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Collection: Chartularium Sangallense 03 (1004-1277)
CHARTULARIUM SANGALLENSE, BAND III, (1000-1265), BEARBEITET VON OTTO P. CLAVADETSCHER
HERAUSGEBER- UND VERLAGSGEMEINSCHAFT CHARTULARIUM SANGALLENSE (HISTORISCHER VEREIN DES KANTONS ST. GALLEN, STAATSARCHIV, STADTARCHIV, STIFTSARCHIV ST.GALLEN)
ST. GALLEN 1983

1. Allgemeines

2. Geschichte der Urkundenedition

3. Grundsätze der Urkundenedition

4. Editionsplan

1. Allgemeines


Neben den Monumenta-Ausgaben darf das 1863 von Hermann Wartmann begonnene «Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen» als eine der wichtigsten Quelleneditionen zur mittelalterlichen Geschichte bezeichnet werden.
Wie die Editionsgrundsätze sich im Laufe der Zeit – von Teil I 1863 bis Teil VI 1955 – gewandelt haben, ist in der nachfolgenden Einleitung ausführlich geschildert. Die von Stadtarchivar Dr. Ernst Ziegler angeregte Bestandesaufnahme der nicht veröffentlichten Urkunden des Stadtarchivs (Vadiana) St.Gallen zeigte rasch die Notwendigkeit, das «Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen» zu ergänzen.
Nachdem der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und der Regierungsrat des Kantons St.Gallen die finanzielle Unterstützung zugesichert hatten und in Otto P. Clavadetscher ein bestens ausgewiesener Bearbeiter gewonnen werden konnte, erarbeitete eine Redaktionskommission, die Vorgängerin der Herausgeber- und Verlagsgemeinschaft «Chartularium Sangallense», Richtlinien für die geplanten «Ergänzungsbände».
Aufzunehmen waren alle Urkunden, die den heutigen Kanton St.Gallen (mit Ausnahme der drei südlichen Bezirke Werdenberg, Sargans und Gaster) betreffen. Damit sollte endlich auch das Quellenmaterial derjenigen Teile des Kantons St.Gallen vollständig erfasst werden, die in Wartmanns Urkundenbuch nur teilweise oder gar nicht berücksichtigt waren (Toggenburg, Rheintal, Seebezirk). Das Ergebnis der Materialsammlung aus bisherigen Editionen und zahlreichen in- und ausländischen Archiven übertraf alle Erwartungen. Mit Ergänzungsbänden war die Aufgabe nicht mehr zu lösen. Zusammen mit den schon in den Teilen III und IV des «Urkundenbuches der Abtei Sanct Gallen» existierenden, zum Teil sehr umfangreichen Anhängen hätten die neuen Ergänzungsbände bedeutend mehr Material aufgewiesen als die zu ergänzenden Bände. Die Kommission kam daher rasch zur Überzeugung, dass nur eine Neubearbeitung das gesteckte Ziel erreichen könne. Um jegliche Verwechslung mit den von Hermann Wartmann und Franz Perret bearbeiteten Urkundenbüchern auszuschliessen, drängte sich für das neue Werk ein lateinischer Titel auf. Im Einvernehmen mit Frau Dr. Theresia Payr, der Direktorin des mittellateinischen Wörterbuchs in München, fiel die nicht leichte Wahl schliesslich auf «Chartularium Sangallense». Schon in der vorbereitenden Phase war entschieden worden, die Neubearbeitung von Teil I und II des «Urkundenbuchs der Abtei Sanct Gallen» zurückzustellen, da für diese Bände auch nach dem neuen territorialen Auswahlprinzip nur wenige Nachträge zu berücksichtigen sind. Zudem stellen sich für diesen weitgehend geschlossenen Bestand karolingischer Kaiser- und Privaturkunden andere Editionsprobleme als für die späteren Bände. So erscheint nun zuerst Band III des «Chartularium Sangallense», welcher die Urkunden von 1000-1265 enthält und damit Teil III der Edition Hermann Wartmanns teilweise ersetzt, nämlich dessen Nummern 819-969, sowie die chronologisch hierher gehörenden Anhänge der Teile III und IV. Da die Zahl der später in Band I und II des «Chartularium Sangallense» neu zu edierenden Urkunden gegenüber den Teilen I und II des «Urkundenbuches der Abtei Sanct Gallen» praktisch unverändert bleiben wird, konnte die durchgehende Numerierung beibehalten werden; Band III beginnt deshalb mit Nummer 871.
Dem Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und dem Regierungsrat des Kantons St.Gallen sind wir für die bereitwillig und grosszügig gewährten finanziellen Mittel sowohl für die Bearbeitung als auch für den Druck zu grossem Dank verpflichtet. Weitere Druckkostenbeiträge verdanken wir dem Katholischen Konfessionsteil des Kantons St.Gallen und der Ortsbürgergemeinde St.Gallen. Schliesslich danken wir dem Bearbeiter, Prof. Dr. Otto P. Clavadetscher, ganz besonders für die ausserordentlich sorgfältige und speditive Arbeit.


