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FondUrkunden (1058-1899)
  1. Stiftsgeschichte
  2. Der hoch über dem Donautal gegenüber von Krems gelegene Berg von Göttweig weist eine Siedlungskontinuität bis zurück in die Hallstattzeit auf, auch ein keltisches Oppidum und eine darauffolgende Nutzung durch die Römer ließen sich nachweisen. Darüber, ob auch nach dem Abzug der Römer und weiter bis zu den Spuren aus karolingischer Zeit der Berg besiedelt worden ist, herrscht Unsicherheit. Ähnliches gilt für die etymologische Klärung des Wortes „Göttweig“. Entweder ist er keltischen Ursprungs und weist auf ein vermutetes keltisches Heiligtum hin oder bedeutet einfach nur „kleiner Berg“ im Gegensatz zum gegenüberliegenden größeren Waxenberg.

    Klostergründung und hochmittelalterliche Blüte

    Die Gründung des Stiftes Göttweig erfolgte durch Bischof Altmann von Passau (1065 – 1091), einem der bedeutendsten Anhänger der Kirchenreform Papst Gregors VII. (1073 - 1085) und einem im Investiturstreit entschiedenen Gegner von Kaiser Heinrich IV. Aufgrund seiner Parteinahme für den Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden ließ Heinrich IV. Passau 1078 besetzen und zwang Altmann, sich im östlichen Bereich seiner Diözese unter dem Schutze des österreichischen Markgrafen Leopold II. zurückzuziehen. Schon Jahre vorher (1070) hatte Altmann auf dem Göttweiger Berg inmitten von Besitztümern des Passauer Hochstifts eine der Salzburger Heiligen Erentrudis geweihte Kapelle und ein daran angeschlossenes Wohngebäude errichten lassen. Von einer burgartigen Anlage umgeben ist ihm dieses wohl eine Zeit lang zur Residenz geworden. Zahlreiche weitere Gregorianer hatten dort ebenso Zuflucht gefunden. Der Gedanke, die Göttweiger Anlage zu einem Kloster umzufunktionieren, dürfte ihm um 1080/81 - als sich die politische Situation für ihn entspannte – gekommen sein. Am 9. November 1083 weiht Bischof Altmann schließlich eine auf dem Bergplateau etwas tiefer liegende, wesentlich größere Marienkirche ein. Zusammen mit den übrigen der neuerrichteten Baulichkeiten bildete sie eine der Grundlagen für das nun beginnende klösterliche Leben in Göttweig. Eine weitere Grundlage bestand in einer stattliche Dotation, die sich aus Gütern des Hochstiftes Passau sowie bischöflichem Eigengut speiste. Das entscheidende Ziel dieser Stiftung Altmanns ist darin zu sehen, im Sinne der päpstlichen Reformbestrebungen der Verweltlichung von Klerus und Kirche (Simonie, Laieninvestitur) das Vorbild eines gelebten Armutsideals und zölibatärem Leben entgegenzusetzen. Eine monastische Priestergemeinschaft in der damaligen Frühform eines Augustiner-Chorherrenstiftes schien Bischof Altmann für diese geistig-religiöse Erneuerung des Diözesanklerus für einen weiteren Ausbau des Pfarrnetzes am besten geeignet. Schon wenige Jahre nach Altmanns Tod (1091 wird er in Göttweig begraben), wurde das Stift Göttweig im Auftrag Bischof Ulrichs von Passau I. (1092 - 1121) in ein Benediktinerkloster umgewandelt. Hartmann, Prior des südwestdeutschen Stiftes St. Blasien wird als dessen erster Abt (1094 – 1114) eingesetzt und gemeinsam mit den aus dem Schwarzwald mitgekommenen Brüdern führt er das Kloster zu einem ungeheuren Aufschwung. Schon wenige Jahre danach (1098) erhalten die Göttweiger Benediktiner von Papst Urban II. und neuerlich von Papst Paschal II. das Privileg, die Abtwahl selber vornehmen zu dürfen. Göttweig wird zu einem weit ausstrahlenden cluniazensisch-hirsauischen Reformkloster mit einer St. Blasianer Ausprägung. Im Gegensatz zu den Reformgedanken Altmanns legen diese den Akzent weniger auf asketische Ideale als auf festliche Liturgie und Loslösung vom Eigenkirchenherrn. Von Göttweig gingen Reformimpulse weiter nach St. Lambrecht, Gleink, Altenburg, Lambach und Melk. Von Göttweiger Benediktinern besiedelt wurden die Stifte Garsten und Seitenstetten.

    Das blühende Klosterleben von Göttweig findet Ausdruck in den kunstfertigen Arbeiten seines hervorragenden Skriptoriums, in Arbeiten auf literarisch-historiographischem Gebiet (Annales Gottwicenses, Vita Sancti Altmanni, Magnum Legendarum Austriacum), in der Gründung eines Nonnenklosters am Fuße des Göttweiger Berges (ca. 1100), der Errichtung eines Armenhospitals (vor 1130), der Errichtung einer Klosterschule und der für die cluniazensische Reform typischen Ausgestaltung der Gottesdienste mit dem Gesang von Chorknaben. Die seit der Zeit Altmanns sukzessive erweiterte romanische Klosteranlage wird auch unter den Nachfolgern Hartmanns, den Äbten Nanzo (1114 – 1125) und Chadalhoch (1125 – 1141), fortgeführt und zu einem Ende gebracht.

    Neben der großen Stiftung Altmanns erfolgten zahlreiche Schenkungen an das Stift auch von weltlicher Seite, z.B. von den noch von Bischof Altmann eingesetzten Stiftsvögten, den Grafen von Formbach-Ratelnberg; bis zur ihrer Gründung von Stift Klosterneuburg reichlich auch von den Babenbergern, die ab 1122/23 die Vogtei von jenen übernehmen und zu denen ein gutes Verhältnis herrscht; sowie von den Kuenringern (Hadmar I. erhielt seine Grablegestätte im Stift Göttweig), ebenso von den Grafen von Poigen.

    Das älteste Besitz- und Dotationsverzeichnis des Stiftes ist in einer Urkunde von 1108 zu sehen, mit der Kaiser Heinrich V. die Besitzungen des Stiftes bestätigt. Der mit dem Jahr 1083 datierte „Stiftsbrief“ wurde dagegen erst etwa 1138 zur Behauptung der klösterlichen Besitzungen gegenüber Ansprüchen Dritter angefertigt. Er nennt die weitverstreuten Besitzungen des Stiftes (1) am Göttweiger Berg, beiderseits der Traisen und der Pielach sowie im Raum Kilb, an der großen Tulln und im Bereich Gölsental; (2) um Krems an der Donau und zwischen dem Kamp und der Krems; (3) am Manhartsberg und Wagram; (4) am Weitenbach und zwischen großer Krems und Donau; (5) am Kamp und im Raum Horn; (6) im Tullnerfeld und Wienerwald; (7) südlich der Donau zwischen Wien und Hainburg; (8) an der Schwarza; (9) beiderseits der Schmida, nördlich des Oberlaufs des Göllersbach, an der Pulkau und bei Retz; (10) nördlich von Wien; (11) bei Poysdorf; (12) am Ybbsfeld; (13) im Gebiet der Url; (14) im Machland; (15) an der Enns; (16) zwischen Traun und Enns; (17) am Traunfeld; (18) am Haunsberg (OÖ); (19) in Schilzheizing (Niederbayern), (20) Salzpfanne in Reichenhall (Bayern).

    Durch die Binnenkolonisation und Kultivierung bedeutender Landstriche, insbesondere des Alpenvorlandes und des Wald- und Weinviertels sowie durch ihr Wirken in der Wachau und im Strudengau erbringen die Göttweiger Benediktiner für das entstehende „Land“ sehr wichtige Leistungen. Das Stift Göttweig selbst erlebt jedoch nach einer aufstrebenden Anfangsphase ab der Mitte des 12. Jahrhunderts in wirtschaftlicher und monastisch-kultureller Hinsicht einen relativen Niedergang. Unterstützung erfährt es durch Kaiser Friedrich II, der das Stift zur Zeit eines heftigen Besitzstreits mit dem bayerischen Stift Rott in seinem und des Reiches Schutz aufnimmt (1237) und ebenso durch den Böhmenkönig Przemysl Ottokar II., der dem Stift aufgrund seiner prekären finanziellen Lage einen Nachlass hinsichtlich der Marchfutterabgabe gewährt (1264).

