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Charter: Urkunden Brandenburg III (Google data) 336
Signature: 336

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Source Regest: Codex diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Geschichtsquellen für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten, Nr. 336, S. 434
 

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Codex diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Geschichtsquellen für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten, Nr. 336, S. 434

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    (AV. 1493. König Mavislaus von Böhmen gestattet, daß Churf. Johann Zossen

    an sich bringe.

    Wir Wladislaus vonn gotts gnaden zu hungern Beheym Dalmacien Croaciev:c. koning Marggrave zu Merren hertzog zu Lucemburg und in Glesien und Marggrave zu Law. sitz zc. Bekennen u- s. w. nachdem der hvchgeborne furste unser lieber Bruder, oheym und Swager, her Jo» Hans Marggrave zu Brandenburg des heiligen Romischen Reichs Ertzkamerer und Curfurst zu Stettyn u. s. w. von Georgen vom Steyn die herrschafft Zoffen Slos und Stettleyn mit seiner ein und Zugehorung erkawft und Innen hat, gebraucht und besitzt, das wir in solichcn kawff verwilliget haben, Willigen auch hiemit in craft dies bryffs in folichen kawff vor uns unsre erben und nachkomen konig zu Behe, nun doch unschedlich Jhenen mit namen Jaroslawen von Stercnbergs seligen Sunen Beneschs Co, lobrades, Heinrich von Eynsybels, Jobsts Szori unnd derer vonn Eylburgs von Sprewssen die Venne vormeynen Anforderung und gerechtigkeit zu der genanten Herschaft und Slos zu haben an iren rechten und wo dieselbigen den genanten unnsem brudern ohcmen und Swegern Marggraffen Johansen anforde« rung unnd fpmch der Zossen halben nicht vermeineten zu vorlassen, Szo hat sich der genante unser brudcre oheym und Swager vor uns als lehenherr an billichen sietten, do es sich zu vcrrechten gebort recht zu pflegen «Kotten wie recht ist, das wir darum auf derer obgenanten anruffen forderlich tag setzen wollen und ergeen lassen was recht ist, wollen auch unns unser gerechtigkeit die wir vermeynen an der Zossen und herschafft zu haben oder in eynige Wege daran haben unrechte wider den genannten unnsem brudern und Oheim und Swa« ger wider gütlichen noch rechtlichen gebnichen in kenn wyse on gefer. Wir behalten auch vor an der genanten Herschaft, Slos und Stetleyn Zoffen unns unfern erben und nachkomen kunig zu Behem den wid?r, kauff un,l) Zwey und zwenzick thufent gülden Reynisch und nicht heher zu thnn Szo wir die des genanten un« fers brnders und Swagers Marggraven Johanß Sonen menlichen erben entricht und bezalen, das uns unfern erben und nachkomenben kunigk zu Beheym gesiat werden soll one Verhinderung des genanten unfers bruderS und Swagers Sonen erben, doch sollen und wollen wir unfer erben und nachkomen kunig zu Beheym folichen widerkawff nicht macht noch gewalt haben zu thun noch zu thun gestatten des gemelten unfers bruders und Swagers und feyner lcyblichen Szone, die er itzundt hat, nemlich Marggraven Joachim und Marg, graven Albrecht oder hinfur gewonnen were alle vor und ydes lebenslang! us und wenner also die genante Marggrave Johanns und feine Szene die er itzundt hat oder hinfur uberqueme mit tobe verscheiden, das gort: lang wende, Alzdann haben wir unfer erben und nachkomende konige zu Behem macht und gewalt und nicht eher die herfchaft und Slos Czossen von iren erben, vor die vorberurte Summa Zwey und zwenzigk thusent gülden rinisch abezukawffen und die Bezalung zu thun zu Cotbus oder Crossen an der ende eynen zu iren sichern henden unnd wenn wir unser erben und nachkomeden konig zu Behem solichen wiberkauff thun wollen, sol, len wir des genanten unsers Brnders und Swagers Sonen nechsten menlichen erben ein iar vor Pctri Cathedra genant mit unserm königlichen bryff verkünden und zuschrieben und wen also solicher wiberkauff gescheen und das gelt darfur behalt ist, alsdann und nicht eher sollen unns des genanten unnsers bruders und Swagers So« negsten erben soliche Herschaft Slos und Stat «betreten, und die bryff wider geben alls on geverde. Auch ob was durch die Herrn von Torgow oder ire vorfaren vorfatzt und vorpfendet worden were und das unfer bru« der und Swager oder feine Sone loseten und zu iren Händen brechten und solichs genuglichen anzeigten, das als» dann folich gelt mitsampt dm zwey und zwentzig thusent gülden rinisch von uns unser» erben und nachkomendcn konig des genanten unsers bruders und Swagers Sone menlichen erben entricht und bezalt werden solle one argelist, des zu urkund u. s. w. geben zu Ofen am Frcytag <zu»wor temper nach Pfingsten 1493 unser Reiche des hungerschen im 3ten des behmischen im 22 Jaren.

    S. v. Ledebur Archiv Bd. Z. i>. tSS. ,

    Marggraf Albrechrcn

    und

    Marggraf Johannsen

    Urtell und Rechtsspruch Register Anno 1479 und etzliche

    volgenbe Jhare gehalten.

    8c!o K»v r>rmc!v»vat ntiooem, dsnc 6«mio,väi »titisse Iumiv,m, ut e» ipinrum <r,riocipum) »ollerti zirovi^kvti, mter mortsle» coslescerevt jur» et airlmentor «üm^nl«.

    (Wort« Albr«itt dt« Bürm, Markgraf« von Brandenburg, in «iner Urkund, vom Jahr llsb.)

    U. Bd.

    an ist neuerdings, zumahl im südlichen Teutschland, auf die hie und da »och vorhandenen Gerichtsbücher des Mittelalter« aufmerksam geworden; je seltener Quellen dieser Art bei uns sind, desto mehr verdiente das nachfolgende UrtheilSbuch aus der Zeit Churfürst Albrecht Achilles bekannt gemacht zu werden.

    Die Verschiedenheit der Rechtsverhältnisse der Mark Brandenburg und des eigentlichen Deutschlands liegt übri gens weniger im gerichtlichen Verfahren, als in der Grundlage, auf der die Befuguiß Recht zu sprechen beruht, in der RechtSvcrfassung überhaupt. - ' -

    Diese Rechtsverfassung ist im eigentlichen Deutschland durch die Zersprcngung der Herzogthümer gar sehr Der» ändert worden, wir müssen den wenigen, an sich dunkeln Stellen des Sachsenspiegels nachgehen, welche schon die Glosse nicht mehr überall richtig verstand, um zu dem Territorialstaatsrccht de« eilften Jahrhunderts zu gelangen. Eben so gibt nur der Sachsenspiegel Kunde von den ältesten Rechtsverhältnissen der Mark, die Urkunden beginnen erst in einem Zeit raum, wo in der Mark alles schon ein friedliches Ansehen erlangt hatte, wo das Land schon meist germanisirt, folglich die ältere Verfassung einer Mark schon wesentlich verschwunden war.

    Die deutsche Gerichtsverfassung kennt eine durchgängige uralte Trennung zwischen höherer und niederer Ge richtsbarkeit, indem über den Leib, die Ehre und das echte Eigenthum eines vollkommen Freien nur NamcnS des deut sche» Königs, als höchsten Richters, Recht gesprochen werden konnte*). Diesen Unterschied enthalten schon die Ca- pitularien der fränkischen Könige") und er zieht sich durch das ganze Mittelalter bis auf die neueste Zeit hindurch, ur sprünglich aber beruht er wahrscheinlich in der heidnischen Religion der alte» Deutschen. Nur bei der Opferstätte des höchsten Gottes im Volk konnte der hohe Priester Leib und Gut des freien Mannes den Göttern verfallen erklären oder ihm einen Gottesfrieden wirken, nur im Angesicht dieses höchsten GotteS oder an den ihm geweihten Stalten voll führte der Freie den Zweikampf. Auf dieser Rangordnung der Götter und ihrer Priester beruh« auch wohl die Ver schiedenheiten der richterlichen Acht im altdeutschen Recht, da der Fl»ch, den der höchste Priester im Namen seines Got tes aussprach (später die kaiserliche Acht) eine weit größere Wirkung hatte, als der Bannfluch der nieder» Priester, der nur in dem Sprengel wirkte, wo dieser Gott verehrt wurde. Als Deutschland christlich wurde ging die höchste Ge richtsgewalt des Oberpricstcrs, ging der GerichtSzwang des böchsten Gottes auf den deutsche» Äönig über'"), fortan konnte nur der über den Leib und das Grundstück des Freien richten, dem er seine Gerichtsgewalt — den Königs- bann — geliehen hatte, wie dies der Sachsenspiegel gradehin ausspricht. Nur mit den alten Nation alherzogen der vier großen deutschen Völkerstämme hatte es eine besondre Bewandniß; ihre GcrichtSgewalt war der des Königs

    ') Saasens? III. 5!: Der Kaiser kann in allen Landen nicht sein und alle Verbrechen nicht richten zu jeder Zeit, darum leihet ex den Fürsten die Grafschaft u. s, w. Die niedre Gerichtsbarkeit war daher immer nur ein Ausfluß von der HS- Heren, weshalb der höhere Richter stets auch die Befugnisse deS niederen hatte und dessen Gewalt aufhob, sobald er selbst zu Gericht saß. Uebrigens schloß das Richten immer auch ein Beschützen ein und man muß bei der ältesten Obrigkeit, wie bei dm Richtern der Juden, von jeder Idee einer Gewaltentheilung abstrahiren,

    —) Siehe eine Sammlung der betr. Stellen in Wilkin Handb. der deutschen Historie p. IIb. Der Graf hielt das jmlicium soleinne, wo criminsli, »ct!o und reilliibiti» terrae vorgebracht werden mußte, der Centenar oder Vicar hielt da< jucllcium ,,u«>illii,oui„ und ist daher dabei an verschiedene Gerichtssprengel nicht zu denken.

    Nock, in diesem Augenblick wird in Graubtmdten, wo das altdeutsche Gerichtsverfahren sich fast ganz erhalten hat, bei peinlichen Gerichten im Namen des Kaisers Friede geboten, derselbe Friede, der vor mehr denn tausent Iahren unter der heiligen Eiche im Nam.n des höchsten Gottes geboten wurde. Noch führt dort der Blutrichter den weißen Stab, den einst Per Priester in der Hand hatte und der als Zepter auf den König übergegangen ist.