2. Geschichte der Urkundenedition

Herausgeber- und Verlagsgemeinschaft Einleitung Schon im Jahre 1606 veröffentlichte Melchior Goldast im zweiten Band seiner «Alamannicarum rerum scriptores» eine «Centuria Chartarum», die sich damals in seinem Besitz befanden, zum Teil heute verloren sind, zum Teil als sogenannte «Bremer Urkunden» 1951 nach St.Gallen zurückkehrten.
Doch die eigentliche Geschichte der Urkundenedition begann in St.Gallen mit den im wesentlichen zwischen 1645 und 1680 entstandenen Klosterdrucken. Sowohl administrative als auch konservatorische und historische Überlegungen veranlassten das Kloster zum Vollabdruck seiner Dokumente. Kein anderes Kloster hat seine Urkunden in ähnlich umfassender Weise ediert. In der Folge berücksichtigten alle Urkundeneditoren des schwäbischen Raumes

1. die einschlägige St.Galler Überlieferung, teils im Auszug, teils im Vollabdruck, teils nach den Klosterdrucken, teils nach den Originalen. Im Rahmen der Klosterdrucke entstand wohl zuerst (1645) der Band mit dem Titel «Traditiones monasterij S.Galli» (von Wartmann und auch oft in der Literatur als «Codex Traditionum» zitiert)

2. Er umfasst die Traditionen vom Beginn des 8. Jahrhunderts bis 1360, daneben – zeitlich so gut wie möglich eingeordnet – einzelne Personennamenlisten, Einkünfte- und Servitienverzeichnisse, Jahrzeitstiftungen, Verbrüderungsformulare und Beurkundungen anderer Rechtsgeschäfte.