    Wirtschaftliche und rechtliche Entwicklungen im Spätmittelalter

    Schon im späten 12. Jahrhundert hatte man begonnen, die großen Fronhöfe (Vilikationen) aufzulösen und als kleinere Einheiten (Zinslehen) gegen Renten an die klösterlichen Leihenehmer zu vergeben. Die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Grundholden des Stiftes verbesserte sich dadurch, es kam zu einer Bevölkerungszunahme und einer intensiveren Bewirtschaftung des Bodens. Frondienste wurden entbehrlich und zu einem Gutteil in Geldabgaben umgewandelt. Der Rückgang an grundherrschaftlichen Eigenbetrieben und die sich verstärkende Geldwirtschaft barg für den Grundherrn allerdings zwei Gefahren: die Geldentwertung und die Zahlungsunfähigkeit der Rentner. Gerade in Zeiten schwieriger äußerer Umstände, wie negativer Elementarereignisse, Krieg, Fehden oder Streitigkeiten privatrechtlicher Natur, kam es deshalb trotz der reichlichen Ausstattung des Stiftes zu wirtschaftlichen Krisen und Verschuldungen. Elementarereignisse, wie Hagelschäden, Überschwemmungen, Pestepidemien und Missernten gäbe es insbesondere für das 14. Jahrhundert zahlreiche zu nennen. Kriegsereignisse wie die Hussitenkriege, Auseinandersetzungen zwischen den Ständen und dem Landesfürsten, der Bruderkrieg zwischen Kaiser Friedrich III. und Herzog Albrecht VI. sowie Kriege gegen Matthias Corvinus prägten wiederum das 15. Jahrhundert. Privatrechtliche Auseinandersetzung gab es beinahe permanent bis ins 16. Jahrhundert hinein mit Untervögten, die sich grundherrschaftliche Rechte über Stiftsgut anmaßten (z.B. Vogt Dietrich von Hohenberg im Zusammenhang mit der Pfarre St. Veit an der Gölsen im Jahre 1268). Und dies, obwohl es dem Stift im Jahre 1195 gehen hohe Zahlungen gelungen war, von Herzog Friedrich I. für einen beträchtlichen Teil seiner Besitzungen sämtliche gerichtlichen Rechte, also die Vogtei- und Landesgerichtsbarkeit, zu erlangen und spätere Landesfürsten, wie etwa Rudolf IV., dem Abt und Konvent erlauben, Vögte, die das Stift bedrücken, mit seinem Wissen durch neue zu ersetzen.

    Neben den Vögten hatte das Stift auch seine Auseinandersetzungen mit den Passauer Bischöfen, die das Stift weiterhin als ihr Eigenkloster betrachteten, als Eigenkirchenherrn die Vogteirechte über Göttweiger Besitz zu Lehen vergaben und trotz der päpstlich verbrieften Freiheit der Abtwahl auf ihre Zustimmung bestanden. Göttweig suchte dagegen sich von Passau unabhängig zu machen: 1383 erfolgte die Infulierung der Äbte von Göttweig, 1396 erhielt man eine Schutzzusicherung durch Papst Bonifaz IX. und 1401 wurde vom selben Papst die volle Exemtion erteilt. Formal war das Stift Göttweig nun direkt dem Papst unterstellt und von der Jurisdiktion und von Visitationen des Diözesanbischofs ausgenommen, de facto blieb aber ein starker Passauer Einfluss bestehen. Als die Passauer Bischöfe für ihre Abtwahlbestätigungen ungeheure Geldsummen von Göttweig zu erpressen versuchten (1402), erhielten die Göttweiger Äbte auch noch das Recht, sich von einem Bischof eigener Wahl weihen zu lassen und 1452 und 1498 erfuhren diese Rechte eine neuerlich päpstliche Bestätigung.

    Gegen Ende des Spätmittelalters verstärkten sich dann zunehmend die landeskirchlichen Tendenzen der österreichischen Landesfürsten, die sowohl in wirtschaftliche als auch in innere Angelegenheiten des Stiftes einzugreifen begannen.

    Göttweig unter dem Einfluss der Melker Reform

    Die Melker Reform nahm ihren Ausgangspunkt vom Konzil in Konstanz (1414 – 1418), an dem auch Herzog Albrecht V. (1411 – 1439) von Österreich und der Rector der Wiener Universität, Nikolaus von Dinkelsbühl teilgenommen hatten. Das Ziel dieser Reform lag in einer Rückbesinnung auf die Regula Sancti Benedicti, ihrer rigiden Einhaltung, aber auch in einer geistigen Erneuerung. Unter der Einwirkung des Landesfürsten hatte eine Gruppe von Mönchen aus Subiaco, allen voran Nikolaus Seyringer, das Stift Melk zu einem Reformkloster umgewandelt und auch der Göttweiger Abt Petrus II. (1402 – 1431) schließt sich dieser Reform, das durch eine „correctio“ tief in die bisherigen, sehr verweltlichten Lebensgewohnheiten der Göttweiger Mönche eingreift, an. Unter Abt Petrus wird auch eine wirtschaftliche Konjunktur eingeleitet, die zu einer großzügigen Umgestaltung des Klosters im gotischen Stil führt und die vom Vorgängerbau lediglich die Erentrudiskapelle und das Langhaus der Kirche belässt. Dieser Phase einer wirtschaftlichen Konjunktur tut auch die mehrmalig eingehobene Hussitensteuer (1426, 1429 und 1433) keinen Abbruch. Auch Abt Lukas Lauchlaibel von Stockstall (1431 – 1439), der Nachfolger von Abt Petrus, war der Reform sehr aufgeschlossen und brachte die Bautätigkeit seines Vorgängers zu einem Ende.

    Zur Zeit des Basler Konzils (1431 – 1449), das die episcopale Stellung aufzuwerten versucht, kommt es zu harten Auseinandersetzungen mit dem Passauer Bischof Leonhard II., der das Stift Göttweig hart bedrängt, seine Exemtion aufzugeben. Während dieser schwierigen Jahren hatte sich der Göttweiger Konvent „notabiliter“ von der Beachtung der „vita regularis“ entfernt – so heißt es 1451 in einem Visitationsbericht der Äbte von Melk, des Schottenstiftes und Klein-Mariazell. Abt Wolfgang II. von Retz scheitert bei der Umsetzung der von der Visitation gemachten Vorschläge, die eine Abstellung der bei seinen Mitbrüdern vorherrschenden Übelstände verlangten.

    Göttweig hatte sich zu dieser Zeit dem Mailberger Bund angeschlossen und Ständeausschüsse regierten de facto das Land. Das Stift ist von den darauffolgenden anarchischen Umständen, den unzähligen Fehden, die auf den Rücken der Grundholden ausgetragen wurden, wirtschaftlich schwer betroffen. Nach neuerlichen Verheerungen der Stiftsgüter in den Jahren 1463/64 durch marodierende Söldnern im Gefolge der Auseinandersetzungen zwischen Albrecht VI. und seinem Bruder Kaiser Friedrich III. ist das Stift unter Abt Martin Matschauer (1457 – 1468) praktisch zahlungsunfähig und nahezu bankrott. Das Stift hatte hohe Schulden, zahlreiche Verkäufe getätigt und einen großen Teil des liegenden Gutes belastet bzw. verpfändet. Mit dem Melker Professen Abt Laurentius Grueber (1468 – 1481) gelingt es zwar das klösterliche Leben im Sinne der Melker Reform zu erneuern und sogar auf seinen Höhepunkt zu führen. Aber auch für ihn sind die wirtschaftlichen Probleme trotz weiterer Verkäufe und Verpfändungen nicht zu meistern. Die nun auch noch vom in Niederösterreich stehenden ungarischen König Matthias Corvinus dem Stift abverlangten Futter- und Lebensmittelforderungen führen das Stift zu einem nie da gewesenen Schuldenhöchststand. Erst mit dem tatkräftigen Abt Matthias I. (1489 – 1507) und mit Hilfe des Landesfürsten Maximilian I. wird eine wirtschaftliche Trendwende geschafft.