    H 14' II

    108

    gleich, dessen slter eg« innerhalb ihres Herzogthums sie gleichsam waren, so daß sie gleich ihm den Äönigsbann ver» liehen*). Man wird diesen wichtigen Umstand, daß die herzogliche Gewalt ursprünglich nicht eine vom König« verlie hene, sondern daß sie eine der seinigen paralell« Gewalt war, verstehen, wenn man dem folgt, was der Sachsen spiegel von der alten Königswürde der Herzoge sagt. DaS Nationalherzogthum, die Verbindung z. B. aller sächsischen Stämme unter einem gemeinsamen Oberhaupt und niit einem gemeinsamen höchsten Volksheiligthum zu Markloh ist ja älter, als das allgemeine deutsche Köm'gthum, welches die Franken an ihren Volkssiamm brachte». Der Herzog ist das ursprüngliche höchste Nationaloberhaupt, (wodurch denn auch erst das frühere Wahlrecht der Großen jeder Nation zu ihrer Herzogswürde erklärlich wird) der fränkische König aber erwarb sich, als er die Sachsen unterwarf, eine gleiche Gewalt und die Unterordnung des Nationalherzogs unter dem König beruhte darinn, daß der Herzog in die hohe Dienstmannschaft des Königs der Franken treten mußte, welcher ihm ein Dienstamt verlieh und daher ist es ge kommen, daß mit den alten Herzogthümern, später mit der churfürstlichen Würde, ein ReichSerzamt »othw endig ver» Kunden war. Die Abhängigkeit des Herzogs vom Könige war daher mehr etwas persönliches, seine Gewalt aber, (worauf nach den staatsrechtlichen Begriffen des früheren Mittelalters sehr viel ankommt) keine vom Könige verliehene") sondern die selbstständige eines Stellvertreters; mit andern Worten, die Gewalt des Herzogs floß nicht lehnweise vom Könige auf ihn, als «inen Unterbeamten, aus, sondern er repräsentirte den König innerhalb des Her» zogthumS, weshalb eine Herzogin von Schwaben im zehnten Jahrhundert sich gradezu vicsris imperü nannte'"). Der Gerichtsstuhl des Herzogs war der höchste innerhalb des Herzogthums, daher »och in späterer Zeit von den Gerich« ten OstphalenS die Berufung an das herzoglich sächsische Brückengericht zu Lauenburg eben so wohl, als an den Kaiser selbst ging; nur wenn der Kaiser in das Land, auf sächsische Erde, kam, war der kaiserliche Gerichtsstuhl höher und legte alle andre Gerichtsbarkeit nieder 7). Auf diesem ParalellismuS der herzoglichen und der königlichen Gerichtsgewalt beruht «S, daß ursprünglich der Herzog, wie der König, den KönigSbann, die höchste Gerichtsgewalt über Leib und Le« be», den hohen Richtern (den Grafen) verlieh 77); nur später begannen die Könige um das Ansehn der Herzog« zu

    ') DaS äußere Zeichen des Königsbanns war ein Schwerst, (in Städten der Roland) welches daher bei allen Ge richten, die unter Königsbann gehalten wurden, nicht fehlte. ES ist nach dem politischen Glauben deS Mittelalters daS well« liche Schwerst des PetruS.

    ") Dies schließt natürlich nicht aus, daß der Herzog vom Könige bestätigt oder selbst ernannt wurde, überhaupt ist hier von der Gerichtsgemalt, nicht von dem militärischen Amte des Herzogs die Rede. —) sp. Lolässt rer. ^lemanu. I. 47.

    7) Aus dieser Gleichstellung deS herzoglichen und deS königlichen Gerichtstuhls erklärt es sich, daß jedeS Hcrzogthum ursprünglich feinen eignen Pfalzgrafen hatte. Auch daS spätere Privilegium 6« von spvellanck« der Churfürsten schreibt sich aus dieser coneurrenten Gerichtsgewalt der Herzoge her. ^

    77) ES ist mir nicht unbekannt, daß mehrere gründliche Kenner deS Mittelalters leugnen daß der Herzog den Königs- bann geliehen habe, ich kann mich aber an diesem Ort auf eine n here Begründung meiner Ansicht, so wie überhaupt auf Ci« täte, nicht einlassen. Folgende Stellen anö Urkunden scheinen mir indessen wichtig. In der Urk von 1l68 für den Bischof von Würzburg als Herzog in Franken heißt es: ve »üguis in episoopsw et äucstu vel camecii'g in eis »ltls eeotigrslios c<m> »tilust, vis! e«n«e»«i«ve eplscopi clueis VViriburgensi». Im östreichischen Herzogsbrief heißt es: vulls Person» m äuv»tu» regimine ««« ö!ueum eoosenswns »IInusm justitism prsosumat exereere. Im Sachsenspiegel ist von den Rechten des Her« zogs nicht viel die Rede, sondern es wird alles dem König zugeschrieben, welches aus der Zeit seiner Abfassung wohl erklärlich ist. Wenn übrigens der Herzog den Bann verlieh, so handelte er als Repräsentant des Königs, immer nur in dessen Na» men und es war daher eben so, als ob der König selbst ihn ertheilt hatte Dieser Grundsatz, daß der Herzog den Bann nur anstatt des Königs verleiht, hat sich bei dem Erzbischof von Cölln, (alS einem Geistlichen, der in früherer Zeit nie eine Blutgerichtsgemalt selbst besitzen konnte) erhalten und daher ist es gekommen, daß die westphälischen Vehmgerichte, denen der Erzbischof als Herzog in Westphalen den Bann lieh, sich bis in da« spätere Mittelalter fortwährend als kaiserliche Gerichte betrachteten und als solche endlich eine Gerichtsgewalt über ganz Deutschland in Anspruch nahmen. Auch hat noch in späterer Zeit der Kaiser (z, B Karl der 4te) zuweilen statt deS ErzbischofS Freigrafen beliehen, wie er dieS zur Zeit der alten Herzog« von Sachsen gekonnt hatte. In Reichsstädten und bei der Reichsritterschaft ist bis auf die neuesten Zeiten der Blulbann als «in besonderes Lehnstllck vom Kaiser verliehen worden.

    109

    schwächt«, ihnen die Fahnlehn abzubrechen, wie der Sachsenspiegel sich ausdrückt, das heißt, sie setzten fest, daß gemisse angesehene Grafen, welche mehrere Grafschaften (hohe Gerichtöstühle) erworben hatte», nur von ihnen selbst, nicht von dem Herzoge, mit ihrer amtlichen Befngm'ß bekleidet werden könnten, woraus denn folgte daß diese Fahnlehnbesitzer selbst ihren Richtern den Königsbann weiter verliehen *). Fortan gab eS also innerhalb des Herzogthums mehr als Ein Fürstenamt und die Besitzer der Fahnlehn blieben den Herzogen nur in militärischer Hinsicht untergeordnet, bis end lich das ganze Herzogthum in seiner älteren Bedeutung zertrümmert wurde"*).

    Wenden wir uns hierbei zur Verfassung der Grenzmark, als des Außenwerks eines HerzogthumS. Der Markgraf besaß von Anfang an ein Fahnlehn, empfing also nicht seine Gerichtsgewalt, sondern „ur seine militärischen Befugnisse jure benelicii vom Herzoge*-). Das Merkwürdig, aber in dem Verhältniß des Markgrafen ist das, daß er von Anfang an seine hohe Gerichtsgewalt überhaupt gar nicht als «ine vom Könige besonders zu verleihende und im Namen des Königs zu verwaltende besaß, sondern daß sie mit seinem militärischen Amte schon an und für sich verknüpft war und von ihm in eigner Autorität ausgeübt wurde. Man wird dies verstehen, we»n man erwägt daß der Markgraf ursprünglich gar keine Gerichtseinfassen in der Mark, sondern nur Soldaten unter sich hatte, über welche er als Militärbefehlshaber, ohne dazu einer besondern Gerichtsverleihung zu bedürfen, die Kricgsgerichtsbarkeit ausübte. Später eroberte sich nun zw« der Markgraf ein eignes Land, welches mit deutschen Einwohnern besetzt wurde, 'eS ist aber sehr begreiflich, daß er über diese von ihm herbeigezogenen Colonisten und über die unterworfenen Slaven eine selbstständige Gerichtsgewalt behielt, welche gar sehr verschieden von der vom Kaiser verliehenen Amtsge- walt der Grafen im eigentlichen Deutschland über die ursprünglichen freien deutschen ReichSunterihanen war. Der Sachsenspiegel drückt dies so aus: der Markgraf dingt bi sineS selbes Hülben (»utoritäte propris) oder nach der lateinischen Übersetzung: msrekio juckiosbir »ub sibi prsestito ki äelitsti« ssorsmenw (Seitens der Gerichtscin sassen, die von Anfang an mehr seine, des Eroberers, als des Kaisers Unterlhanen waren). Zur Zeit der Glosse war es schon sehr verdunkelt, daß die Gerichtsbarkeit im eigentlichen Deutschland auf einem vom Kaiser besonders verliehenen Amte beruhte, daher wußten sich die Glossatoren daS: bei sein selbst Hülben dingen, nicht recht zu erklären, obwohl sie doch in alter Erinnerung sagen, daß in der Mark sonderlich« Gericht« und Rechte verlieh«« sind, das heißt, daß

    ') Der AönigSbann konnte, vom Könige abwärts, nur an die dritte Hand und nicht weiter, lehnweise gelangen. —) Die Geschichte der Herzogswürde beruht wohl in folgendm Momenten. Nach dem Aufhören der alten deutschen Ratio» nalherzoge z. B, der Agilolfinger in Beiern traten die kaiserlichen m!s»I als außerordentliche Beamte und königliche Statt halter in deren Stelle. Diese statthalterische Gewalt wurde, unter Rcminiscenz an das «lte Nationalherzogthum, auf die neuere Herzogswürde gefestet. Der Herzog erschien daher immer nur als außerordentlicher Beamter, der den Kaiser vertrat, und hierdurch wird der Kampf der Großen, welche nur unter dem Könige stehn wollten, gegen die Herzoge erklärlich. Nur die militärische Gewalt (welche außer der des früheren misüus lag) scheint der Herzog schon früh durch Darreichung der Fahne vom Kaiser förmlich empfangen zu haben, da jede regelmäßige Am!sgewalt noch dem Staatsrecht des Mittelalters durch lehn« weise Verleihung von einer höheren abgeleitet fein mußte. Die Zerstörung des HerzogthumS geschah 1) durch Exemtion der weltlichen Fahnlehnbesitzer 2) durch Exemtion der sämmtlichen Bischöfe (in Sachsen nur mit Ausnahme des BiscbofS von Pader born) worauf denn Z) die Auflösung der militärischen Gewalt des Herzogs von selbst folgte. Seitdem verlieh der König die höchste Gerichtsgewalt nicht mehr allen Grafen, die unter Königsbann dingten, sondern nur wenigen weltlichen und geistlichen Fürsten, die ihn denn weiter verliehen und die Blut- oder Regalienfahne hat sich bei den fürstliche» Belehnungen bis auf die neueste Zeit erhalten. — Daß eS anfangs grade sieben Fahnlehn in den Herzogthiimern gab, HZngt wohl mit den ursprünglichen militärischen Einrichtungen zusammen, deren Erörterung hier zu weit führen würde. Auch der Heerschild der Abtei Lorsch zer fiel in «entern rirlnei^sli» lienetiei« <zus« vulg« oppellsotur VsnleK« (LKron I^urisKsra).