Da dieser «Codex Traditionum» nur in 24 Exemplaren gedruckt worden war, wollte der Literarische Verein in Stuttgart in den Vierzigerjahren des 19. Jahrhunderts eine allgemein zugängliche Ausgabe veranstalten.
Die Vorarbeiten von Heinrich Hattemer (+ 1849) gediehen nicht weit. Sie wurden vom Zürcher Professor Friedrich v. Wyss erworben und der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich zur Verfügung gestellt. In deren Namen förderten die Brüder Friedrich und Georg v. Wyss die Arbeiten soweit, dass im Jahre 1852 sieben Bogen gedruckt werden konnten. Da das Unternehmen in der Folge wegen anderer Verpflichtungen der Bearbeiter liegenblieb, übernahm Hermann Wartmann die Weiterführung. Der ursprüngliche Plan wurde in dem Sinne abgeändert, dass in einem «Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen» alle noch im Stiftsarchiv vorhandenen Urkunden bis 1250 ediert werden sollten, also nicht nur die durch den «Codex Traditionum» erfassten Stücke, und zwar soweit möglich nach den Originalen. So erschienen 1863 Theil I (700-840) und 1866 Theil II (840-920). Diese Bände beruhten auf dem reinen Provenienzprinzip. Berücksichtigt waren die Originalurkunden des Stiftsarchivs St.Gallen, die aus diesem stammenden, damals aber in Bremen liegenden Urkunden aus dem Nachlass Goldasts, einige Urkunden aus dem Fragmentenband der Stiftsbibliothek St.Gallen Cod. 1394 und schliesslich die nur im Druck überlieferten Stücke aus Goldasts «Centuria Chartarum» und aus dem «Codex Traditionum».
Der 1882 abgeschlossene Teil III (920-1360) brachte wichtige Änderungen gegenüber den beiden ersten Teilen. Einmal enthält er entgegen dem ursprünglichen Plan (1250) die Urkunden bis zum Jahre 1360, dann aber wurden auch weitere die Klostergeschichte betreffende Dokumente aus anderen Archiven berücksichtigt, nämlich aus den Stadtarchiven St.Gallen und Wil, dem Klosterarchiv Magdenau, den kantonalen Archiven in Appenzell, Aarau, Luzern, Schaffhausen, Frauenfeld und Zürich und dem Generallandesarchiv in Karlsruhe. Damit war das Provenienzprinzip durchbrochen, doch wollte und konnte Hermann Wartmann keine Vollständigkeit erreichen. Die meisten dieser Urkunden waren von den auswärtigen Archiven in grosszügiger Weise an Wartmann nach St.Gallen gesandt worden, andere lagen ihm im Druck oder in durch Freunde und Bekannte vermittelten Abschriften vor. Damit aus dem bisher nach dem Provenienzprinzip gestalteten Urkundenbuch ein institutionelles der Abtei St.Gallen entstanden wäre, hätte es einer systematischen Durchsicht aller derjenigen Archive bedurft, welche aufgrund der Klostergeschichte und besonders des St.Galler Klosterbesitzes einschlägige Dokumente enthalten mussten. Bei den damaligen Verkehrsverhältnissen, den Reproduktionsmöglichkeiten und vor allem aus beruflichen Gründen konnte Hermann Wartmann diese Arbeit nicht leisten.
Für den 1899 erschienenen Teil IV (1360-1411) wandte Wartmann die gleichen Grundsätze an wie für Teil III, doch berücksichtigte er weitere Archive. Im Vorwort bemerkte er, dass dieser Teil eigentlich als «Urkundenbuch der Abtei und der Stat St.Gallen» bezeichnet werden müsste, wenn er nicht die Fortsetzung der bisherigen drei Teile darstellen würde.
Den 1913 erschienenen Teil V (1412-1441) bearbeiteten Placidus Bütler und Traugott Schiess. Nun wurde das Prinzip des durchgehenden Vollabdrucks verlassen und die «minder wichtigen Documente» nur noch in Regestenform oder wenigstens stark gekürzt ediert. Das wissenschaftliche Interesse von Traugott Schiess galt mindestens so sehr den erzählenden Quellen wie den Urkunden, was sich in Teil V insofern auswirkte, als es sich beim grösseren Teil der noch voll abgedruckten Dokumente um Missiven u.ä. handelt. So bildet dieser Teil wohl eine wichtige, umfassende Dokumentation des Zeitraumes nach den Appenzeller Kriegen, die Urkunden im engeren Sinne aber kommen dabei eindeutig zu kurz.
Der erst 1955 abgeschlossene, von Traugott Schiess und Paul Staerkle bearbeitete Teil VI (1442-1463) ist im wesentlichen nur noch ein Regestenwerk. Berücksichtigt ist der nördliche Teil des Kantons, ebenso, wenn auch sehr unvollständig, das Rheintal und das Toggenburg, während für die drei ehemals zu Rätien gehörenden südlichen Bezirke Werdenberg, Sargans und Gaster seit 1951 das von Franz Perret herausgegebene «Urkundenbuch der südlichen Teile des Kantons St.Gallen» erscheint (I. Band 1961 abgeschlossen, II. Band 1982). Damit ist die Ausgangslage skizziert.
Im Hinblick auf eine Edition des wertvollen Jahrzeitbuchs von St. Laurenzen in St.Gallen sichtete ich den ganzen mittelalterlichen Urkundenbestand des Stadtarchivs St.Gallen. Die vielen Inedita Hessen den Stadtarchivar zunächst an ein separates Urkundenbuch der Stadt St.Gallen denken, doch zeigte sich bald, dass auch viele das Kloster betreffende Dokumente nicht ediert waren. Deshalb regte er an, alle bisher nicht edierten Urkunden zu registrieren mit dem Ziel, durch Ergänzungsbände das «Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen» zu vervollständigen. Auf sein Gesuch hin bewilligten 1974 der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und der Kanton St.Gallen die notwendigen Mittel für diese Materialsammlung. Auf Wunsch der Regierung wurde eine verantwortliche Kommission gebildet, der Vertreter des Staatsarchivs (Dr. Walter Lendi), des Stadtarchivs (Dr. Ernst Ziegler), des Stiftsarchivs (Dr. Werner Vogler), des Historischen Vereins des Kantons St.Gallen (Dr. Ernst Ehrenzeller), seit 1978 auch des Nationalfonds (Professor Dr. Stefan Sonderegger) sowie der Bearbeiter angehören. Aus den Beratungen dieser Kommission ging folgender Plan hervor: Mit Ausnahme der drei durch das Urkundenbuch von Franz Perret erfassten südlichen Bezirke Werdenberg, Sargans und Gaster sollte nun der ganze heutige Kanton St.Gallen berücksichtigt werden, also neben dem äbtischen Herrschaftsbereich und der Stadt auch das Rheintal, das Toggenburg und der Bezirk See. Nicht zuletzt führten staatspolitische Überlegungen zu dieser Ausweitung, welche sich aber auch aus historischen Gründen aufdrängte, konnte dadurch doch endlich das wichtige Quellenmaterial der bedeutenden Grafenfamilien von Rapperswil und Toggenburg erfasst werden, ebenso dasjenige der später eidgenössischen Vogteien im Rheintal. Bisher war es nur sehr bruchstückhaft zugänglich, nämlich nur soweit es in Editionen von Nachbargebieten aufgenommen wurde, wie etwa Urkunden des Seebezirks ins Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, solche des Rheintals ins Liechtensteinische Urkundenbuch.