    Konfessionelles Zeitalter und Türkengefahr

    Das Eindringen der Reformation und des Luthertums erfolgt auf den Göttweiger Besitzungen und in den Göttweiger Pfarren ab 1521: die Bürger von Mautern erheben sich gegen ihren Göttweiger Pfarrer, die Grafen Jörger von Walpersdorf schicken lutherische Prediger in die Ortschaften und in Krems entsteht eine beachtliche Gemeinde von Wiedertäufern. Für das Stift Göttweig bleibt vorerst die Türkengefahr die größere Bedrohung. Abt Matthias II. (1516 – 1532) ist zur Aufbringung der Türkensteuer zu Verkäufen und Verpfändungen gezwungen, daneben kommt es 1526 auf mehreren Stiftsgütern (z.B. Hainfeld, Niederranna) zu Bauernunruhen. Drei Jahre später stehen osmanische Soldaten nicht nur vor Wien, sondern es versuchen etwa 6000 davon auch Göttweig einzunehmen. Der an Kunst sehr interessierte, politisch, wirtschaftlich, ja selbst militärisch sehr begabte „Renaissance-“ Abt hatte rechtzeitig die Burganlage des Klosters ausbauen lassen, Waffen besorgt und auch einige Kanonen angeschafft. Weil der Stiftshauptmann vor den herannahenden Türken Hals über Kopf geflüchtet war, musste der Abt selber die Verteidigung leiten. Nach der erfolgreichen Abwehr mehrerer Angriffe erfolgte unter der Führung von Abt Matthias zur Vertreibung verbliebener Türken sogar ein wirkungsvoller Ausfall (1529).

    Indessen schritt in den darauffolgenden Jahren die Hinwendung zum Protestantismus in Niederösterreich voran. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts hatten sich mehr als 80 Prozent der Bevölkerung dem Protestantismus zugewandt, auch die Anzahl der Göttweiger Mönche war stetig gesunken. 1543 hatte der Konvent nur mehr 6 Mitglieder umfasst, beim Tod des Abtes Leopold Rueber (1543 – 1556) befand sich nur mehr ein Konventuale im Haus. Abt Leopold hatte in einer Art Untergangsstimmung einen äußerst aufwendigen Lebensstil geführt und nach ca. 70 Jahren das Stift Göttweig ein zweites Mal an den Rande des Ruins geführt. Der Konvent der Benediktinerinnen war bereits 1555 nach St. Bernhard bei Horn übersiedelt. Das klösterliche Leben in Göttweig war somit so gut wie erloschen.

    Um Göttweig war es somit sehr schlimm bestellt, doch es war in dieser Hinsicht kein Einzelfall. Zur Aufbringung der Steuern und Abgaben waren die österreichische Landesfürsten in einem hohen Maß an intakten Konventen, noch mehr aber an intakten Klosterwirtschaften interessiert und haben in Ableitung ihrer Rechte als Obervögte der Klöster in deren Führung eingegriffen. Es durfte nichts mehr ohne landesfürstlichen Konsens veräußert werden und es wurden landesfürstlich angeordnete Visitationen durchgeführt. „Monasterium Gottwicense nullum habet religiosum“ hieß es in einem Visitationsbericht von 1561.

    Nach einer interimistischen Administration durch Bartholomäus a Cantaneis fand in Anwesenheit landesfürstlicher Kommissäre in Göttweig in Ermangelung eines Konventes eine Abtwahl durch die Vorsteher der umliegenden Klöster statt. Gewählt wurde der anwesende Melker Profess und Provisor der Pfarre Ravelsbach, Pater Michael Herrlich. Durch eine Verpfändung umfangreicher Güter konnte Abt Michael (1564 – 1603) einer drohenden Versteigerung des Stiftes durch seine Gläubiger, allen voran die Landstände des Erzherzogtums Österreich unter der Enns, entgehen und den Schuldenstand senken. Kaiser Maximilan II. hatte ihm diese Verpfändungen erlaubt, aber in Göttweig, so wie auch in anderen Stiften, schon wenige Jahre darauf eine weltliche Oberaufsicht, den sogenannten „Klosterrat“ installiert.

    Mit Mühe und größter Disziplin konnte Herrlich einerseits die Schulden konstant halten, andererseits die für die kaiserlichen Kriegsführung enorm hohe Steuerlast tragen. Auch die Brandkatastrophe des 29. Mai 1580, bei der ein Großteil der Abtei in Schutt und Asche gelegt wurde, konnte Abt Michael nicht daran hindern, das Kloster im Jahre 1603 wirtschaftlich konsolidiert und mit einem Konvent von immerhin fünf Professen und zwei Novizen seinem Nachfolger zu übergeben. Abt Michael Herrlich wird in Göttweig als „zweiter Gründer“ des Stiftes verehrt. Auch Herrlichs übernächster Nachfolger, Abt Georg II. Falb (1612 – 1631) ist zu den großen Abtpersönlichkeiten des Stiftes zu zählen. Er führte das Stift erfolgreich durch die so schwierige Zeit des Dreißigjährigen Krieges und war darüber hinaus auch für Kaiser Ferdinand II. als Leiter der Reformkommission zur Rekatholisierung der Erzherzogtümer ob und unter der Enns eingesetzt. Die von ihm 1620 eingeleitete Barockisierung des Stiftes sollte sich bis hin zur Überwindung der zweiten großen Türkennot (1683) und der darauffolgenden wirtschaftlichen Prosperität verzögern.

    Blüte des Barock

    Das Stift Göttweig erlebte zur Zeit des Abtes Gottfried Bessel (1714 – 1749) eine nie wieder erreichte Blüte. Er fungierte als Diplomat im kirchlichen und weltlichen Bereich (u.a. am kaiserlichen Hofe, als Legat des Kurfürsten von Mainz), galt im Bereich der Wissenschaften durch sein Chronicon Gotwicense als angesehener Historiker, bekleidete zweimal das Amt des Rektors der Wiener Universität und wirkte als Bauherr und Mäzen für sein Kloster (die Kunst- und Raritätenkammer und die Bibliothek erhielten unter ihm bedeutende Zuwächse). Bessel verfügte über wichtige Kontakte zu führenden Persönlichkeiten aus Kirche und Politik, Kunst und Wissenschaft. Er bemühte sich als Theologe aber auch erfolgreich um eine geistige Erneuerung und Disziplinierung des Konvents und verbesserte mit geeigneten Maßnahmen auch die wirtschaftliche Effizienz des Klosters.

    Die augenfälligste Leistung Bessels ist freilich das Projekt des barocken Stiftsneubaus.

    Als 1718 ein Brand den Klosterbau, dessen additiv angelegte mittelalterliche Bauten im 17. Jahrhundert vereinheitlicht und durch neue Trakte ergänzt worden waren, bis auf die Stiftskirche und die Erentrudiskapelle größtenteils zerstörte, nahm Bessel den totalen Neubau des Stifts nach Plänen von Johann Lukas von Hildebrandt in Angriff. Angestrebt wurde unter Einfluss des Kaisers nach dem Vorbild des Escorial bei Madrid das Ideal eines „Palast-Klosters“. Es wurden drei lang gestreckte Trakte im Süden, Osten und Norden mit vorgestellten Ecktürmen realisiert, der geplante West-Abschluss über Basteien wurde nicht, der westliche Kaisertrakt nur im Ansatz mit der Kaiserstiege verwirklicht. Nach 25jähriger Bauzeit, in der anfangs die Fortschritte rasch, allmählich in Folge der finanziellen Überlastung immer langsamer wurden, gingen schließlich die Mittel für eine Fertigstellung aus, am Südtrakt baute man noch bis 1783 weiter, doch blieb er letztlich unvollendet. Der Österreichische Erbfolgekrieg (1741 - 1748) und die Schlesischen Kriege (1740 – 1742 u. 1744 - 1745) hatten die finanzielle Situation in der Mitte des 18. Jahrhunderts deutlich verschlechtert. Die Bessel nachfolgenden Äbte Odilo Piazol (1749 – 1768) und Magnus Klein (1768 - 1783) konzentrierten sich auf die innere Ausgestaltung des Klosterbaus.