    —) Bis Albrecht der Bar Markgraf von Brandenburg auch in dieser Hinsicht vom Herzogthum Sachsen eximirt «nl? also ein in jeder Beziehung nur dem Kaiser untergebener Reichsfiirst wlu-de.

    t) Riedel, Mark Brandend. 2. r», 4Zt. hat sich daS große Verdienst erworben auf diese Glosse in Bezug auf die brand Rechtsverhältnisse aufmerksam gemacht zu haben Die Glosse führt über daS Dingen bei sein selbst Hilden mehrere Mei nungen an, von denen die der Schöppen Heinrich von BortenSlcben und von Leumwendcn der Wahrheit am nächsten kommt, folgt aber endlich einer offenbar irrigen Ansichi z ein Beweis, d>iß man der Glosse nicht unbedingt nachgehen^ darf. Im 14ten Iahrh. warm die alten Verhältnisse der Mark schon ziemlich unbekannt geworden.

    11O

    in dtr Mark eine von, cigeurliche» Deutschland ihrem Wesen nach verschiedene Rechtsverfassung gelte Am deutlich, sten tritt dieser Unterschied in der Stelle des Sachsenspiegels hervor: kein gescholtene« Urtheil kann man ziehen aus einer Grafschaft in eine Mark, wenn auch der Graf die Grafschaft von dem Margzrafen hätte, und zwar deshalb, weil m der Mark kein Kömgsbann ist und ihr Recht sich zweiet (d. h. die Gerichtsbarkeit in der Mark und in einer deut schen Grafschaft beruht auf einer verschiedenen Grundlage) deshalb soll man das gescholtene Urtheil vor das Reich ziehen. Es ist nemlich der Fall gesetzt, dasi ein Markgraf zugleich im eigentlichen Deutschland eine Grafschaft besäße und solche weiter verliehen hätte (z. B. die Grafschaft Billingesho der Markgrafen von Brandenburg); nun könne aus einer solchen Grafschaft nicht an den Verleiher derselben, a» das markgräfliche Gericht in der Mark, axpellirt werden, weil das Ge richt des Markgrafen in der Mark nicht ein vom Kaiser verliehenes deutsches Amtsgericht sei, deshalb mußte an das Reich axpellirt werden "). Man sah das markgräfliche Gericht als gleichsam außer dem deutschen Reich belegen an. Hieraus erscheint mm als nothweudige Folge, daß es in der Mark keine» Königsbann geben sonnte, denn der Kö nigsbann war gleichsam die Amtsbestallung eines deutschen Grafen, während die Jurisdiction des Markgrafen in der Mark nicht eine geliehene, sonder» eine eigenthümlich erworbene war. Hiermit hängt auch der Satz der Rechtsbücher zusammen, daß dem Markgrafen, weil er keinen KönigSbann besitze, nur 30 Schillinge gewettet werden, ein Satz, der in vielen germcmisirteu slavische» Ländern und in Preusien auch durch Urkunden bestätigt wird '"). Der Richter, dem der König die Ausübung seiner hohen Gerichtsbarkeit durch den KönigSbann verliehen hatte, erhielt nemlich damit das Recht in gewisse» Fällen die höchste Gerichtsbuße des Königs, welche allgemein in ganz Deutschland von uralter Zeit her 60 Schillinge betrug und (wie die Gerichtsgewalt selbst) Königsbann Kiep, für sich einzuziehen. Diese höchste Buße des deutschen Königs konnte der Markgraf, da er bei sein selbst Hülben dingte, nicht für sich fordern, wiewohl er selbst die Blutgerichtsbarkeit besaßt). Ferner gab es, zufolge der Rechtsbücher, in der Mark kein schöppenbarfrei Amt, keine Schoppen barfreiheit im eigentlichen deutschen Sinn. Man muß hierbei die ältere» deutschen Standesun- terschiede vor Augen haben, indem durch die Ritterbürtigkeit sich ganz neue StandeSverbältnisse entwickelten und schon zur Zeit der Abfassung der Rechtsbücher die alten Verhältnisse, die alte Schöppenbarfceiheit, zu antiquiren anffnL. Zur Schöxpenbarfreiheit war der Besitz eines echten, in keiner LehnSabhängigkeit stehenden EigenthumS nothwendig, wovon dem Könige nach des freie» Mannes Rechte gehuldigt wurde (Sachsensp. III. 54.); echtes Eigenthum in diesem Sinne gab es aber in der Mark nicht, wo aller Grund und Boden von einem Landesherrn zu Lehn ausgetheilt wurde. Der Character der Schöppenbarfreiheit zur Zeit des Sachsenspiegels H), wo in Deutschland das Waffenrecht schon nicht mehr mit der Freiheit, mit der es ursprünglich identisch war, nothwendig zusammenfiel, bestand grade in dieser Trennung, daß es nemlich Ritter und waffenmäßige Personen gab, welche aber über Leib, Ehre und Gut des Schöppeubarfreien

    ') Das Verhöltniß der Markgrafen war in dieser Hinsicht dasselbe, als das der wendischen Fürsten, welche dem beut« schon Reich unterworfen wurden, und deren Richter auch keiner besondern kaiserlichen Verleihung bedurften.

    —) Bei den Gerichten die im eigentlichen Deutschland unter Kcmigsbann gehalten wurden, ging die Berufung entwe der sogleich an den König oder, coneurrent, an den Herzog; in der Mark aber ging, zufolge deS RichtsteigeS, die Berufung allemahl zuerst an die Dingstatt des Marggrafen, dann erst an den König.

    ) In Mecklenburg, Pommern u. f. w- kommen doch julllcia 60 »oli6anim vor. Diese Sache verdient noch näher untersucht zu werden.

    f) Dieser ilmstaud, daß der Marggraf die höchste Gerichtsgewott als einen nothwendigen Ausfluß seiner militärischen Gemalt, nicht als eine vom Kön'g besonders verliehene Befugniß besaß, ist für die Geschichte der Entwickelung der Landeshoheit in Deutschland von großem Einfluß gewesen.

    ff) Die „Ritterait" wird doch nur in wenigm Stellen des Sachsenspiegels erwähnt, er hat es aber auch nur mit den Gerichtsvnhaltnissen zu thun, wobei sich die alteren Standcsiinterschicde am längsten wirksam erhielten. Der Stand der Sctöppenbarfreicn war überhaupt so zahlreich und echtes Eigen so ausgebreitet nicht, als oft vorgegeben wird, wie dies schon die Stelle des Sachsenspiegels, wonach die Schöpvcnbarfreien in einer Grafschaft aussterben konnten, (wo denn der König Reichs» dienstleul« freilassen und mit echtem Eigenthum ausstatten sollte) beweiset. Der wahre Schoppenbare, der höchst freie Deutsche stand im W«brgel?e fast dem Adel gleich, mar aber gewiß nicht zahlreicher als der spätere Ritterftand, wenn man nicht fälschlich olle Bargilden, freie Landsassen u. s w. dazu rechnet.

    III

    nicht richten konnten weil sie Dienstmannen waren und kein freies Grundeigenthum besaßen, welches nur vor den Gc- richten unter Königibann aufgelassen werden mußte. Dagegen beruhte der neu entstandene Ritterstand bekanntlich in dem Besitz eines, gleichviel ob freien oder lehnbaren, Vermögens, welches erlaubte einen ordentlichen Ritterdienst (Gleve) auf eigne Kosten zu übernehmen, woraus sich bald eine eigne Nitterbiirtigkeit (kriegerische Ehre) entwickelte. Die Schoppen- barfreiheit konnte daher nicht aus dem eigentlichen Deutschland, dem sie ihrem ganze» Wesen nach ausschließlich angehört^ in eine Mark übertragen werde»*), wohl aber der Unterschied des RitterstandeS. Der reiche Deutsche, der eine vollständige ritterliche Gleve dem Heere d<S Markgrafen zuführte, erhielt auch bei der Austheilung des eroberten slavischen Landes ein ritterfreies Lehngut und behielt sei» selbstständigeS Waffen- uud Fehderecht, und auf diese Art sind viele ritterbürtige »iedersächsische Familien in der Altmark, so wie später altmärkische Familien in der Ukermark u. s. w. begütert worden **). Wer aber, geringeren Vermögens und deshalb im eigentlichen Deutschland schon nicht zum Ritterstande (wenn gleich hier vielleicht schöppendarfrei) gehörig, nur zu Pferde gewöhnlichen Soldaiciidienft i» dem Hee« des Markgrafen leistete, der wurde mit einem Lehnschulzengute oder einem Lehnmannsgute bedacht, wovon Klepper« dienst zu leisten war, er konnte aber ein selbstständigeS Fehde- und Waffenrecht nicht erlangen, sondern durfte nur unter der Fahne eines Lehnherrn kämpfen *"). ES blieb also auch in der Mark der Unterschied zwischen der bloßen Waf- fähigkeit und dem Waffenrecht (kriegerische Ehre), welches letztre nur der Ritterbürtige besaß und der Sachsenspie gel hebt diesen, Standesunterschied deutlich hervor, indem er bekundet, daß auch in der Mark der Ritterbürtige einem Ungenossen nicht zum Kainpf zu stehen brauche s). Mit Unrecht hat man daher die Stelle des Sachsenspiegels, daß eS in der Mark keine Schöppenbarfreie gebe, öfters so verstanden, als ob bei der Gerichtspflcze in der Mark auf Standes» (oder gar auch National:) Unterschiede gar nicht gesehen worden sei, sondern schlechtweg jeder Bauer über Riltermä- ßige zu Gericht gesessen habe U). So viel steht fest, daß ein Wende nicht über einen freien Sachsen richten konnte u„d daß bei^dem höchste» markgräfliche» Gericht nur Ritterbürtige, also nicht einmal Lehnschulzen, Urtheil fanden. TieS sagt die Glosse', zu des Markgrafen Gericht kommt niemand, den» gute, ehrbare, biderbe Leute, und der Richtsteig: an dem markgräflichen, Gericht finde» nur vollkommene Leute an den, Heerschilde (Ritterbürtige) Urtheil. Zweifelhaft wäre eS daher nur, ob nicht bei de» niederen Landgerichten in der Mark (den Burgwardsgerichten des Burggrafen u. f. w) eine Art Standesgleichheit der bloß Waffenfähigen (der nachherigen Lehnschulzen und sogenannten Lchnmämier). mit dem