Zeitliche Begrenzung blieb das Jahr 1463, mit welchem Teil VI des «Urkundenbuchs der Abtei Sanct Gallen» schliesst. Durch den Übergang zum regionalen Prinzip waren nun nicht mehr nur Urkunden mit st.gallischem Aussteller, Empfänger oder Rechtsobjekt aufzunehmen, sondern -in Regestenform – auch solche mit st.gallischen Zeugen, Schiedsrichtern, Bürgen, Intervenierten, Ausstellorten u.ä.. Damit war dem Bearbeiter aufgegeben, alle bisherigen Urkundenpublikationen, welche aus geographischen, historischen und administrativen Gründen St.Galler Urkunden enthalten könnten, durchzusehen, ebenso die Archive systematisch zu benützen, in welchen einschlägiges Material zu vermuten war. Das Ergebnis dieser Materialsammlung übertraf alle Erwartungen und stellte die Kommission vor neue Probleme. Mit Ergänzungsbänden war die Aufgabe nicht mehr zu lösen, da sie bedeutend mehr Material gebracht hätten, als die zu ergänzenden Bände enthalten.
Stark fiel zudem ins Gewicht, dass schon die Teile III-V zum Teil recht umfangreiche Nachträge (Anhang) aufweisen, so dass durch weitere solche das ganze Werk vollkommen unübersichtlich und kaum mehr benutzbar geworden wäre. Teil III weist Urkundenanhänge auf den Seiten 1-56, 93 und 841-550 auf, Teil IV noch weit umfangreichere, nämlich auf den Seiten 953-1150, dann nach dem Namenregister in den «Berichtigungen und Zusätzen» nochmals auf Seite 1262 und 1264, welche im Register nicht erfasst und damit für den Benutzer verloren sind. Zudem war zu berücksichtigen, dass Teil III seit langem vergriffen ist und ein Nachdruck unbedingt nötig geworden wäre. Es war aber dem Benutzer gegenüber nicht zu verantworten, diesen 1882 erschienenen Teil III unverändert nachzudrucken und ihn durch drei Ergänzungsbände «anzureichern».
Ein Teil der Urkunden hätte dann in der den heutigen Ansprüchen nicht mehr genügenden Ausgabe Hermann Wartmanns vorgelegen, der weit umfangreichere in einer modernen Edition. So kam die Kommission bald zur Überzeugung, dass nur eine Neubearbeitung und damit Ersetzung der Teile III und IV das gesteckte Ziel zu erreichen vermöge. Der Nationalfonds und der Kanton stimmten dem neuen Konzept zu und bewilligten die hierfür erforderlichen Mittel. Der Editionsplan und die Editionsgrundsätze wurden innerhalb der Kommission und in Besprechungen mit Professor Dr. Peter Acht, der als Forscher, Lehrer (Universität München) und Herausgeber (Mainzer Urkundenbuch) alle Probleme einer Urkundenedition kennt, erörtert und festgelegt. Die Neubearbeitung von Teil I und II wird zunächst zurückgestellt. Wohl sind wichtige Vorarbeiten über Datierung und Schreiber geleistet3, ein Bearbeiter konnte jedoch noch nicht gefunden werden. So erscheint zuerst Band III des «Chartularium Sangallense» als Ersatz für Nr. 819-969 und die einschlägigen Nachträge in Teil III und IV des «Urkundenbuchs der Abtei Sanct Gallen».
Nicht aufgenommen wurden die umfangreichen Wirtschaftsquellen im Anhang von Teil III (S. 734 ff., Nr. 57-92). Sie würden den Rahmen eines Urkundenbuchs sprengen, und zudem hätte die Klärung all der offenen Fragen wie Datierung, Stellung innerhalb der Klosterverwaltung, Originaleinträge oder spätere Zusätze, zu einer unberechenbaren Verzögerung im Erscheinen des «Chartularium Sangallense» geführt. Diese Wirtschaftsquellen bedürfen besonderer Untersuchung und Edition, die andern Grundsätzen zu folgen haben als den hier für die Urkundenedition angewandten.
Der Entschluss, die in Teil III von Wartmann enthaltenen Urkunden aus den Jahren 920-1000 in der neuen Edition dem zweiten Band vorzubehalten, beruht auf der Überlegung, dass der geschlossene Bestand der karolingischen und nachkarolingischen Privaturkunden nicht auseinandergerissen werden sollte. Da die letzte St.Galler Traditionsurkunde aus dem Jahre 981 stammt, bot sich das Jahr 1000 als neue Grenze an. Wartmanns Teil III ist längst vergriffen, die Forschung wartet auf eine Neuedition, deshalb sollte nicht Perfektionismus das Erscheinen ungebührlich verzögern. Am obersten Grundsatz, dem absolut korrekten Text, wird dadurch nicht gerüttelt, hingegen werden andere Probleme wie die Bestimmung der Schreiber, Fragen des Diktats und des Formulars nur soweit behandelt, als dies anhand der für diese Zeit recht spärlichen Zahl der mit einiger Wahrscheinlichkeit aus St.Gallen stammenden Urkunden überhaupt möglich ist. Vor allem konnten die reichen Bestände an Codices in der Stiftsbibliothek und im Stiftsarchiv für die Bestimmung der Schreiber nicht herangezogen werden, ganz abgesehen davon, dass die Identität der Hände, die sowohl Bücher als auch Urkunden schrieben, kaum mit Sicherheit festzustellen ist. Das «Chartularium Sangallense» soll aber zuverlässige Grundlage für künftige paläographische und diplomatische Spezialuntersuchungen sein und dafür wenigstens die ersten Hinweise liefern. Damit für solche Forschungen nicht immer auf die weitverstreuten Originale zurückgegriffen werden muss, wird das Material (Photos, Photokopien, Xeroxkopien, Mikrofilme der Originale und Abschriften) jeweils nach Erscheinen eines Bandes im Stadtarchiv (Vadiana) St.Gallen deponiert unter der Bezeichnung «Chartularium Sangallense, Abteilung Materialien».