    Wenn auch unvollendet, so stellt das Stift Göttweig dennoch einen barocken Klosterbau mit imperialem Anspruch dar, der im genialen Zusammenspiel von Architektur und Landschaft eine höchst beeindruckende Wirkung erzielt.

    Josephinismus und 19. Jahrhundert

    Ganz im Gegensatz zur Weltsicht des Barock sah das Zeitalter der Aufklärung einem von rationalen Prinzipien geleiteten Leben und einem solchen, das sich in beschaulicher Spiritualität erschöpft einen grundsätzlichen Widerspruch. Kontemplation wurde nun als Müßiggang betrachtet, emphatisch zum Ausdruck gebrachte Volksfrömmigkeit als Aberglaube. Kaiser Joseph II., als überzeugter katholischer Aufklärer, hat in diesem Sinne zu radikalen Maßnahmen gegriffen. Von diesen war auch das Stift Göttweig in hohem Maß betroffen, aufgrund seiner traditionell sehr starken Aktivitäten im Bereich der Seelsorge wurde es im Gegensatz zu so vielen anderen Klöstern aber nicht aufgehoben. Die Anzahl der Stiftspfarren wurde jedoch von 20 auf 31 erhöht. Zu den alten Pfarren (Mautern, Pyhra, Michelbach, Hainfeld, St. Veit an der Gölsen, Kilb, Hofstetten, Tradigist, Grünau, Haindorf, Kottes, Mühlbach am Manhartsberg, Unternalb, Pfaffendorf, Nappersdorf, Maria Roggendorf, Groß, Petronell, Stiftspfarre Göttweig, Mauer) kamen Bergern, Brunnkirchen, Furth, Jetzelsdorf, Markersdorf a.d. Pielach, Obernalb, Purk, St. Blasien, Rabenstein, Rohrbach und Schwarzenbach an der Gölsen hinzu. Die neu zu schaffende Pfarrinfrastruktur (Pfarrhöfe, Schulgebäude, Kirchen) wurde teils aus den Gütern anderer, aufgehobener Klöster, teils aus den Einkünften des Stiftes Göttweig selbst finanziert. Mit den Josephinischen Reformen war auch eine Beschränkung der Göttweiger Konventualen auf 18 Personen verbunden, es durften über Jahre keine weiteren Novizen mehr aufgenommen werden. Traditionelle Wallfahrten zu den Pfarrkirchen von Pyhra und Maria Roggendorf oder zur „Schmerzhaften Mutter Gottes“ in der Krypta der Stiftskirche wurden 1785 verboten. Weiters wurde das Stift dem neu errichteten Bistum St. Pölten unterstellt und das jahrhundertealte Privileg der Exemtion verlor im josephinischen Landeskirchentum seine Bedeutung. Joseph II. ließ auch die theologische Hauslehranstalt des Stiftes schließen, unter Kaiser Franz II. wurde sie dann 1802 per Hofdekret wieder zugelassen.

    Kaum hatte man sich nun an die vermehrten Pflichten der Seelsorge gewöhnt und deren finanzielle Lasten zu tragen gelernt, geriet das Stift in den Bann neuerlicher Umwälzungen. Durch diese wurde das Stift viel stärker von der Aufhebung bedrohten als dies durch den Josephinismus der Fall war: 1805 fand sich Göttweig mitten in einem Kriegsgebiet wieder - nördlich der Donau überschwemmten kaiserliche und russische Truppen das Land, südlich davon waren es französische Truppen. Letztere requirierten Geld, Wein und Pferde vom Stift, viele Stiftspfarren wurden ausgeraubt. Beim abermaligen Vordringen der Truppen Napoleons gegen Wien (1809) wurde das Stift Göttweig besetzt und zu einer Kaserne, Festung und einem Lazarett umfunktioniert. Der darauffolgende Friede von Schönbrunn war drückend und forderte vom österreichischen Staat gewaltige Kontributionen. Zu deren Finanzierung musste Göttweig sowie alle übrigen Stifte sämtliches „entbehrliches“ Silber und Gold an den Staatsschatz abliefern. Darüber hinaus erwog man 1810 im Kreise der Berater um Kaiser Franz und Metternich ernsthaft, etliche große Benediktinerstifte aufzuheben und durch die Veräußerung von deren Gütern den drohenden Staatsbankrott abzuwenden. Zwar scheiterte dies am Widerstand des Prälatenstandes - das Stift blieb existent - jedoch mit einem Schuldenstand, der sich während der Napoleonischen Kriege mehr als verdoppelt hatte. Abt Altmann Arigler (1812 – 1846) hatte diesen dann mit konsequenter Sparsamkeit abzutragen. Neben diesen positiven wirtschaftlichen Seiten hatte die lange Regierungszeit des äußerst gelehrten Theologen Arigler auch eine Auswirkung auf das geistige Leben im Stift. So erfuhren neben der Theologie, die in der Hauslehranstalt auf hohem Niveau betrieben wurde, auch die Naturwissenschaften eine außerordentliche Pflege.

    Infolge der vom Kremsierer Verfassungskonvent 1848 beschlossenen Grundentlastung erlebt das Stift unter der Leitung von Abt Engelbert Schwerdfeger (1846 – 1872) eine der einschneidendsten Veränderungen seiner Wirtschaftsgeschichte. Sämtliches Rustikalland, das bisher gegen Abgaben an Bauern weiter vergeben worden war, musste nun an diese abgetreten werden. Das Stift verlor damit rund die Hälfte seiner Einkünfte. Die Entschädigungen in Form von Grundentlastungsobligationen konnten aufgrund der schwankenden österreichischen Währung den reellen Wert des verlorenen Naturalleistungen nicht ersetzten. Abt Engelbert versuchte dies nun durch eine bessere Nutzung des verbliebenen Stiftsbesitzes und durch einige strategische Zukäufe zu kompensieren, Erfolg war ihm dabei wenig beschieden. Auch in spiritueller Hinsicht war die Göttweiger Klostergemeinschaft an einem Tiefpunkt angelangt, so dass es für Abt Rudolf Gusenbauer (1874 - 1886) galt, das Stift wieder aufzurichten. Immerhin hatte unter Abt Schwertfeger der Göttweiger Konvent mit 81 Mitgliedern den Höchststand der gesamten Klostergeschichte erreicht.

    Erste Republik und Nationalsozialismus

    Der verlorene Weltkrieg und das Ende der Monarchie brachten für das Stift Göttweig, so wie auch für alle übrigen Stifte und ebenso für weltliche Unternehmer durch die erfolgte Zeichnung von Kriegsanleihen einen Verlust des Kapitalvermögens mit sich. Wie nach der Aufhebung der Grundherrschaft 70 Jahre zuvor galt es nun sich wirtschaftlich neu zu orientieren. Abt Adalbert I. Dungel (1886 – 1922/23) in jungen Jahren ein glänzender Mann, der sich in Archäologie, Geschichtsforschung, aber auch in praktischen Dingen hervorgetan hatte, war inzwischen ein verbitterter alter Mann und dazu nicht mehr in der Lage. So lag es an seinem Nachfolger Abt Dr. Adalbert II. Fuchs (1923 – 1930) – wie sein Vorgänger ein glänzender Wissenschaftler – die Herausforderungen der Zeit zu meistern und Versäumtes nachzuholen. Trotz mancher Erfolge war dieser mit historischen Quellen so vertraute Editor des Göttweiger Urkundenbestandes in dieser schwierigen Zeit der Weltwirtschaftskrise, gezwungen mehrere wertvollste Handschriften und auch andere Kunstschätze zu veräußern, auch in den Dreißigerjahren war dies noch mehrmals der Fall.