    ') Denn ei lag in dem mi itcirischen Wesen dir Mark, daß eS darin« kein« Freiheit außer der Einen der Waffenfähi gen, wtlche gegen die Slaven auszuziehen vermochten, geben konnte, also kein« Schöppenbarfreihcit, die in dem Besitz eineS echten Eigen verüble. Im deutschen ErzbiSthum Magdeburg wird daher Schöppenbarfreiheit »mahnt, nicht in der slavischen Mark und eS ist falsch, wenn behauptet wird, daß in der Mark alle Personen schöppendarfrei gewesen, weil eS überhaupt gar keine Schöpp,nbarfreih«,t in der Mark gab. S. Wshlbrück Gesch. v. Lebu« 1. x. Nt>.

    ") Die Eulmer Handfeste von 1232, welche die Verhältnisse der deutschen Einwandrer in Preußen regnlnt, sagk «suieuonue maus«» vel siusilms » ckom« vostr» (d,m deutschen Orden) emsrit (diese zu kaufen und artb.ir zu machen, erforderte ein bedeutendes mitgebrachtes Vermögen) is cu,» vleoi» srini8 et äextrsri« «perto et »rinis ti>lil>»s cnmpe- tente et »Iii» äuslin, sä mmu8 e-juitet (er gehörte also zum Ritterstande) nui vero psueiare» man«»« K.ibuerit, cum leviori- du« srmis et u»o e>ju« com lrslxidus uostr!» in e»r»e6itionem eoutrs l?rutl>eoos 6ebet nergsre, izuotie» sb e!» reizui», s!> u» luerit. Er hatte also kein selbstständigeS Waffenrecht ^ sondern kämpfte nur mit dem Orden gegen die heidnischen Preu ßen und gehörte zu den s. g, Lehnmönnern-

    Solche Leute brachte der Ritterbürtige auch von seinen Gütern in Deutschland mit und setzte sie dann auf seineq im Slavenlande erlangten Gütern an, weshalb es in der Mark wohl von jeher Lehnschulzen des Adel« und' des Landesherrn gegeben hat. Bon Personen dieser Art, welche kein Lehnschulzengut sondern ein gewöhnliches nicht »tlerliche« Lehngut erhielten, sieh« Wohlbr. Lebu« l. v. 278.

    ,5) Riedel Mark Brand, 2, p. ZS4, ist di, Stelle der Glosse zu, lesen^ wonach Kaiser «ldrccht den Zweikampf in «inen Schwur mit standesgleiche» Eedhelfern »«rwandelt haben soll. D-es« Standetgleichheit der Eidhclfer «geben auch viele Urkunden.

    ff) S. dagegen Eichhorn Rechtsgesch^ §. ZZ6., wo überhaupt schon angedeutet wird> daß alle Gerichte in der Mark genau genommen Lehnhöf« und Vogteien sind.

    112

    waffenbürtigen Ritterstnnde statt gefunden habe. Man könnte di,S dah« erklaren, daß die ursprüngliche Gerichtsbarkeit de« Markgrafen und feine« Unterbeamten, des Burggrafen, eine bloß militärische war, bei der jeder als Richter auftreten konnte, der die Waffen ,»m täglichen Kriege') zu Pferde führte, daß also dabei eine Art von Gleichstellung aller Waffenfähigen, ritterbürtigen und nicht ritterbürtigen Standes, eintrat. Denn e« kann nicht bezweifelt werden, daß der Stand der Lthnschulzen in der Mark, eben weil er mit gegen die Slaven gekämpft hat, in älter» Zeit viel angese hener war, als im späteren Mittelalter"), wo der Ritterstand durch sein selbstständiges Waffenrecht sich mehr und mehr über ihn erhoben hat, oder vielmehr der Stand der Lehnschulzen gesunken ist, während der Ritterstand sein Anfehn be hielt. Da die Glosse bestimmt versichert, daß an den markgräflichen Landgerichten die gemeinen Leute (d. h. nicht ritterbürtige) Urtheil finden*"), da das Landbuch vom Jahr 1375 sagt, daß «eptem vülavi f) in peinlichen Sachen auch über Ritterbürtige (militsro») zu Gericht gesessen hätten (jus ckivisot), so läßt sich dieser Umstand nicht schlechthin ableugnen. Vielleicht erklärt sich die Sache folgendergestalt am natürlichsten. Ucber Leb,,, und Ehre eirkeS ritterbürti gen Vasallen konnte überhaupt nur von dem obersten Lehnherr», dem Markgrafen, entschieden werden, da jede« grobe Verbrechen «ineS Vasallen zugleich ein Aklonie gegen den Marggrafen in sich begriff, welcher in der Mark für die Auf- reckthaltung de« Landfriedens vermöge seines militärischen Fürstenamtes allein zu sorgen hatte ff). Da nun, nach der militärischen Verfassung der Mark, alle Ritterbürtige zugleich Vasallen des Markgrafen waren, so wurden peinliche Sachen, welche einem Ritterbürtigen an den Hals oder an die Hand gingen, vor dem obersten Gericht des Markgrafen verhandelt M) und von diesem Gericht wissen wir, wie oben gezeigt ist, mit Bestimmtheit, daß nur Ritterbürtige Urtheilsinder sein konnten. Bekanntlich hat sich der Grundsatz von der nothwendigen StandeSgleichheit der Richter nie weiter erstreckt, als auf Leben und Ehre des A,'geschnld,gten ffjf), da z, B. in Markengerichten gemeine Bauern jedem auch ritterbürtigen Markgenossen eine Markenbuße auferlegen konnten. Verschuldete also ein Ritterbürriger in der Mark etwas, das nicht an den Leib ging und keinen Verlust der vasallitischen Ehre, sondern nur etwa eine Gelbstrafe nach sich zog, z. B. Injurien, so konnte darüber an den gewöhnlichen Landgerichten, wo die Landschöppen (also freie deutsche Lehnschulzen, nicht wendische Hörige) über peinliche Verbrechen der nicht ritterbürtigen Personen zu Gericht saßen, ent schieden werden, ohne daß der kriegerischen Ehre des Vasallen oder den Rechten des Lehnherrn zu nah« getreten wäre. Freilich hätte sich dann das Landbuch ungenau ausgedrückt, indem e« danach scheinen könnte, als ob alle, auch die Ca-

    ') Denn von dm gemeinen Söldnern und den Zinsbauern, die nur im Nothfall zur Landwehr aufgeboten wmdcn und mithin nicht unter regelmäßigem militärischen Commando des Burggrafen standen, kann hier nicht die Rede sein. Solche Zinsbauern ließen sich auch erst nach der Eroberung der Mark in dieselbe nicder.

    —) Eiche Wohlbruks Gesch. v. Lebus Bd. 1. wo jedoch meiner Ueberzeugung nach die Sache dadurch völlig auf den Kopf gestellt ist, daß die Lthnschulzen, welche nach n. 202. von den Rit'ern angesetzt wordm sind, nach v. Z16. eher vorhanden gewesen sein sollen als die Gutsherrn.

    —) Riedel a, a. O. Bd, S, n. 293. welchem ich jedoch darin nicht beitreten kann, daß: uthgesundert so viel als: abgeschafft heiße.

    D Worunter man doch jedenfalls die Landschöppen zu verstehen haben wird, also Lehnmänner. Möglich war« e<, daß der Ausdruck vM-m! nur im Allgemeinen so viel heißen solle, als Landbewohner, im Gegensatz der Städter, welch« «in eig nes juäicium sujiiemum hatten. Mir ist keine Urk bekannt, wo Lchnschulzen oder gar gemeine Bauern einem Ritterbürtigen Leben und Ehre abgesprochen hätten und da dies auch an sich allen Rechtebegriffen des Mittelalters zuwiderliefe, so kann ich et nicht annehmen, wenn ich auch sonst die Behauptung von einer früheren allgemeinen völligen Freiheit aller Bauern in der Mark zugeben könnte, i .. >. .. ..