3. Grundsätze der Urkundenediton

Es gibt keine allgemein gültigen, unbestrittenen Grundsätze für Urkundeneditionen. Für jeden Zeitraum und jedes Gebiet stellen sich besondere Probleme. Wohl wird der Bearbeiter aus andern Editionen Anregung schöpfen, vieles aber bleibt seinem Ermessen überlassen. Verpflichtet ist er jedoch, dem Benutzer über die in den Editionsfragen getroffenen Entscheidungen genaue Rechenschaft zu geben.
1 Vor allem T. Neugart, Codex diplomaticus Alemanniae et Burgundiae Transiuranae . . ., 2 Bde., St. Blasien 1791-1795; M. Herrgott, Genealogia diplomatica augustae gentis Habspurgicae, 3 Bde., Wien 1737; J. C. Zellweger, Urkunden zu J. C. Zellweger's Geschichte des appenzellischen Volkes, 3 Bde., Trogen 1831-1838; Wirtembergisches Urkundenbuch, 11 Bde., Stuttgart 1849ff.
2 Heutige Signatur im Stiftsarchiv St.Gallen: Bd. 61.
3 Michael Borgolte, Chronologische Studien an den alemannischen Urkunden des Stiftsarchivs St.Gallen, Archiv f. Diplomatik 24 (1978), S. 54-202. ».