    Diese vermutlich schwierigste Zeit der Stiftsgeschichte hatte als Abt der ehemalige Dogmatikprofessor Dr. Hartmann Strohsacker (1930 – 1946) zu bewältigen. Kaum ein Jahr nach dem „Anschluss“ Österreichs an Hitlerdeutschland erfolgte am 17. Februar 1939 die Beschlagnahme des Stiftes Göttweig durch die kreisfreie Stadt Krems. Mit einem Bescheid der GESTAPO Wien wurde das gesamte Vermögen des Klosters entschädigungslos eingezogen und der Stadt Krems zugewiesen. Offizieller Grund waren „Misswirtschaft“, „Staatsfeindlichkeit“ und „sittliche Vergehen“. Göttweig war somit das erste Stift, das im Reichsgau Niederdonau beschlagnahmt und enteignet wurde. Ein völliger Vermögensentzug wie in Göttweig geschah im Reichsgau Niederdonau weiters nur noch beim Stift Altenburg (29. 7. 1941), das ebenfalls enteignete Stift Klosterneuburg (4. 3. 1942) befand sich auf dem Gebiet des Reichsgaus Wien.

    Die Enteignung des Stiftes, das sich nun im Gebiet von Groß-Krems befand, sollte einer Erweiterung des finanziellen Spielraumes der Stadt dienen. Für die geplante repräsentative Umgestaltung der Stadt – die ja Gauhauptstadt werden sollte - brauchte der ambitionierte Oberbürgermeister Retter Geld. Gegen die Enteignung wurde vom Stift zwar Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof des Landes Österreich eingelegt, jedoch ohne Erfolg. Die Zeit der Enteignung bzw. auch schon einige Monate davor hatte der Konvent in dem Propsteihof von Unternalb bei Retz verbracht. Von dort aus wurden die Interessen von Abt und Konvent vertreten und auch die Kontakte zu den Mitbrüdern auf den Stiftspfarren gepflegt.

    Der neue Eigentümer des Stiftsgebäudes und der Stiftsgüter von Göttweig, die Stadt Krems, anerkannte nur jene Verpflichtungen, die direkt auf dem Vermögen lasteten und grundbücherlich eingetragen waren. All jene Verpflichtungen, die im Bereich des Kirchenrechts lagen und aus der Sicht des Konventes öffentlich-rechtlicher Natur waren, wurden nicht anerkannt. Dazu zählte z.B. der Unterhalt, die sogenannte Sustentation, des nach Unternalb übersiedelten Restkonventes. Während der Monate der Beschlagnahme des Klosters hatte die Stadt Krems immerhin, wenn auch in sehr geringem Maß, die Sustentation bezahlt. Danach wurden die Zahlungen sehr bald eingestellt, und die dort weilenden zum Teil aufgrund von Krankheit oder Alter nicht mehr erwerbsfähigen Mönche waren völlig mittellos geworden. Mit freiwilligen Spenden von anderen Klöstern und von den Bischöflichen Ordinariaten von Wien und St. Pölten konnten die Patres dann bis Kriegsende versorgt werden. Unterhaltspflichten hatte das Stift aber auch gegenüber Patres gehabt, die auf den 31 inkorporierten Pfarren als Seelsorger tätig waren. Insbesondere dann, wenn für das Dotationsgut der jeweiligen Pfarre, also die der Pfarre zugeordnete Pfarr- und Kirchenpfründe, das Stift Göttweig im Grundbuch eingetragen war. Das war immerhin bei 14 der insgesamt 31 Göttweiger Pfarren der Fall. Der offizielle Inhaber dieser Pfarren war dadurch eigentlich der Abt selbst, die auf den Pfarren tätigen Patres wurden deshalb „Provisoren“ genannt. Das für den Unterhalt dieser Seelsorger und für die Erhaltung der Pfarrkirchen gedachte Pründenvermögen war mit der Enteignung des Stiftes Göttweig grundbücherlich an die Stadt Krems gefallen, und diese weigerte sich, die auf diesem Vermögen lastenden Pflichten zu tragen. Diese Pflichten bestanden nicht nur in Geldüberweisungen, sondern oftmals auch in langer Tradition stehender Naturalleistungen, die nirgends vertraglich oder grundbücherlich festgehalten waren. Die Finanzkammern der Diözesen St. Pölten und Wien gewährten diesen Pfarrern, die von Göttweig nicht mehr unterstützt wurden, ein Darlehen aus den seit 1939 eingehobenen Kirchenbeiträgen.

    Bei weiteren 17 Pfarren, deren Pfründen grundbücherlich nicht dem Stiftsvermögen einverleibt waren, handelte es sich ebenfalls um Inkorporationen in das Stift Göttweig. Es entspricht dem Wesen der Inkorporation, dass das Kloster auch dann, wenn die Pfarre grundbuchmäßig selber über ein Pfründenvermögen verfügt, für die fehlenden finanziellen Mittel zur Erhaltung der Kirche, des Pfarrhofes und auch zum standesgemäßen Unterhalt des Pfarrers aufzukommen hat. Wo Pfründeneinkommen und Kongrua nicht ausreichten, und das war selten der Fall, musste das Kloster etwas zuschießen. Die Stadt Krems leistete keine Zahlungen, weil sie diese Inkorporationen als erloschen betrachtete. Sie trug die Baulasten der Pfarren, deren Kirchen und Pfarrhöfe sie grundbuchmäßig besaß, allerdings mussten dort die Patres, wie z. B. Pfarrer Docekal in der Göttweiger Pfarre Haindorf, für den Pfarrhof Miete zahlen.

    Letztendlich brachte der land- und forstwirtschaftliche Besitz des Klosters für die Stadt Krems nicht die erhofften Einkünfte. Da die Erhaltung des denkmalgeschützten Stiftsgebäudes sehr teuer war, verschenkte die Stadt Krems das Gebäude an die „Gesellschaft zur Förderung und Pflege deutscher Kulturdenkmäler“, behielt aber die Bibliothek und einen Großteil des Inventars, sowie die Nutzungsrechte für einige Prunkräume. In anderen Bereichen des Klostergebäudes waren seit Oktober 1940 von der Volkdeutschen Mittelstelle (VDM) an die 600 „volksdeutsche“ Umsiedler untergebracht worden. Später kamen französische Kriegsgefangene hinzu. Ab Jänner 1943 wurde eine „Nationalpolitische Erziehungsanstalt“ (NAPOLA) für ungefähr 80 Buben im Stift untergebracht. Nach Kriegsende nahm die Besatzungsarmee der Sowjets das Gebäude für sich in Anspruch, es diente 3000 russischen Soldaten als Kaserne.

    Die Wiedererlangung der in Händen des Landes Niederösterreich liegenden Liegenschaften sowie der in den großen nationalen Sammlungen befindlichen Kunstschätze stellten keine größeren Probleme dar. Schwieriger war dies jedoch bei den unzähligen Liegenschaften die etwa von der Stadt Krems an Dritte weiterverkauft worden waren. Dort zogen sich die Restitutionsverfahren über Jahre hin und das Stift Göttweig hatte diesbezüglich zahlreiche nicht selten unvorteilhafte Kompromisse zu schließen. Manchen Restitutionen (z.B. Verdienstentgang, Entgang der Kongrua etc.) wurde erst durch den Staatsvertrag (1955), in dem auch Entschädigungsverpflichtungen gegenüber religiös Verfolgten eingeräumt wurden, die Bahn geebnet. Die ersten drei Jahrzehnte nach 1945 waren dementsprechend gekennzeichnet von einem Bemühen, die enorme ökonomische und spirituelle Verwüstung, die der Nationalsozialismus hinterlassen hatte, zu beseitigen und das Klosterleben wieder in Gang zu bringen.