    -f-f) Nach neueren Begriffen ausgedrückt, würde dies heißen: jedes Verbrechen war zugleich ein Verstoß gegen die militärische Disciplin,

    -jM Die Glosse sagt gradezu, daß Ritterbürtige (guter Hand Leute) nur vor dem Gericht« d«s Markgraf«! selbst zu Rechte si,hen und sie hat Recht, in fo weit «s sich um Ehre, Leib, Leben und 'Lehngut der Ritterbürtigen handelt, nicht aber wo um gewöhnliche Schuldsachen geklagt wurde, wo ein Ritterbürtiger, wenn er bäuerliche Grundstück« b«saß, sogar vor den Dorfsgerichten Recht nehmen mußte.

    ffff) oder auf den Verlust des ritterlichen LehngutS, den nur Genossen aussprechen konnten. Bd. 1. dieses Codex v,g. 80.

    pitalverbrechen der Ritterbürligen von Landschöppen nicht ritterbürligen Standes entschieden worden seien, allein eS be» fleißigtc sich der Kürze um so mehr, als eS ihm weniger auf die Gerichtsverfassung als auf die GerichtSeinkünftc ankam und weil die Landschöppen über alle Verbrechen der nicht Nitterbürtigen entschieden, so sagt es kurzweg, daß dort über die poevs sanguinis überhaupt gerichtet worden sei. —

    Diese Landschöppen nicht ritterbürligen Standes, jedoch den Lehnschulzen oder Lehnmännern angehörig, «er» dienen nun „och eine Betrachtung, da es mir sehr glaublich ist daß in früherer Zeit das Landschöxpenamt bestimmten Gütern erblich angeklebt hat, die Landschöppen also ursprünglich nicht allein durch Cooptation oder vom Landesherr,', erwählt wurden. Im eigentlichen Deutschland existirte unter den Schöppenbarfreien ein eignes Schöppenamt, welches erblich an gewisse Grundstücke gefestet war und vom Vater auf den ältesten (qualisizirten) Sohn überging, außerdem aber durch Cooptation aus der Zahl der Schöppenbarfreien ergänzt wurde. Die eigentliche Beschaffenheit dieses am Grund und Boden gesesteten Schöppenamtes, wovon z. B. in Franken sich die zum Schöppenamte verpflichteten Grundstück« noch in später Zeit erhalten haben, liegt noch ganz im Dunkeln, aller Wahrscheinlichkeit nach aber stammt eS a„S einer uralt heidnischen Zeit, wo eine erbliche Priesterzunft'), gleich den Leviten der Jude», im Besitz der Nechtskennt- »isse war, welche bei den Heiden zugleich die Religion ausmachten. Die Nechtskenntniß war also eine Art religiöses Geheimnis? "), welches vom Vater auf den Sohn zugleich mit einem Priestergute *") vererbte. Solche Ankiiü- pfung geistiger Beziehungen an den Grund und Boden ist eines der Grundelemente des germanischen Staatswesens, auf dem auch die Lehntreue der Vasallen beruht und es hat an sich nichts auffallendes, daß Besitzer gewisser Güter erdlich Schöppen im Landgericht waren, da sie ja auch erbliche Dorfschulzen waren und noch heut zu Tage in vielen Dörfern bekanntlich das Schulzenamt Annexum eines Grundstücks ist. In Übertragung der deutschen Einrichtung wurden nun auch in der Mark einige Freischulzenlehn und LehmnannSgüter zu Landschöppengütern und ihre Besitzer für verpflichtet erklärt, sich bei den Landgerichten als Schoppen brauchen zu lassen; eine Einrichtung von der sich Spuren bis in daö spätere Mittelalter erhalten haben f) bis endlich durch die Zersprengung der alten Landgerichte und andre Umstände im sechzehnten Jahrhundert das Landschöppenthum vernichtet worden ist.

    *) Das Schöppenamt war eine der Verschwörungen (c«njiir»t!«ncs, i!!s!i«Ies gürlen) des Heidenthums.

    ") Meiner Ueberzeugung nach liegt hierin, niedt in Einrichtungen karls deS Großen (dem überall zu viel zugeschrie« den wird) die Entstehung der heimlichen Acht unter den wissenden Schoppen >er westphälischen Bchmgerichte- Ich halte es für Irr- Ihum, wenn man ursprüngliche Besonderheiten der westphal,scl,en Gerichtsverfassung annimmt, nur die spätere Entwickeln»« hat in Westphalen einen besondern Gang genommen, wozu wohl besonders der Umstand, daß «in geistlicher Fürst HeizogSrechte, nicht bloß im eignen Gebiet envarb, beigetragen hat, wie oben angedeutet ist. Eine heimliche Acht unier den Schoppen selbst gab es ursrrünglich wohl bsi allen deutschen Gerichten und sind in dieser Beziehung die Nachrichten sehr merkwürdig welch? z. B. Quix (Gesch. von Burscheid) bekannt gemacht hat. Nachdem nemlich ein neuerwäblter Schöppe in Burscheid auf dem öffentli. chen Mahlplatz den offenbaren Schöppeneid abgeleistet hatte, mußte er heimlich, nur in Gegenwart der Schoppen den s. g. Kam, mereid ableisten, welcher enthielt daß er nichts von den Heimlichkeiten der Schoppen offenbaren und sich selbst in allen Stücken deren alleiniger Gerichtsbarkeit unterwerfen wolle. Hierin liegt offenbar dasselbe Priimp, welches das Wesen der westphalischen heimli chen Gerichte ausmacht. Die uralte Heimlichkeit der Schoppen, das Wissen derselbe», ist wohl nichts anders alö das Zunftge- heimniß der heidnischen Priester, die Kcnntniß der ReligionS» und R?chtsgel>rauche, welche sie bewahrten und auf Befragen des hohen Richters, des späteren Grafen, am Opfer» und Gerichlsplatz aussprachen. Daß die westphalischen Gerichte diese Heim, lichkeiten, freilich in ganz veränderter Gestalt, fortpflanzten und ausbildeten, darin liegt ihre Eigenthümlichkeit, so wie in dem Umstände, daß sie sich auch noch in späterer Zeit als kaiserliche Gerichte betrachteten.

    DaS Asylrecht und die Abgaben-Freiheit der Richterzrundstücke hängt niit diesem alten Priesterzur zusammen.

    s) Daß grade in den ältesten Dörfern des Landes LebuS sich Landschöppen zeigen, daß die Landschöppengttter alle um den Sitz der Landgerichte herumliegen (Wohlbrück LebuS t. p. Z^7 und Z!5) halte ich für solche Spuren, wie ich auch die Stellen des LandbuchS, wonach gewisse Hufen sck «lliclum qu«ä «licllur I^sn^scbene gehören, nicht von den gewöhnlichen Frei» Hufen der Lehnschulzrn erklären kann (Woblbrlick I. c. n 3.1,) UebrizenS gebe ich gern zu, daß diese Ansicht von einer erblich dinglichen Schöppenzunft (auf welche ich auch die bekannten Racklmburgen beziebe) n?ch sehr einer nähern Begründung bedarf, auf welche ich hier nicht eingehen kann. Grimm (Nechtsaltcrthüiner) will an der Stelle deö Sachsenspiegels: zu de» Bänken geboren, das letzte Wort in: gekoren verwandeln, aber wie erklärt sich dann Sachsenspiegel lll. AS,? Auch bei den westphalischen ll. Bd. . L 15 ^

    11ä

    Als die Mark Brandenburg erobert wurde galt »och der Grundsatz des deutschen Rechts, daß jeder hinsichtS seiner persönlichen Verhältnisse (denn in Bezug auf liegende Güter traten das allgemeine sächsische Lehnrecht oder bei den Bauergütcrn andre dingliche Rechte ein ') nach seinem Geburtsstande beurtheilt werde. Es gab daher in der Mark (abgesehn von dem Rechte der niederländischen Colonisten in der Wische) dreierlei Rechte; erstlich und Haupt, sächlich das Sachsenrecht, dem die meisten deutschen Bewohner der Mark Brandenburg folgten, weil sie von Nieder« sachsen aus eingewandert waren, weshalb sich noch im fünfzehnten Jahrhundert ein brandenburgischer Vasall darauf beruft, daß er ein freier Sachse sei"). Es galten daher die sächsischen Rechtsbücher ober die Sammlung und Bearbeitung von Weisthümcrn und Rechtssprüchen der sächsischen Gerichtshöfe des Nordthüringer und Schwabengau'S, von Anfang an in der Mark, wie denn schon im Richtsteig die Rechtsbüchcr des markgräflichen Kammergerichts erwähnt werden. Das zweite in der Mark geltende Recht war das schwäbische, das heißt das particuläre Recht des Nordschwaben, gau's im jetzigen Herzoglhum Magdeburg. In de» allermeiste» Nechtslehren stimmte das schwäbische Recht mit dem gemeinen Sachsenrecht überein, es zeigte aber in mehreren Stücken Abweichungen von diesem, welche nach einer uralten Überlieferung auf einer ursprünglichen Stammesverschiedenheit der Schwaben und Sachsen und auf einer Einwandrung der Nordschwaben in das Sachsenland beruhen sollen. Diese Abweichungen des Nordschwabenrechts betrafen, außer eini gen minderwichtigen Grundsätzen bei der Verjährung u. s. w., vorzüglich zwei Punkte 1) daß der Schwabe von Weiber Seite her kein Erbrecht hatte, weil die Weiber in ihrem Geschlechte alle erbloS gemacht sind durch ihrer Vorgängerinnen Missethat, oder, wie der Sachsenspiegel es auch ausdrückt, durch der Weiber Haß. Das OKromoon Lruusvic. —) drückt sich darüber sehr merkwürdig also au6: muliores lluseiZam 8sx«mse pstribus in Ker«6itsie totsliter non 8vo> ce6uut probier «vprobrium juriZ eruoä öuave^ ckioitur, «ruoä invurrunt ex oo, ^uock «Zum Lsxoves 12 suu« sd expußusuilgm ^„ßlism clokuissent, Lusve^ Luxonism iutravcrunl, et quoruoilam ux«ribu8 sunt sliusi; 8sxo» uikus rockountibus, quseckam mulieres sck viros prlsiinos reäierunt, slia« 8uev!s säulroris sälisesernut, uoele «tstucirunt, izuoü mulieres sei viros pristino» von relleuntes tum in se, c^uum in tlliabus suis, secuociiu» /u« yuoä Susve^ äieitur, exlierecksreutur. Vielleicht beruht auf dieser Abweichung deS schwäbischen Rechts eben sowohl, wie auf der militärischen Eigenschaft der Lehe» in einer Mark, das strenge sächsische Lehnrecht, namentlich die allgemein« Ausschließung der Weiber, welche in dieser Ausdehnung weder im eigentlichen Deutschland, noch in den wendischen Län« der», welche deutsches Recht annahmen z. B. Mecklenburg und Pommern vorkommt. 2) Eine zweite wichtige Abwei, chung des SchwabenrechtS drückt der Sachsenspiegel dabin aus: die Schwaben schelten ein Urtheil unter sich selbst auf schwäbischer Erde und ziehen es an den älteren (vornehmsten) Schwaben und an die Entscheidung der Mehrheit auf dem echten Dinge an der höchsten Dingstatt. Der Sinn ist der, daß mich dem Schwabenrecht eine förmliche Appellation an das höchste Gericht der Schwaben statt fand, während nach dem alten sächsischen Recht das Schelten eines UrtheilS den Zweikampf nach sich zog. Da die Landesherr« in der Mark Brandenburg, die Askanischen Fürsten, schwäbischen Gr» schlecht« waren, so ist vielleicht aus dieser Abweichung des SchwabenrechtS allmählig in der Mark allgemein Rechtens geworden, daß beim Urtheilscheltcn die Berufung regelmäßig an den Landesherr», als den ältesten Schwaben und die höchste Dingstatt, ging und kein Zweikampf statt fand, (welcher jedoch bei Ungerichtcn und Fricdensbrüchen allerdings eintrat). Diese Berufung an die höchste Dingstatt des Markgrafen von Brandenburg, an des ReichskämmercrS Kammer

    Gerichten kommen Spuren eineS erblich dinglichen Schöppcnamts vor z. B. in einer Ur?. von 1274 (Kindlinger Hörigkeit 36.) wo ein Hof von der Vcrbindlichseit einen Dingmann zu stellen befreit wird, welche man wohl nicht auf die gewöhnliche Ding pflicht aller Schöppenbarfreicn beziehen kann. — Freilich mußte der Schi, eineS Schoppen zu diesem Amt qualiflzirt sein, ehe er recipirt wurde, dies war aber wohl regelmäßig der Fall, denn wer hatte bessere Gelegenheit Rechtskenntniß zu erlangen als er? — Selbst in Stödten lassen sich Spuren eineS solchen erblichen Verhältnisses der ältesten Schöppencoxporation nachweisen.