4. Editionsplan

1. Als Urkunde gilt jede schriftliche Fixierung eines Rechtsgeschäfts, auch wenn sie in nichturkundlicher Form (etwa als Eintrag in einem Jahrzeitbuch, einem Urkundenverzeichnis) überliefert ist.

2. Aufgenommen sind alle Urkunden, die in irgendeiner Weise das Gebiet des heutigen Kantons St.Gallen (mit Ausnahme der Bezirke Werdenberg, Sargans und Gaster) betreffen. Bei st.gallischem Aussteller, Empfänger oder Rechtsobjekt wird die Urkunde vollständig abgedruckt, sonst in Regestenform (st.gallische Zeugen, Schiedsrichter, Bürgen, Ausstellorte u.a.).

3. Textgrundlage ist in erster Linie das Original, wenn ein solches fehlt, die beste Abschrift. Diese ist aus allen vorhandenen Abschriften zu ermitteln und ihr Verhältnis zum verlorenen Original zu bestimmen (A = Original, B = Abschrift von A, C = Abschrift von B usw.). Varianten in doppelten Ausfertigungen und gleichzeitigen Abschriften werden in den Anmerkungen erwähnt, ebenso wichtige Abweichungen (besonders der Namenformen) in weiteren Abschriften gegenüber der als Vorlage dienenden Abschrift. Bei zwelfelhaften (gefälschten, verunechteten) Stücken wird der Urkundennummer ein * beigesetzt.

4. Auch die ins Regest eingefügten Textstellen beruhen auf dem Original oder der besten Abschrift.

5. Der Text der Vorlage (Original oder Abschrift) wird genau wiedergegeben, abgesehen von folgenden Ausnahmen:
a) Grosse Anfangsbuchstaben beim Satzanfang und bei Eigennamen (auch bei adjektivischem Gebrauch).
b) In lateinischen Texten wird j als i wiedergegeben, u und v ausgeglichen (als Vokal immer u, als Konsonant immer v).
c) Die Worttrennung und -Verbindung erfolgt nach den lateinischen Regeln, in deutschen Texten genau nach der Vorlage.
d) Die Silbentrennung geschieht nach den heutigen respektive den lateinischen Regeln.
e) Satzzeichen werden im allgemeinen nach heutigem Gebrauch gesetzt, dabei aber kurze Nebensätze (wie ut dicitur, qua fungimur) nicht durch Komma abgetrennt. Die Apposition wird nicht zwischen Kommas gesetzt, bei Aufzählungen werden diese nur verwendet, wenn sie auch in der Vorlage stehen.
f) Unproblematische Abkürzungen werden aufgelöst, sei es nach den allgemeinen Regeln, sei es nach der Gewohnheit des Schreibers. Nicht aufgelöst werden gekürzte Eigennamen und Datierungselemente, ebenso Münz- und Massangaben, wenn der Casus nicht sicher feststeht.
g) Die Eigennamen werden gesperrt.

6. Besonderheiten: Verlängerte Schrift wird zwischen drei senkrechte Kreuze gesetzt. Die drei ersten Zeilenenden werden durch senkrechten Doppelstrich gekennzeichnet, diejenigen in Doppelausfertigungen durch einfachen senkrechten Strich. Über Chrismon (C) u. a. vgl. das Abkürzungsverzeichnis.

7. Korrekturen werden in den Anmerkungen erläutert. Im Text steht die korrigierte Form.

8. Wenn fehlende Textteile nach dem Sinn oder nach einer Abschrift zwelfelsfrei ergänzt werden können, stehen sie in eckigen Klammern mit Anmerkung; nicht wiederherzustellende sind durch Punkte in eckigen Klammern gekennzeichnet unter Angabe der Länge der Lücke. In runden Klammern stehen wahrscheinliche, aber nicht vollkommen sichere Auflösungen von Abkürzungen, so etwa Constan-tiens(i), wenn auch Constantiensibus möglich wäre.

9. Schreib- und Wortfehler werden nicht verbessert, jedoch in den Anmerkungen auf sie hingewiesen, wenn dies zur Vermeidung von Missverständnissen nötig ist.