    In den letzten Jahrzehnten verfügte das Stift Göttweig permanent über eine sehr respektable Anzahl von Konventsmitgliedern, welche auch die Stiftspfarren bertreuen; es erfolgte die Gründung eines vom Stift abhängigen Priorates (1991) in dem wiederbelebten Wallfahrtsort Maria Roggendorf; das prächtige Stiftsgebäude wurden in den Jahren seit 1978 rundum restauriert und lockt unzählige Besucher in die Stiftskirche, die Ausstellung und das Stiftsrestaurant; Abt Dr. Clemens Lashofer (seit 1973) fungiert als Abtpräses der Österreichischen Benediktinerkongregation und ist Vorsitzender der Salzburger Äbtekonferenz.

    Lit.: Lashofer, Clemens Anton: Professbuch des Benediktinerstiftes Göttweig. Zur 900-Jahr-Feier der Gründung des Klosters (St. Ottilien 1983) [=Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige, 26. Ergbd.].

    Fux, Ildesfons (Bearb.), Geschichte des Stiftes Göttweig 1083 – 1983. Festschrift zum 900-Jahr-Jubiläum (St. Ottilien 1983).[=Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige, Jg. 1983, Bd 94, Heft I-II]

    Lechner, Gregor (Bearb.): 900 Jahre Stift Göttweig 1083 – 1983. Ein Donaustift als Repräsentant Benediktinischer Kultur. Katalog zur Jubiläumsausstellung (Bad Vöslau 1983)

    Lechner, Gregor/ Grünwald, Michael: Stift Göttweig. Gottfried Bessel (1672 – 1749) und das barocke Göttweig. Zum 250. Todesjahr des Abtes. Ausstellungskatalog (Bad Vöslau 1999).

    Lechner, Gregor: Stift Göttweig und seine Kunstschätze (St. Pölten 1983).

    Spevak, Stefan: NS-Vermögensentzug, Restitution und Entschädigung in der Diözese St. Pölten (Wien 2003). [=Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Bd. 22/2]

  3. Bestandsgeschichte
  4. Adalbert Fuchs hat für sein Editionswerk der Göttweiger Urkunden und Regesten folgende Bestände des Stiftsarchivs Göttweig, heute noch das größte österreichische Privatarchiv, herangezogen und bearbeitet, die hier entsprechend seiner Edition mit Großbuchstaben bezeichnet sind.

    (A) Urkunden:

    Das Stiftsarchiv Göttweig verfügt in seiner Urkundenreihe (Nr. 1 – 2.747) über einen reichen Bestand an Original-Urkunden: Kaiser-und Papsturkunden sowie vielfältige Privaturkunden (von Landesfürsten, Bischöfen, geistlichen Würdenträgern, Adeligen, Bürgern).

    Ursprünglich wurden alle Urkunden im Stiftsarchiv hinterlegt, erst im 14. Jahrhundert wurden sie den jeweiligen Offizialen der einzelnen Vewaltungsbezirke des Stiftsbesitzes, der Ämter, zur Aufbewahrung am dortigen Sitz übergeben. Diese hinterließen in Form von Rückvermerken Bezeichnungen darauf und zählten häufig die Urkunden mit fortlaufender Zahl durch. Wann diese Material wieder in das Stiftsarchiv zurückkam, ist nicht klar. Die allgemeinen, das Stift in seiner Gesamtheit betreffenden Urkunden wurden kontinuierlich im Stiftsarchiv aufbewahrt. Es sind leider keine mittelalterlichen Verzeichnisse erhalten, die Rückvermerke auf den Urkunden lassen aber auf eine Existenz von solchen schließen. Aus dem 17. Jahrhundert liegt ein kurzes Urkundenverzeichnis vor.

    Eine vollständige systematische Katalogisierung aller Archivalien wurde erst unter dem Abt Gottfried von Bessel (1714 - 1749) vorgenommen ebenso wie eine Ordnung des Archivs nach topographisch-administrativen Kriterien entprechend der Ämter. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Originalurkunden ausgegliedert und und in eine chronologische Reihe zusammengeführt.

    Bedeutende Verluste erlitt der Urkundenbestand durch einen Großbrand 1718 sowie durch verschiedene Ursachen, die auch in anderen Archiven häufig vorliegen: durch Abgänge aus Verkäufen, in Zuge derer den Käufern die betreffenden älteren Urkunden ausgehändigt wurden; ebenso kam es zu Überlieferungsverlusten durch sekundär verwendetes Urkundenpergament, sodaß der Text der älteren Urkunde durch Radierung und Wiederbeschreibung vernichtet wurde. Weiters wurden nicht mehr relevante Urkunden zur Gewinnung von Pergamentstreifen für die Siegelanhängung zerschnitten oder als Einbände für Codices verwendet, sodaß nur mehr rudimentäre Textpassagen vorhanden sind.

    Leider größtenteils verloren sind die Urkunden des Benediktiner Nonnenstifts. Vermutlich wurden diese von den Nonnen bei deren Übersiedlung von Göttweig in das Zisterzienser-Nonnenstift St. Bernhard bei Horn 1557 mitgenommen und gingen in weiterer Folge dort verloren oder sie blieben im Stiftsarchiv und verbrannten 1718.

    (B) Traditions- und Kopialbücher

    Traditionsbücher wurden im bairisch-österreichischen Raum seit der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts bis zum Ende des 12. Jahrhunderts bei geistlichen Grundherrschaften angelegt. Die vorhandenen Urkunden wurden abgeschrieben, um eine Übersicht über den Besitzstand zu erlangen, die Besitztitel zu sichern und um das Gedächtnis an die Wohltäter zu bewahren.

    Im Laufe des 13. Jahrhunderts verdrängten allmählich die Urbare, topographsich nach Ämtern angelegte Besitz- und Abgabenverzeichnisse, die Traditionscodices.

    In Göttweig zeichnete man ab dem ersten Drittel des 12. Jahrhunderts bereits erfolgte und aktuelle Schenkungen an das Stift in zwei Traditionsbüchern auf. Der Göttweiger Profess P. W. Karlin bearbeitete um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Traditionsbücher (vlg. Unten bei den Bearbeitungen). Er bezeichnete das jüngere und vollständigere der beiden vorhandenen Traditionsbücher, das 1135/36 begonnen und bis in das 13. Jahrhundert weitergeführt wurde mit beigebundenen Katalogen der Äbte von Göttweig, Bischöfe von Passau und Markgrafen bzw. Herzöge von Österreich aus der 2. Hälfte des 13. Jhs., als Codex A, den geringfügig älteren vom 1. Drittel des 12. Jahrhunderts als Codex B. Fuchs hält sich in seiner Edition der Göttweiger Urkunden und Regesten an diese Bezeichnungen von Karlin. Aber Achtung! In der modernen Literatur jedoch wird heute in umgekehrter Weise der ältere Codex als Traditionscodex A bezeichnet (entsprechend seiner alten aufschriftlichen Bezeichnung A), der jüngere und bedeutendere als Traditionscodex B.

    Diese Urkundensammlungen in Form von Kopialbüchern fanden erst wieder im 15. Jh. ihre Fortsetzung. Das bedeutendste unter diesen wurde unter Abt Wolfgang II. (1444 - 1485) in den Jahren 1447 und 1448 angelegt, der sogen. Codex C oder Codex privilegiorum, der 562 Urkunden bis 1448 und 4 Urkunden des 16. Jahrhunderts umfaßt. Den Abschriften ist ein kurzes Regest vorangesetzt. Der Kopist ordnete das Material nach den einzelnen Stiftsämtern.

    Codex D, unvollständig, ein Gewährbuch, also ein öffentliches Buch einer Grundherrschaft, das die Eigentumsübertragungen verzeichnet, enthält protokollarische Vermerke über Rechtsgeschäfte von 1413 bis 1457.

    Codex E aus der Mitte des 15. Jahrhunderts enthält vor alle Briefe und Akten des Abtes Martin Matschauer (1457 - 1468), die Codices F, G und H stammen aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Codex F enthält Abschriften von Urkunden und Briefen der betreffenden Epoche, Codex G enthält ein Zinsregister über den Göttweiger Besitz in Sankt Veit an der Gölsen, Hainfeld und Kleinzell sowie ein protokollarisch geführtes Gewährbuch mit Beginn 1514. Codex H, ein Gewährbuch, enthält Grundbuchakten von 1457 bis 1512. Weiters benutzte Fuchs noch ein Fragment eines Kopialbuches vom Ende des 14. Jahrhunderts mit Abschriften von Urkunden über die Pfarre Groß im Weinviertel.

