eredibus nostris aut suposita persona contra une strumentum ire, temtare aut inrumpere voluerit, solvat dubla terra, et cartula ista firma permaneat stibula- cione subnexa, que omnium cartarum acommodat firmitatem. Facta cartula strumenti in vico Vinomna,1 XIII kal. jun. Notavi dic et regnum. Signum Onorii et Valerias, qui une strumentum fieri rogaverunt. Testes Estradarius. Laurencius. Valencio. Cervarius. Unno. Vigilius. item alius Vigilius. Ego itaque Andreas ac si peccator vocatus pres biter anc cartulam scripsi.
l'rk. St. Gallen I. 132,— Abdruck: Cod. Trad. 200 n. 343.
1 Rankwil, Landgericht Feldkirch. Kreis Vorarlberg, Kaiscrth. (bestreich
Unter dem Namen des Schreibers Andreas sind noch folgende Documente erhalten: Urk. St. Gallen II. 16. 33. 35. 38. j 39. 40. 41. 42. 43. 46. 132. 133. 162 und III. 217, Urk. Bremen 20 und endlich vier auf ein Pergamentstück geschriebene , Urkunden in der Stiftsbibliothek, Cod. MS. n. 13!)4. 131. Von diesen Documenten können nach meiner Ansicht sämmtliche an sich als Originale aus der ersten Hälfte des IX. Jahrhunderts betrachtet werden, mit alleiniger Ausnahme von Urk. III. 217, welche Copie des ausgehenden IX. Jahrhunderts ist. Unter sich aber sind jene Documente doch wieder ziemlich verschieden und lassen sich ungefahr folgendennassen zusammenstellen: Am besten und schönsten geschrieben sind die ganz gleich- massigen Urk. St. Gallen II. 132 und 133: ihnen stehen nahe die in Format und Schriftzügen durchaus zusammengehörenden Pergamente St. Gallen II. 35. 40. 41 und 42. Die Schrift der bisher angeführten Documente ist ziemlich schlank und beweglich: die Stangen der über die Linie steigenden Buchstaben laufen nicht stumpf aus, sondern beginnen kleine Schnörkel anzusetzen: die Pergamentstücke, auf denen die vier letzten Urkunden geschrieben stehen, machen in ihrer Gleichförmig keit beinahe den Eindruck, als ob sie einst gemeinsame liestandtheile eines Cartulariums gewesen seien. Nun aber beginnt die Schrift in den folgenden. zum Theil auf ganz unregelmässigc Pergamentstücke geschriebenen Documenten St. Gallen II. 16. 33. 38. 39 und 10 fortschreitend schwerfalliger, breiter und stumpfer zu werden. Diesen Charakter tragen besonders die sich
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ganz nahe stehenden drei letzten Urkunden an sich, während die zwei erster n mit Urk. Bremen 20 und mit dem Pergament blatt der Stiftsbibliothek eher den Uebergang von der ersten Gruppe zu der zweiten zu bilden scheinen. Sogar die letzten Zeilen von Urk. St. Gallen II. 38 enthalten noch Spuren jener leichtern und schlanker n Schrift. Einen breiten und festen Charakter tragen endlich auch die Documente St. Gallen II. 40 und 162, von welchen das letztere indess bedeutend regel mässiger geschrieben ist, als das erstere. Ich beschränke mich darauf, diesen Thatbestand festzustellen, und überlasse es einem Paläographen von Fach, die Untersuchung weiterzuführen und endgültig darüber zu bestimmen, in wie weit die Ver schiedenheiten der unter dem Namen des Andreas gehenden Documente nöthigen, dieselben wirklich verschiedenen Händen zuzutheilen; in wie weit die Aehnlichkeiten berechtigen, sie als die Arbeit eines und desselben Schreibers zu betrachten.