10. Druckanordnung bei Vollabdruck:
a) Urkundennummer (mit * bei Fälschung oder Verunechtung).
b) Ausstellort und Datum. Erschlossene Daten oder Datierungselemente stehen in runden Klammern. Bei Doppeldatierung ist für die Einordnung das zweite Datum massgebend. Urkunden ohne Tages- und Monatsbezeichnung sind am Schluss des Jahres aufgeführt, ebenso am Schluss des letzten Jahres die Urkunden mit einer Zeitangabe wie (1190-1199).
c) Kopfregest. Es nennt in möglichst kurzer Form den Aussteller (als Subjekt), den Empfänger und das Rechtsgeschäft.
d) Urkundenbeschreibung. Der Überlieferung mit Standortangabe folgen die Angabe des Stoffes, dann die Masse (Breite/Höhe), nachher die Angaben über die Siegel. Siegelbeschädigungen werden mit «besch.» oder «Fragm.» angegeben (wenn nichts vermerkt = gut erhalten). Alle St.Galler Siegel sind im Anhang abgebildet. Darauf wird verwiesen mit «Abb . . .». Die übrigen Siegel werden beschrieben nach Form (Durchmesser, oval, schildf), Mass, Befestigungsart (abh., an Schnüren, an Seidenfäden usw.; wenn nichts vermerkt = an Pergamentstreifen); nach den Siegellegenden werden bisherige Abbildungen zitiert («Abb. in . . .»). Bei wiederholtem Vorkommen wird auf die erste Beschreibung verwiesen (wie 2. in Nr . . .). Der Siegelbeschreibung folgen die recto (auf Plica, unter Plica usw.) und verso angebrachten mittelalterlichen Vermerke. Jüngere werden nur berücksichtigt, sofern sie zusätzliche Informationen liefern (etwa genauere Ortsbestimmungen, Verdeutlichung des Rechtsgeschäfts usw.). Am Schluss stehen, sofern möglich, die Angaben über den Schreiber.
e) Abschriften: Es werden nur Zeit der Abschrift und Standort vermerkt.
f) Zum Datum: Hier werden die Eingrenzungen undatierter Urkunden begründet, Widersprüche in den Datierungselementen erörtert und der Entscheid für eines der möglichen Daten getroffen.
g) Diplomatische und sachliche Vorbemerkungen, wobei Sekundärliteratur nur angeführt wird, wenn sie sich speziell auf diese Urkunde bezieht.
h) Angabe der bisherigen Drucke. Es wird keine Vollständigkeit angestrebt, doch soll sichtbar sein, seit wann die Urkunde der Forschung bekannt ist.
i) Angabe der bisherigen Regesten (wie bei Drucken).
k) Urkundentext.
l) Unmittelbar auf den Text folgen die diplomatischen Anmerkungen (mit kleinen Buchstaben bezeichnet).
m) Die numerierten sachlichen Anmerkungen stehen unten auf jeder Seite zur betreffenden Urkundennummer. Die Orts- und Flurnamen sind soweit irgend möglich identifiziert, ebenso die Herkunftsnamen von Personen. Die beigegebenen Daten (es handelt sich mit Ausnahme bekannter Sterbedaten immer nur um Erwähnungen, nicht um eigentliche Lebensdaten) stammen aus den bekannten Handbüchern (Genealogisches Handbuch, Helvetia Sacra, in zuvorkommender Weise zur Verfügung gestellte Manuskripte für die Helvetia Sacra) oder aus zuverlässigen genealogischen Einzelforschungen. Wenn solche fehlen, wurde versucht, die Angaben aus Urkundenbüchern und weiterer Literatur zusammenzustellen. Damit soll dem Benutzer ein erster Anhaltspunkt gegeben, der weitern Forschung aber nicht vorgegriffen werden. Die Lebensdaten werden mit * gekennzeichnet, wenn nicht alle verwendeten Belege mit einiger Sicherheit auf die gleiche Person zu beziehen sind, vielleicht also in der angegebenen Zeit zwei Personen desselben Namens gelebt haben.

11. Druckanordnung bei Regest:
a) Urkundennummer: Wie bei Vollabdruck.
b) Ausstellort und Datum: Wie bei Vollabdruck.
c) Der Urkundeninhalt wird in Regestenform wiedergegeben und die sich auf St.Gallen beziehenden Textteile des Originals oder der Abschrift in Normalschrift eingefügt. Die Auslassungen sind einheitlich durch drei Punkte gekennzeichnet.
d) Urkundenbeschreibung: Nur Angabe des Originals oder der besten Überlieferung mit Standort. e) Weitere ungefähr gleichzeitige Abschriften werden nur erwähnt, wenn sie wesentliche Abweichungen in den Namenformen aufweisen.
f) Zum Datum: Wie bei Vollabdruck. g) Keine diplomatischen Vorbemerkungen, sachliche nur ausnahmsweise, sofern sie zum Verständnis des Regests notwendig sind. h) Angabe der bisherigen Drucke: In der Regel wird nur der neueste Abdruck zitiert.
i) Angabe der bisherigen Regesten: ebenso.
k) Kein Urkundentext. Die einschlägigen Teile der Urkunde werden ins Regest (c) eingefügt.
l) Diplomatische Anmerkungen: Wie bei Vollabdruck.
m) Sachliche Anmerkungen: Wie bei Vollabdruck.