    30 Jahre nach seinem Göttweiger Urkundenbuch legte Adalbert Franz Fuchs auch die Bearbeitung der Göttweiger Traditionsbücher vor, vlg. Fuchs, Die Traditionsbücher des Benediktinerstifts Göttweig (Fontes Rerum Austriacarum II/69, Wien 1931).

    © Urbare

    Als wertvolle Quelle zur Siedlungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, v.a. auch zur Agrarbeschichte, hat Fuchs auch die Göttweiger Urbare A von 1302 und B von 1322 herangezogen. Sie geben topographisch nach Ämtern geordnet eine Übersicht über den Grundbesitz und vermerken die Schuldigkeiten, Abgaben und Dienstleistungen der Grundholden. Fuchs nahm relevante Einträge, wie dort in Kopie überlieferte Urkunden, oder Vermerke über Besitzübertragungen oder andere grundherrschaftliche Belange, worüber die Urkunden verloren sind, Eintragungen von Streitschlichtungen etc. in sein Göttweiger Urkundenbuch auf.

    Vgl. auch Fuchs´ Bearbeitung der Göttweiger Urbare: Die Urbare des Benediktinerstiftes Göttweig von 1302 bis 1536 (Österreichische Urbare III, 1, Leipzig Wien 1906).

    Weiters nahm Fuchs einzelne Urkundenkopien aus dem 18. Jahrhundert aus verschiedenen Göttweiger Codices (885, 895 u.a.) auf und verarbeitete vereinzelt auch andere Quellenbestände wie Rechnungsbücher.

    Die moderne Bearbeitung der Göttweiger Archivbestände, v.a. der Urkunden, bis zu Adalbert Fuchs

    Die Äbte Gottfried Bessel (1714 - 1749) und Magnus Klein (1765 - 1783) ließen für ihre historischen Arbeiten Abschriften der Traditionscodices A und B und des Codex C (privilegiorum) herstellen. Sie fertigten auch Auszüge aus den Origialurkunden an.

    Gottfried Bessel, Abt, Theologe, Diplomat, Mäzen und Bauherr, Wissenschaftler und Rektor der Wiener Universität verfasste das 1732 erschienene Chronicon Gottwicense. Bessel wollte ursprünglich eine umfassende Geschichte des Stiftes Göttweig schreiben, der er eine Geschichte Österreichs und eine des Heiligen Römischen Reichs voranstellen wollte. Doch konnte nur der Einleitungsband erscheinen, der moderne quellenkritische Untersuchungen deutscher Königs- und Kaiserurkunden sowie paläographische, literaturgeschichtliche und geographische Forschungen brachte. Diese Arbeit wurde zum Grundlagenwerk der Diplomatik im deutschsprachigen Raum.

    Magnus Klein arbeitete am Chronicon Gotwicense mit, verfaßte eine Art Privaturkundenlehre (Cod. 75 der Göttweiger Stiftsbibliothek), weiters die Notitia Austriae, ein groß angelegtes Werk zur österreichischen Geschichte, von der nur der erste Teil, die Zeit der Kelten, 1781 erschien, und hinterließ reiche Materialsammlungen zu einer von ihm geplanten Geschichte der katholischen Kirche im deutschen Sprachraum

    Um 1776 faksimilierte der Göttweiger Archivar P. H. Dückelmann eine Anzahl der ältesten Urkunden und zeichnete die Siegel ab (mit Ungenauigkeiten der Umschriften).

    In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts arbeitete Wilhelm Wattenbach im Zuge seiner Forschungen zur Österreichischen Annalistik und der Bearbeitung der Vita Altmanni im Göttweiger Stiftsarchiv.

    1855 publizierte der Göttweiger Profess P. W. Karlin eine Auswahl von 80 Urkunden bis zum Jahr 1300, vgl. Wilhelm Karlin, Das Saalbuch des Benedictinerstifts Göttweig (Fontes Rerum Austriacarum II/ 8, 249 - 352), Wien 1855, starb aber bald darauf. Erst in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts versuchte der damalige Archivar P. A. Dungel die Arbeiten fortzuführen, er kam aber nur zu Abschriften eines Teils der Urkunden bis 1400, durch seine Wahl zum Abt 1886 kamen seine Arbeiten zum Stillstand.

    1894 nahm Adalbert Franz Fuchs, Konventuale von Göttweig, schließlich eine umfassende Bearbeitung in Angriff unter Verwendung der Vorarbeiten von Karlin und Dungel, wobei er aber die von Karlin bearbeiteten 80 Urkunden neu bearbeitete. Sein Ziel war eine vollständige Erfassung der Urkunden und Regesten nicht nur des Stiftsarchivs Göttweig, sondern auch von Material aus anderen Archiven (zu dem Editionswerk von Fuchs siehe folgend 3.) und 4.).

  5. Benützte Editionen/Regestenwerke
  6. Adalbert Franz FUCHS Urkunden und Regesten zur Geschichte des Benedictinerstifts Göttweig. 1. Theil 1058 - 1400 ( Fontes Rerum Austriacarum II/51) 1901.

    Nummer 1 - 899

    Adalbert Franz FUCHS, Urkunden und Regesten zur Geschichte des Benedictinerstifts Göttweig. 2. Theil 1401 – 1468 (Fontes Rerum Austriacarum II/52) 1901.

    Nummer 900 - 1731

    Adalbert Franz FUCHS, Urkunden und Regesten zur Geschichte des Benedictinerstifts Göttweig. 3. Theil 1468 – 1500 (Fontes Rerum Austriacarum II/55) 1902

    Nummer 1732 bis 2277

    Adalbert Franz FUCHS, Nachträge zu Urkunden und Regesten zur Geschichte des Benedictinerstifts Göttweig (Fontes Rerum Austriacarum II/69) 1931.

    Nr. 429 – 598.

  7. Vorworte von Adalbert Fuchs zum Göttweiger Urkundenbuch
  8. hier

  9. Editionskritik
  10. a) Umfang, Quellenmaterial

    Das Göttweiger Urkundenbuch von Adalbert Franz Fuchs umfaßt 2.446 Einträge/Nummern in chronologischer Reihenfolge von 1058 bis 1500.

    Fuchs nahm in seine Edition nicht nur Materialien aus dem Stiftsarchiv Göttweig auf, vgl. ausführlich oben unter 2.) Bestandsgeschichte, sondern verarbeitete ingesamt folgende Materialien:

    1. Alle Urkunden des Stiftsarchivs Göttweig in originaler und kopialer Überlieferung, auch solche, die keinen Göttweig-Bezug haben
    2. Briefe und Akten im Stiftsarchiv Göttweig in kopialer Überlieferung
    3. Relevanten Passagen aus Göttweiger Urbaren und fallweise aus anderen Quellengattungen wie z. B. Rechnungbücher des Stiftsarchivs Göttweig
    4. Umfangreiches Material aus zahlreichen anderen Archiven, die Göttweig betreffen. Fuchs unternahm ausgedehnte Studienreisen in versch. Archive.
    5. Urkunden: alle für Fuchs greifbaren Urkunden (Originale in verschiedenen Archiven, edierte Urkunden), in denen Göttweiger Äbte als Zeugen oder Siegler auftraten. Diese Urkunden wurden nur als Regest aufgenommen, lieferten damals aber neue Daten für die Präzisierung des Abtkatalogs.
    6. Historiographische Quellen (in Edition oder/und Original), deren Göttweig betreffende signifikante Stellen er aufnahm, z.B. aus den Göttweiger Annalen des 11. bis 13. Jhds, vgl. Wilhelm Wattenbach, Annales Austriae (MGH , SS 9, S. 600 - 604 ) 1851.