Nicht geringere Schwierigkeiten, als die Schriftzüge dieser Urkunden, bieten ihre Daten. Urk. St.Gallen II. 40 ist so unvollständig datirt, dass weder Name, noch Regierungsjahr eines Herrschers, sondern einzig der Monatstag angegeben ist; Urk. St. Gallen 11.89 in der Weise, dass sie nur in dem Namen des Herrschers einen Anhaltspunkt bietet. Urk. St. Gallen II. 16, Bremen 20, St. Gallen II. 33 a, II. 38 und -13 geben den Namen des Herrschers und den Monatstag; Urkunde St. Gallen II. 33 b den Namen des Herrschers und sein Regierungsjahr, und nur Urk. St. Gallen II. 35. 41. 42. 46. 132. 133 und 102 den Namen des Herrschers, sein Regierungsjahr und den Monatstag. Von den vier Urkunden der Stifts bibliothek ist nur in Urk. c das vollständige Datum erhalten, Urk. d ist ganz undatirt. Doch sind ohne Zweifel alle vier an ein und demselben Tage ausgestellt worden. Der Name des Herrschers ist durchgehends Ludwig, wenn auch in ver schiedenen Formen; allein bald heisst dieser Ludwig ausdrücklich »imperator« und seine Herrschaft »imperium« (Urk. St. Gallen H. 16, Bremen 20. St. Gallen IL 33 b. 35. 41. 42, Stiftsbibliothek MS. n. 1394. 131), bald ausdrücklich »rex. und seine Herrschaft »regnum« (Urk. St. Gallen П. 33a. 38. 39. 43. 132. 133 102); in Urk. St. Gallen Ш. 217 endlich lautet das Datum ausdrücklich auf »Lodoicum regem, filium Lodoici imperatoris«. Diese letzte Urkunde gehört also unzweifelhaft in die Zeit Ludwigs des Deutschen, des Sohnes Ludwigs des Frommen. Was aber die übrigen Urkunden betrifft, so scheint es auf den ersten Blick wohl ganz einfach, dieselben, je nachdem sie nach dem Kaiser oder nach dem König Ludwig, nach dem Kaiserthum oder Königthum datirt sind, der Zeit Ludwigs des Frommen oder Ludwigs des Deutschen zuzutheilen. Dagegen spricht jedoch einmal die höchst eigenthümliche Erscheinung, dass sämmt- liche Urkunden des Schreibers Andreas. mit einziger Ausnahme der letzten, nur Schenkungs- und Kaufsverhandlungen mit Folcwinus (Folquinus) enthalten. Es kann unter diesem immer wiederkehrenden Namen gewiss nur eine Persön lichkeit verstanden sein, und da wäre es doch ausserordentlich auffallend, wenn sich die Schenkungen und Verkäufe an diesen Folcwin durch zwei Regierungen hindurchgezogen hätten und zwar sich gerade in ungefähr den gleichen Jahren Ludwigs des Frommen und Ludwigs des Deutschen wiederholen würden. Noch mehr dagegen spricht aber die zweite Erscheinung, dass unter Urk. St. Gallen П. 33 a und b bei einander, auf einem und demselben Pergamente, zwei den gleichen Gegenstand betreffende Documente stehen, von denen das eine nach Ludowicus rex, das andere nach Ludowicus imperator datirt. Da kann doch gewiss nicht das eine Document Ludwig dem Deutschen, das andere Ludwig dem Frommen zugeschieden werden. Solche Wahrnehmungen veranlassten mich, alle St. Gallischen Urkunden, welche bloss nach Ludowicus rex, ohne einen der bei Ludwig dem Deutschen gewöhnlichen Zusätze: in Alemannia, Francia orientali, junior etc., datirt sind, ihrer Form und ihrem Inhalte nach einer genauen Prüfung zu unterstellen. Als Resultat dieser Prüfung ergab sich mir die ganz unzweifelhafte Thatsache, dass auch Kaiser Ludwig der Fromme in den St. Gallischen Urkunden nicht selten bloss den Königstitel erhält, wofür schon Urkunde 222 ein Beweis ist und bei folgenden Urkunden bald noch mehrere Beweise beigebracht werden sollen. Ich glaubte mich daher hinlänglich berechtigt, die — soweit sie überhaupt genügend datirt sind — in die Jahre IV—VII I Kaiser oder König Ludwigs fallenden, durchwegs die gleiche Persönlichkeit betreffenden, von Andreas aufgesetzten Documente unter Ludwig dem Frommen zu vereinigen und dabei diejenigen, welche kein Regierungsjahr erwähnen, in das Jahr VII zu verlegen, in welches die meisten nach Regierungsjahren datirten Urkunden des Andreas fallen.
216 Karolinger. Ludwig der Fromme (813)814—840.
Wartmann: Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen 700-840, 1863 (Google data) 212, in: Monasterium.net, URL </mom/AbteiSanctGallen/39411fee-0fff-4e52-ad13-73ef457f4e5c/charter>, accessed at 2024-11-22+01:00
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