12. Schrift: Alle den Vorlagen (Original oder Abschrift) entnommenen Texte oder Textteile stehen in Normalschrift, alles vom Bearbeiter Hinzugefügte kursiv. Dasselbe gilt für die diplomatischen und sachlichen Anmerkungen, doch wird dafür eine kleinere Schrift verwendet.

13. Beilagen:
a) Die Konkordanztabelle soll es ermöglichen, in der bisherigen Literatur nach dem «Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen» zitierte Dokumente im «Chartularium Sangallense» rasch aufzufinden.
b) Das Abkürzungsverzeichnis enthält nicht nur die Auflösung der allgemeinen Abkürzungen, sondern auch die bibliographisch genaue Wiedergabe der gekürzt zitierten Quellen- und Literaturwerke.
c) Ein Archivverzeichnis gibt Auskunft über den weitgespannten geographischen Bereich, aus welchem die in irgendeiner Weise St.Gallen betreffenden Urkunden zusammengetragen werden mussten.
d) Dank dem Entgegenkommen des Historischen Vereins des Kantons St.Gallen können die für eine vereinseigene Publikation (Neujahrsblatt) hergestellten Siegeltafeln mit Siegelbeschreibungen auch dieser Urkundenedition beigegeben werden.
e) Endlich erschliessen ein Namenregister und ein Wort- und Sachregister die Urkundentexte. Während die Namen vollständig aufgenommen worden sind, musste beim Sachregister begreiflicherweise eine Auswahl getroffen werden. Eine solche wird immer mehr oder weniger zufällig und vom Bearbeiter abhängig bleiben. Dem Begriff und Zweck der Urkunden entsprechend liegt das Schwergewicht bei den rechtlichen Begriffen, zu denen im weitern Sinn auch Titulaturen, Verwandschaftsverhältnisse, Abgaben und Massangaben jeder Art gerechnet werden; berücksichtigt ist ferner die kirchliche Terminologie.
Abschliessend darf ich allen Institutionen und Helfern, ohne deren unermüdliche Unterstützung und Beratung die Arbeit an diesem Bande nicht so rasch hätte abgeschlossen werden können, herzlich danken. Es sind dies die Direktoren und Mitarbeiter der zahlreichen im Archivverzeichnis aufgeführten Archive und Bibliotheken, der Deutschen Historischen Institute in Rom und Paris, die erwähnten Münchner Ratgeber und die Kollegen der Redaktionskommission. Dann darf ich mich dem Dank der Herausgeber- und Verlagsgemeinschaft an die öffentlichen Institutionen anschliessen, welche durch die Gewährung der finanziellen Mittel Bearbeitung und Druck ermöglicht haben. Und den «endschluss» – wie es in deutschen Prozessakten des 15. Jahrhunderts so resolut heisst – bildet ein persönlicher Dank. Er gilt meiner Frau, welche nicht nur alle Korrekturen gelesen, sondern vor der Drucklegung das Manuskript bis auf den letzten Buchstaben kontrolliert und alle Texte nochmals mit den Photokopien der Originale oder Abschriften verglichen hat. Es ist ihr Verdienst, wenn die Texte praktisch fehlerfrei sind. Ferner hat sich Ernst Ziegler nicht nur als spiritus rector um das «Chartularium Sangallense» verdient gemacht. Auf seinen Schultern ruhte die nicht geringe administrative Last. In seiner umsichtigen und speditiven Art stellte er immer rechtzeitig die aufwendigen Unterlagen für die Kreditgesuche zusammen, besorgte den ganzen Verkehr mit den Behörden und steuerte so das Schiff glücklich in den Hafen.

Trogen, am 16. Oktober 1983, dem Tage des heiligen Gallus

Otto P. Clavadetscher