    ') Sachsenspiegel I. 3«.

    ") Urk. Nro. 8l, unten.

    "') ,r> INacler. suticr. Lruoswie p. 13. Auch der Annalist Witekind sagt, daß die Schwaben an der Bode ein «ig, neS Recht gehabt haben l>I>!» legibus utuvtor). S. auch waS Lrozor. luronevs. von dem Zug der Sachsen nach Italien und dem Eindringen der Schwaben enthalt.

    115

    zu Tangermünde, findet sich auf eine merkwürdige Art in dem Abschnitt des RichtsteigS: wie man Urtheil schilt in der Mark, bestätigt. I» der älteste» Zeit behielt aber der in die Mark eingewanderte Sachse sein sächsisches Recht, wonach er das Urtheil durch den Zweikampf widerlegen konnte. Die ursprüngliche Stammverschiedenheit der Sachsen und Schwaben wird auch dadurch sehr wahrscheinlich, daß in der älteren Zeit nur der Sachse über den Sachse», der Schwabe über de» Schwaben Urtheil finden konnte und daß der Sachse wenn ein Schwabe Urtheil über ihn gefunden hatte, eS schalt, weil es wegen des alten Volkshasses nicht unpartheiisch sei, und sich auf den Zweikampf berief').

    Das dritte in der Mark gültige Recht war das der Wenden. Der größte Theil der Wehden in der Mark gehörte dem Bauerstande an ") und es hat sich aus dem älteren slavischen Rechte, jedoch natürlich mit mannichfachen m,d bedeutenden Modisicationen durch die Germanisirung und das Christcnkhum, ein eignes märkisches Bauernrecht gebil det, welches sich in den verschiedenen Provinzen der Mark verschiedenartig gestaltet hat, je nachdem in der Provinz ent« weder das altslavische Recht vorherrschend blieb, oder mehr das germamsche Element (die Lassitische Qualität) überwog""). In der ältesten Zeit gab es aber ein besonderes persönliches Wendenrecht s), wonach z. B. die markgräflichen Va sallen, welche von Wenden abstammten und weil sie Christen geworden waren im Besitz ihrer Güter gelassen wurden, nicht Urtheil über einen Sachsen finden konnten. Der Richtstcig sagt hierüber, daß wenn ein Wende über einen Sach> scn Urtheil gefunden habe, dieser fragen solle, ob wohl ein Sachse sich dem Urtheil eines Wehden unterwerfen solle, der ein Gefangener sei? worauf die Entscheidung erfolgt: das brauche er nicht. Aus dieser Stelle ergibt sich zugleich recht deutlich, wie man überhaupt das Verhältnis; eines Slaven zu einem Deutschen betrachtete. —

    Diese Verschiedenheit der persönlichen Rechte in der Mark hat sich nun schon in sehr früher Zeit, wohl schon init dem Anfang des dreizehnten Jahrhunderts verloren, und eö sind davon theils nur einige Abweichungen des märki» schen Rechts überhaupt besteh,, geblieben, wie dies oben hinsichts der Berufungen vermurhet worden ist, theils sind per sönliche Rechte z, B. der Wenden, allmählig zu dinglichen geworden und haben Emfluß auf die Bildung des Bauer rechts gehabt, indem dadurch namentlich die Trennung zwischen deutschen und wendischen Bauern, welche ursprünglich sehr scharf war, zum Nachtheil der erster» verschmolzen worden ist.

    Eine zweite wichtige Veränderung, welche seit dem zwölften Jahrhundert eintrat, war, daß mit dem steigenden Verkehr der Städte sich ein eignes Weichbildrecht aus dem Landrecht auszusondern anfing, von dem es ursprünglich nicht verschieden gewesen war. Das Magdeburgifche Stadtrecht verbreitete sich daher durch die »eugcgründetcn Städte der Mark Brandenburg, wovon jedoch das Nähere hier nicht verfolgt werden kann. Ferner gelangte mit dem Eintritt des zwölften Jahrhunderts das römische Recht auch in der Mark zu Ansehn. Hierfür ist eine Stelle der Chronik dcS Klosters Petersberg bei Halle wichtig, wonach seit dem Jahr 1205 iratres movtis 5erenl sppell»ti«uis et verdorum äeoretslium, eis Kaotenu» ignotorum, usum Ksbere eoeperunt, yuarum reium » lUerseburgeosi praeposiw intoimstl kuerunt. Das römische Recht kam natürlich mit dem canonischen und breitete sich durch dieses aus, so daß während die RechtSbüchcr nur rem deutsches Recht enthalten, schon die Glosse, welche großentheils in der Mark Brandenburg entstanden ist, genaue Kenntnis, des römischen Rechts und sogar Mißverstand des deutschen Rechts zeigt. Zu überwiegendem Einfluß scheint das römische Recht in der Mark erst seit der Negierungsperiode der hohenzol- lerischen Churfürsten gelangt zu sein, welche gebildete Geistliche und Ritter aus dem südlichen Deutschland als ihre Räthe mit in die Maik brachten und das hiernach folgende Gcrichtsbuch aus der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts deweiset überall eine gründlichere Rcchtsbildung der Urtheilfasser aus dem römischen Recht, wenn gleich das materielle Necht noch größtentheils deutschen Grundsägen folgt, bis endlich im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts, durch Ver-

    «) Richtsteig Lsndrechts. S, auch Sschsensp. II. l2. §. 12.

    ") lerrsm ^Veu<lIaii>I ounc possiäent 8»x«ne», 8I»vis in villi» ,<IKuc msnentibu» sagt das <?Kr«o. LogelKu,. Der Sachsenspiegel enthalt nichts vom wendisch'deulschen Bauerrecht, sondern, außer wenigen Bestimmungen über die Rechte deS Lcidberrn bei gemischten Ehen zwischen wendischen Leibeignen und Deutschen, nur (wie auch die Glosse) einige Andeutungen über das Recht der deutschen Zinsbauern in der Mark,

    1°) Darauf zieblt auch wohl Sschfensp. III., 71, wo von fremden Sprachen vor Gericht die Red« ist.

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    änderüngen, welche sehr merkwürdig aber noch nicht ganz aufgeklärt sind*), das alte Sachse»recht in seiner allgemeiner» Gültigkeit aus der Mark verdrängt wurde, so daß Grundsätze des deutschen NechtS sich nur als provinzielle Particulari» raren erhalten haben. —

    Der Markgraf war von jeher der höchste Richter über Leib und Leben in der Mark, wenn gleich ein Thcil der Criminalgerichtsbarkeit schon in sehr früher Zeit, im dreizehnten Jahrhundert, auf die Vasallen überging **), denen wie auch den Städten, eine niedre Polizei und bürgerliche Gerichtsbarkeit (juüioiul» iulimum) über ihre Bürger und Hintersassen von jeher zuständig gewesen war. Die Grenze zwischen hoher, und niedrer Gerichtsbarkeit war dieselbe, wie im ganzen übrigen Deutschland, daß nemlich die Bestrafung der Hauptverbrechen und der Wunden, welche kampfwiir» big waren""), dem Landcsfürsten zustand oder daß doch ohne dessen Einwilligung eine Strafe, die an den Hals oder die Hand des Verbrechers ging, nicht vollstreckt werden konnte. Das Nechtsprechen in peinlichen Sachen sah man sog« als eine persönliche Befugnis; des Landesherrn an und als im Jahr 148Z eine Criminalsache vor den churfürstlichen RS» then zur Sprache gebracht wurde, erklärten diese: über Ehre und peinliche Sachen wollte» sie nicht erkennen und wiesen die Sache an ien Landesherr» selbst f). Dieser ächt deutsche Grundsatz, daß das Urtheil über Leib und Leben eines Menschen von der Person des höchsten Richters, dem Gott das Schwerdt der Gerechtigkeit anvertraut, auSgehn müsse und daß er es selbst nicht seinen Rathen in vollem Umfange überlassen könne, hat sich bis ans die neuesten Zeiten in Kraft erhalten -ss).

    Der Markgras war ferner der oberste Lehnherr in seinem Lande und übte als solcher die Lehngerichtsbarkeit ordentlicherweise durch seine gewöhnlichen Räthe, nur da wo sei» eignes Jntresse in das Spiel kam, namentlich wo cS sich um die Frage drehte, ob der Vasall die Lehntreue an ihm gebrochen habe, mußte nach altem Herkommen bei stei gender Sonne ei» förmliches Mannengericht aus den Vasallen niedergesetzt werden. Eine sehr merkwürdige Urkunde vom Jahr 1414 sff) zeigt, daß dabei die uralten Gebräuche des deutschen Rechts fortwährend in Uebung waren. Erst später gedieh auch diese Art der Lehngerichtsbarkeit an das ordentliche churfürstliche Kammcrgericht, wiewohl noch zu den Zeiten König Friedrich Wilhelms des Ersten üblich war, daß der König selbst, als oberster Lchnherr, die Erkenntnisse in Lehn» fachen unterschrieb.

    ') Siehe darüber meinen Aufsatz in v. Ledebur Archiv Bd. 5. r>. 309.