    Unter den biographisch-hagiographischen Werken, die Fuchs rezipierte, kommt natürlich der Lebensbeschreibung des Bischofs Altmann von Passau (1065 - 1091), der Vita Altmanni, besondere Bedeutung zu, ediert von Wilhelm Wattenbach in: MG SS 12 (1856), S 226 – 243. Fuchs nahm einige Stellen in seine Urkunden-Edition auf, später legte er noch eine quellenkritische und kulturgeschichtliche Auswertung dieser Quelle vor (Fuchs Adalbert, Der Heilige Altmann. Bischof von Passau und Gründer von Göttweig. Nach den ältesten Lebensbeschreibungen (etc.) Wien 1929).

    b) Editionsrichtlinien, Systematik

    Die Urkunden bis 1300 wurden fast ausschließlich im Volltext wiedergegeben, danach gemischt im Volltext oder Regest, da es Fuchs als unnütz erschien, „den umfangreichen, meist ganz gleichen Formelkram bei gewöhnlichen Kauf – und Tauschverträgen in zahllosen Fällen mitzuschleppen“ (Fuchs, Urkunden und Regesten, Teil 1, FRA II/51, Vorwort S. VI.)

    Fuchs traf nach Kriterien der Bedeutung des Ausstellers (Papst, König, Kaiser, Herzöge und Bischöfe) und des Komplizität des Inhalts, wenn dieser ihm als Regest nicht darstellbar erschien, seine Auswahl an Urkunden, die er als Volltext aufnahm.

    Fuchs stellt auch die äußeren Merkmale der Original-Urkunden hinreichend und fachgerecht dar.

    Er hielt sich an die Wiedergabeform der Diplomata der MGH seiner Zeit. Die von ihm vorgenommene textlich-sprachliche Wiedergabe entspricht beinahe einer Transkription, er nimmt kaum orthographische Eingriffe vor, sondern möchte „dem berechtigten Interesse des deutschen Sprachforschers“ entsprechen (Fuchs, Urkunden und Regesten, Teil 1, RA II/51, Vorwort S. VII).

    c) Aktualisierungsbedarf, Überarbeitungsvorschläge

    Trotz der hervorragenden Qualität der Edition von Fuchs machen natürlich die Forschungsergebnisse der seither vergangenen 100 Jahre in manchen Punkten eine Revidierung verschiedener Schlüsse und Angaben von Fuchs notwendig.

    1. Fuchs´ Datierungen einzelner Urkunden sind durch die Ergebnisse der jüngeren Forschung überholt und nicht mehr in allen Fällen aufrechtzuerhalten. Die vorliegende Bearbeitung der Edition von Fuchs für das Internet im Rahmen des MOM-Projekts hält sich zwar im Moment noch an die Reihung von Fuchs, doch wird eine Neureihung der Urkunden durchgeführt werden.
    2. Fuchs hält die Gründungsurkunde des Bischofs Altmanns von Passau von Stift Göttweig vom 9. Septrember 1083, Nr. 5, bei der es sich um eine geschickte Fälschung aus der Zeit nach 1164 handelt, in seinem Göttweiger Urkundenbuch noch für echt. Schon 1910 sieht er sich durch neue Forschungen von Mitis veranlaßt, der Fälschungsthese zuzustimmen.
    3. Die topographische Angaben von Fuchs sind in seinen Fußnoten in einigen Fällen zu korrigieren. Fallweise konnte Fuchs die Orte gar nicht identifizieren und gab diese Ortbezeichnungen daher im Regest und Register nur im Buchstabenbestand wieder. Viele davon konnten heute mit modernen Hilfsmitteln identifiziert werden und sind dementsprechend indiziert worden.
    4. Verschiedene Schreibweisen von Eigennamen (z.B.von Herrscher- und Geschlechternamen u.ä., z. B. die Schreibung und Zählung der steirischen Otakare) sind im Vergleich zu modernen Konventionen nicht mehr aktuell und wurden in der MOM-Indizierung aktualisiert. Der damaligen Zeit entsprechende Auffassungen sind in Einzelfällen heute inhaltlich nicht mehr brauchbar und zulässig, wie z. B. bei Nr. 5, Gründungsurkunde von 1083, Fußnote 9, wo der Betriff Genanne als ein „....dem germanischen Gefühle der Sippe entsprungener sehr verbreiteter Name.....“ erklärt wird.
    5. Siegelverluste: Da das Archiv während der Zeit der Enteignung des Stifts Göttweig in der NS-Zeit verschleppt wurde und durch überstürzte Transport etc. Schäden und Verluste entstanden, sind in einigen Fällen die von Fuchs beschriebenen Siegel nun beschädigt oder ganz verloren, z. B. das 1901 noch vorhandene Siegel auf der (gefälschten) Gründungsurkunde von 1083 ist heute nur noch in kleinen losgelösten Restpartikeln erhalten, das Siegel der Urkunde 1108 September 6, Fuchs Nr. 18, ist heute stark beschädigt etc.

    Das Göttweiger Urkundenbuch von Adalbert Fuchs stellt eine hervoragende wissenschaftliche Leistung und bis heute grundlegende Arbeit dar. Es zeichnet sich sowohl durch eine enorme Fülle an vielfältigem Material, die eine umfassende Zusammenschau bietet, als auch durch die methodisch professionelle, sorgfältige editorische Bearbeitung aus, die weit über die Entstehungszeit hinaus Vorbildcharakter und Bedeutung behielt.

    d) Zur Person des Editors

    Adalbert Franz Fuchs (1868 - 1930) wurde in Landschau in Südmähren als Sohne eines Landwirtes geboren und trat 1887 in das Kloster Göttweig ein. 1892 zum Priester geweiht durfte er an der Universität Wien historische Studien betreiben. Er unterrichtete an der Göttweiger Hauslehranstalt einige Jahre Kirchengeschichte, Kirchenrecht und Dogmatik. 1894 nahm er die Arbeiten am Göttweiger Urkundenbuch in Angriff, das 1901 und 1902 erschien. Ab 1901 wirkte er in verschiedenen Pfarren als Seelsorger, unternahm in dieser Zeit weiter umfangsreiche historische Foschungen und schloß sein Geschichtestudium mit dem Dr. phil 1904 ab. Er wurde 1922 zum Abt-Koadjutor und nach dem Tode des Abtes Dungel 1923 zu dessen Nachrfolger gewählt. Dr. Adalbert Franz Fuchs war ein ausgewiesener Historiker, verfaßte insgesamt 21 Publikationen, war Mitglied der kaiserlichen Kommission für Denkmalpflege, Mitarbeiter an der Monumenta Germaniae und Korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Er erhielt 1928 das große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.

    Weitere Arbeiten von Adalbert Franz Fuchs (in Auswahl)

    • Die Urbare des Benediktinerstiftes Göttweig von 1302 bis 1536. Bearb. von Adalbert Fr. Fuchs.(Österreichische Urbare III, 1) Leipzig Wien 1906.
    • Urkunden und Regesten zur Geschichte der aufgehobenen Karthause Aggsbach V.O,W.W. bearb. von Adalbert Fr. Fuchs (Fontes Rerum Austriacarum II/59) Wien 1906.
    • Adalbert Franz Fuchs, Der älteste Besitz des Stiftes Göttweig und dessen Verhältnis zu den Göttweiger Geschichtsquellen, in: Jahrbuch für Landeskunde von NÖ 9 (1910), S. 1-99 (1911 auch als Monographie erschienen).
    • Adalbert Franz Fuchs, Das Benediktinerstift Göttweig. Seine Gründung und Rechtsverhältnisse im Mittelalter (Studien und Mitteilungen aus dem Benediktiner- und Zisterzienserorden 37/38), Salzburg, 1916/17, S. 1-225.
    • Adalbert Franz Fuchs, Der Heilige Altmann. Bischof von Passau und Gründer von Göttweig. Nach den ältesten Lebensbeschreibungen (etc.) Wien 1929.
    • Adalbert Franz Fuchs, Die Traditionsbücher des Benediktinerstiftes Göttweig. (Nebst) Nachträge(n) zum Göttweiger Urkundenbuch (Fontes rerum Austriacarum II/69), Wien, Leipzig 1931.

Stefan Spevak und Gabriele Stöger