    -) Es geschah dies in der Mark am frühesten in ganz Deutschland. Etwa weil die slavischen Supane ein selchet Recht über ihre Hintersassen gehabt hatten? —

    —) S- darüber, außer unzahlig andren Urkunden die folg. Nra. IlO.

    5) Urk. »r». 120. unten. In der. Mark galt übrigens auch das alldeutsche Criminalverfahren, der Unterschied zwi schen handhafter und übernächtiger That, das Zetergeschrei (Urk. Nr«. N0 ) u. s. w. Leider ist uns hiervon aus der älteren Feit wenig aufbehalten, das letzte in Berlin 1787 gehaltene bvchnothpelnliche HalSgericht beweiset aber allein schon das deutscht peinliche Verfahren in der Mark.

    ff) Als BestatigungS, und Begnadigungsrecht, welches nur historisch erklärt werden kann, indem der Gegensatz zwischen Recht und Gnade so wie er jetzt definirt zu werden pflegt, ganz nichtig ist. Wer begnadigen kann, ist allcmcchl der höchste Richter und jeder Richter, der Milderungsgründe berücksichtigt, begibt sich in das Gebiet der Gnade. Der einzige Un» terschied bleibt der, daß dem gewöhnlichen Richter als Beauftragten des höchsten Richters im Lande gewisse Grenzen vorgeschrie ben sind, die er nicht uberschreiten darf, während der Landesherr nur Gott und feinem Gewissen von den Gründen seiner Be gnadigung Rechenschaft schuldig ist. Ist man doch so weit im Unsinn gegangen, daß man dem Landesherrn das Recht hat ab, sprechen wollen, Gründe seiner Begnadigung auszusprechen, gleich als ob er dabei nur dem blinden Ungefähr folgen müsse und Rechts- und Vernunftgrllnde ein Reservat seiner Beamten geworden seien! UebrigenS hängt auch die hergebrachte Befugnig auf erfordertes Gutachten Criminalstrafen zu schärfen, mit den altern Rechtsansichten zusammen, was jedoch nicht näher ausge führt werden kann, ohne in die ganze Materie von der Cabinetsjustiz einzugehn, über welche so viel irrige, aus dem Axiom der Gewaltentheilung geflossene Ansichten verbreitet sind, weshalb hier nur bemerkt wird, daß die Beschränkung des Selbstrichtcn« auf landstsndischen Versicherungen beruht. König Friedrich der Große hat nicht nur noch förmliche Erkenntnisse in Civilsachen abgefaßt, fondern auch alle Revisionserkenntnisse in osipreußischen Sachen, wo das Tribunal zu Berlin nur nioö» ckelezatlonis erkannt«, selbst unterschrieben.

    -HD Im ersten Bande dieses Codex x. 79 folg. womit Grimms treffliche Rechtsalterchllmer zu vergleichen sind.

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    Hinsichts der Geschichte der Gerichtseinrichtung der Mark Brandenburg seit dem zwölften Jahrhundert muß übrigens hier auf andre Werke verwiesen*) und kann nur so viel bemerkt werden, daß man dabei im Allgemeine» drei Landestheile und drei Gerichtsverfassungen unterscheiden muß. 1) Die eigentliche Marken« oder Burg» wardsverfassung, welche besonders in der Altmark gegolten hat. Danach zerfiel die Mark in Burgen, zu deren jedem ein umliegender Sprengel und eine Burgmannschaft gehörte, über welche ein vom Markgrafen bestellter Burggraf (Voigt) Gericht hielt "). Daneben gab es hohe Dingsrätten des Markgrafen selbst, deren uns der Richtsteig zum Land» recht einige aus alter Überlieferung aufbewahrt hat, bis das markgräfliche Gericht der Altmark sich in des RcichSkäm- merers Kammer zu Tangermünde firirte und die Burzwardsgerichte (hauptsachlich durch die Exemtion der Städte) ein« gingen. ES ist eine Eigenthümlichkeit des Mittelalters, daß jedes factifche Verhältnis; sich bald zu einem Rechtsverhält nisse gestaltete und so blieb, auch nachdem der Sitz des Markgrafen in die Miltelmark verlegt worden war, in Tanger« münde ein hohes markgräfliches Gericht unter dem altmärkifchen Landeshauptmann, als Stellvertreter deS Markgrafen, bis auf »euere Zeiten. 2) Die zweite Gerichtsverfassung ist die Eintheilung der Gerichtsspreugel nach Territorien (DiStricten, später Kreisen), welche besonders in der Mittclmark statt fand und wonach z. B. daS Havelland zu Brau« denburg, das Land Barnim zu Strausberg *") ein eignes Landgericht besaß. Diese Landgerichte waren im fünfzehnten Jahrhundert zu einem besonder« Hofgericht für die Mittelmark zu Berlin zusammengeschmolzen -j-). Dan«ben wurde zu Berlin, als der spätem Residenz, so wie zur Zeit des Richtsteiges zu Brandenburg auf der Havelbrücke, dasWmarkgräf« liche Kammergericht für die ganze MaikBrandenburg abgehalten. 3) Die dritte Gerichtsverfassung ist die slavische Ca« stcllaneiverfassung (polnische Woiwodschaftsvcrfassung), welche z. B. in der Neumark jenseit der Oder beibehalten wurde, da die Markgrafen sich dieses Land unterwarfen. Danach war das ganze Land ebenfalls in Burgen getheilt, zu denen adliche Burgmannen und ein Gerichtsbczirk gehörte, übrigens aber beweiset die uns aufbehaltene Ordnung des Manngerichts zu Friedeberg in der Neumark, daß auch diese Gerichte ganz mit den deutschen NechtSgebräucheir abgchal« ten wurden ff). Später verschmolzen alle Neumärkifchen Castcllaiieigerichte zu einem besondern Hofgericht des.. Neumär« kischen Landvogts, nur das Landvogteigcricht zu Schievelbein -i/sf) und das Burggericht zu Neuwedel (als Gericht der schloßgesessenen Familie von Wedel) haben sich von der älteren Verfassung bis auf die neuesten Zeiten erhalten.

    ') Wohlbrttck Gesch. des Bisthumi Lelms, Riedels Mark Brandenburg im Jahr 1250 und die Schrift: über die älteste Verfassung und Geschichte der Mark Brand. (Zerbft 1830. 8.) Auf völlige Gewißheit ist übrigens nicht uberall zu kom« mcn, wie denn auch der Verf. viele in diesem Aufsätze enthaltenen Ansichten gern für Conjecturen erklärt, deren gründliche Widerlegung niemand mehr, als ihn felbst freuen würde. Wer eS weiß, daß selbst in unser,« schreidelustigen Zc,kalter über viele, selbst wichtige Verhältnisse der Gegenwart gar nichts Geschriebenes existirk, der wird nicht behaupten wollen, daß. man auf den Grund von einigen tausend uns erhaltener Urkunden auf unumstößliche Gewißheit über alle Gezeiistcinde gelangen könne. So viel b cibt aber gewiß, dag wir von den Rechtsverhältnissen des Mittelalters eine weit größere Kenntniß erwerben können, als von denen deS AlterthumS und so lang« die Acten in den Registraturen todt liegen bleiben, selbst mehr Kenntniß, als von den inneren Verhalt»issen deS sechSzehnlen, siebzehnten unö achtzehnten Jahrhunderts, so paradox letzteres auch klingt.

    ") Auf diese Gerichte zielen die Worte der Blosse! in greveschap (in einer deutschen Grafschaft) sind nene vogde, dy richten; wohl also in der Mark, wo die Gerichte der Domainei,äinter von diesen Burgwardsgerichten zum Theil ein lieberbleib« sel sind, nachdem Städte, Adel und adliche Hintersassen davon eximirt worden sind. Die Amtssässigkeit vieler sächsischen Ritter, guter beruht ebenfalls a>if der Burgwardsverfassung S. Adelung Oirectormm p. 47. Vorrede.

    ) Hieraus sind auch die angesehenen Schöpvenslüble zu Brandenburg und Strausberg (der später nach Soldin ver« legt wurde) hervorgegangen.

    f) Siehe Band 1. dieses Codex p. 17ö.

    sf) s. Brandend. MiSzellen deS JahreS 180Z. Das Landvogtugericht zu Fricdeberg kommt als j„Z!cium nravmelsZ«, jvilioluin vssullstiis äistrietu» t'rerleberg früh vor (iZKedel Mark Brand. Bt>. '2. p. 41S,) Diese Castellaneigerichte haben d« größte Ähnlichkeit mit den ursprünglichen altmärkischen Burgwardege, ichtcn und sind aus ähnlichen Gründen eingegangen nemlich durch Exemtion der SUdte, Verfall der Burgen und Zerstreuung der Burginannen.

    ilf) Diese dreifache Verfassung, bei welcher übrigens natiirlich viel Ueb^reinstimmendes »eben dem AbMeicheiHen statt fand, ist auch wichtig für die Slädteanlegung in der M^rk. In der eigentlichen Mark z. B. der Allmark hat sich eine deutsch« Sladtgemeinde neben der Burg gesammelt., in der Mittebnark ist ein «ltmendischer Ort durch Ansammeln von Deutschen zu

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    Was die Untergerichte, namentlich die Dorf^gerichte anbetrifft, so hatte der Dorfschulze die Verwaltung tiner niederen Gerichtsbarkeit in Civil, und Polizeisachcn, welche er auf den «blichen Dörfern NamenS des Gutsherr», auf den landesherrlichen Dörfer» Namens des landesherrlichen Domainenvogts ausübte. Wie weit seine Gewalt dabei ging, zeigt Z. B. eine pommersche Urk. vom Jahr in welcher ein Schulje sagt: «lüolnm preleoturae regere

    ckobeo so exee»«uin summain lluocleoim solickoium peroipere. Diese niedre Gerichtsbarkeit (juclieium iuLmum) war ein ursprüngliches Anncxum der Gutsherrlichkeit, eine wahre Eigeiigerichtsbarkeit; die höhere Gerichtsbarkeit vermal, tete das Landgericht des Diltriccs, bis im dreizehnten Jahrhundert, wie schon oben berührt ist, die landesherrliche höhere Gerichtsbarkeit (judicium suvremum") den Gutsherrn übertragen wurde. Seitdem hatten also die Gerichtsherrn das Recht höhere Strafen als eine Buße von 12 Schillingen festzusetzen, sie übten die CriminalgerichtSbarkeit "'), über welche bisher die Landgerichte der einzelne» Territorien auf den jahrlich dreimal gehaltenen echten Dingen durch die Land- schöpven gesprochen hatten. Es gab seitdem also gewissermaßen so viel Landgerichte, als eS juäioia suprems gab und wirklich werden diese höhern Dorfgerichte der Gerichtsherrn seitdem gradezu provinoiali» slvemsgns juclicin genannt 7). Dem höhern Gericht saß der Ge.ichtSherr selbst dreimal jährlich vor ff) und bediente sich dabei des Beistandes des Lehn, schulzen, welcher von jeher die tägliche niedre Gerichtsbarkeit für den Herrn verwaltet hatte. In den Domainenämtern verwaltete seitdem in gleicher Art der Domainenvogt die höhere Gerichtsbarkeit als eine zu seinem Amte gehörige Befug, niß, es scheint jedoch daß er sich zur Ausübung derselben von jeher einen besondern Richter, etwa einen Lehnschulzen auserwählt habe fil), da seine übrigen vielen Geschäfte und der größere Umfang seines GerichtssprcngelS ihm den per- sönlichen Vorsitz der höhern Gerichte über viele Dörfer nicht erlaubten. Daß übrigens durch diese Zertheilung der höhern Gerichtsbarkeit unter die Vasallen und Domainenämtcr die alten Landgerichte der einzelnen Territorien z. B. des Landes Jauche ganz zersprengt wurden, ist einleuchtend und in der That finden wir sie im fünfzehnten Jahrhundert fast nur als commissarische Gerichte des churfürsilichen Kammergerichts zu Berlin ffl f).

    einer deutschen Stadt geworden und bei der Casiellaneiverfassung ist oft eine ganze Burg auf einmahl in eine Stadt dergestalt verwandelt, daß die Burgmannschaft zum ersten Magistrat, der Anführer zum Stadtxichter wurde. An scharfe geographische Abgrenzung ist aber hierbei freilich nicht zu denken, denn auch die Grenzburgen gegen Mecklenburg z. B- Starzard, Lichen u. a. sind auf einmahl in Städte verwandelt. Dabei wurde da« Landgericht verlegt, da es nicht in einer Stadt abgehalten werden konnte, wie dies eine merkw. Urk von 126l in »inoeultst. I,i»t. Aeclcl. r>. 6. beweiset.

    ') Wachs Gesch. von Colberg. v. 256, und viele andre Urk.

    —) Ganz verschieden von dieser Trennung der Gerichtigewalt an sich ist die Theilung der Sporteln zwischen dem Ge> richtsherrn und dem Gericbtsverwaller, wobei der dem Gerichltherrn zustehend« Antheil auch zuweilen juäiclum 8iir>remuui, (6u„ üevilrü üom!n« comnetenl.es) genannt wird.

    —) Allen Umständen nach durfte indessen zu keiner Zeit «ine Leib- und Lebensstrafe ohne landesherrliche Genehmi, gung vollstreckt werden, wiewohl namentlich die Städte sich öfter« hierüber hinweg setzen mochten Aus diesem Grundsatz hat es sich entwickelt, daß noch jetzt die Inhaber der Criimnalgerichtsbarkeit nur auf eine geringere Gefängnißstrafe erkennen dürfen.

    s) ttrk. bei Wohlbriick Lebu« t. r>. 226. Hiermit hangt es auch zusammen wenn in einer Urk. von 1476 bei Riedel Beiträge l. 2Z6. von einem Landschöppenbuch der hohen Jauche und des Klosters Lehnin die Rede ist, denn das Kloster hatte einen Theil der höhern Gerichtsbarkeit des Landgerichts in der Zauche an sich gebracht, als e« das juälolum sunremum erhielt.

    s-f) ter i« snoo <ru!mäa dominus jiillieium voluerlt vrsesiäere. S. Wohlbrück LebuS 1. 2Z6.

    fff) DaS Gericht des Bogt«, dessen da« Landbuch erwähnt, kann ich nur für ein solches Gericht eines Domainen» vogtS über landeehcrrliche Dörfer halten, wo der Richter personsm »ävoenti repxäsentirte. Ein Fehler in der Abfassung de« Landbuchs (wie Riedel Mark Brand. 2 4Ii, will) ist hier wohl nicht anzunehmen, denn grade daß nur die in der Bogt« Ge sessenen hier zu Recht stehen, wird dadurch erklart, daß der Richter nicht uer5ons,n äomini (AarcKioni,) sondern »äVoesti v«r» tr«t«. Wenn man aber dieses Vogteigericht nicht von einem Domaincnamtsgericht, sondern von dem Landgericht versteht, wel ches «in Landvogt, später ein Hofrichter z B. im Lande Lebus abhielt, bann passen freilich die Worte des Landbuchs gar nicht.

    -s-ffl/) Einer b«fondern Untersuchung bedürfen hierbei noch die zersplitterten Straßen- und ZaungerichtSbarkeiten. Über letztre ist eine ungedr. Urk. von 1490 wichtig, nach welcher ein Prozeß der von KliHing mit dem Kloster Heiligengrab« wegen Hufen in Saxno« entschieden wird und worin es heißt: die Klitzing behalten die Gerichte oberst und niederst über 2 Hove zu Sarnow, die Bauern so darauf wohnen und die 6 Hufe» zugehorcnd, wo es aber geschee, daß dieselben Bauern außerhalb den Hoven und Hufen brechen, das soll das Kloster und nicht die Klitzing richten. —

    119

    Ueber die innere Verfassung der adlichen Patrimonialgerichte des platten Landes in älterer Zeit herrschte- bisher völliges Dunkel; nur wer erwog, daß ächte Freiheit nach oben i,i „othwendiger Conscqucnz allemal das Anerken« nen eines Rechtszustandes in den unteren Kreisen zur Folge haben muß, wer den tiefen Rechtssi,», der deutschen Vorzeit kennt*), konnte ohne weiter» Beweis annehmen, daß auch in den germanisirten Slavcnländern der Bauer niemals einer völligen WMühr des Gerichtsherrn unterworfen gewesen sein könne **). Neuere Forschungen haben dies vollkommen be stätigt und eine Seite der alten Patrimonialgerichtsbarkeit, welche i» dem vielen theoretischen Geschreibe über diese Sache ganz vergessen worden ist, hervorgehoben, nemlich die Zuziehung der Gerichtseinsassen bei der Recht sprechung, welche sich grade bei diesen Gerichte» am längsten lebendig erhalten hat. Auf den Dörfern des Klosters Leh> nin gab eS im fünfzehnten Jahrhundert ein Bauernding, welches als ei» rechtes echtes Ding alljährlich mit Urtheil und. Recht von den Nichtern, Schöppcn und der Bauerschaft von sechs Dörfern gehegt und bei dem sogar ei» eignes Schöp- xenbuch gehalten wurde *"). Ähnliche VogtSgedinge kommen auf den Gütern des Kloster Colbatz in Pommern vor, wo» von sich das eine, in dem Dorfe Ising«, bis in das vorige Jahrhundert erhalten hat, auch wurden in Hinterpommern noch im vorigen Jahrhundert die s. g. KaSpel oder Kuhrgerichte zur Entscheidung der Feldstrcitigkeiten von den Bauern selbst abgehalten, wobei der Prediger den Gerichtsschreiber machte*'*"). Unten folgende Urkunden **"*) beweisen, daß Mich« Dörfer der Mittelmark im fünfzehnten Jahrhundert Richter, Schöppen und Kirchenbitter, also eine geordnete DorfSver- fassimg, besaßen und in der Altmark 1) sind sogar alte Bauer» und Vogtdingsordnungen zum Vorschein gekommen, welche ihrem Ursprung« nach auf Bauerweiethümer gegründet zu sein scheinen, deren Existenz in slawischen Gegenden man hat ableugnen wollen. Die gedruckten Gerichtsverhandlungen ergeben, daß bei diesen Dorfsgerichtcn, sogar bei den peinlichen, ganz das altdeutsch« Verfahren bestand, wonach der Richter den Geschwornen oder Schöppen und den s. g. Zmanzigmännern oder Landsassen aus dem Bauerstande -irf) das Urtheil abfragte. Dies« Zuziehung der Landlcut« hat bis in das vorige Jahrhundert gedauert, wo die gelehrten Richter allmählig die Theilnahme des Bauerstandcs, Verfü gungen von oben her und steigender Egoismus die Mitwirkung der Gutsherrn verdrängt haben, bis endlich diese Gerichte den Berechtigten ein« Last geworden sind und für die Gerichtseinsasse» nur noch das Wohlthätige des Einzelrichters bewah ren.^) Markengerichte, welche von einem Gesammteigenthum ausgehen, hat es in derMarkBrandenburg nicht gegeben, etwas ähnliches sind etwa die ehemaligen Communiongerichte der Zeidler oder Bienenzüchter um Köpnick und Fürstenwalde fl^f),

    Wir nehmen hier die eigentliche Absicht dieses Aufsatzes, von der wir durch die bisherigen Untersuchungen fast wider Willen verschlagen worden sind, wiederum auf, nemlich aus dem nachfolgenden Gerichtsbuche ein kurzes Bild des prozessualischen Verfahrens zu geben, wi« «s am End« des fünfzehnten Jahrhunderts bei dem chursürsilichen Kammerge richt statt hatte -fMt).

    ') Ein Rechtssinn, der so weit ging, daß der Berechtigte sich seine Rechte von den Verpflichteten selbst zuweisen ließ, wie die Wcisthümer, Latenordnungen u. s. w. in ganz Deutschland beweisen. Daß im Mittelalter viele Gewaltthätigkeiten »er, übt worden seien, wird damit nicht geleugnet, wohl aber daß jemals Gewalt für Recht gegolten habe.

    ") Eben so falsch ist eS aber gewiß, wenn neuerdings alle und jede Gutsherrlichkeit der Rittelschaft für die ültr« Zeit abgeleugnet und dafür eine bloße Zinsberechtigung angenommen worden ist. Dr. Riedel Dplom. Beitrage p. ld9 und 207.

    "") Arndt Gesch. der Leibeigenschaft in Pommern p. 2ZZ. Wo findet sich etwas Näheres?

    "'") Nrn. l»7, 28.

    f) Siehe den in jeder Beziehung lehrreichen Aussatz bei Frhrn. von Haxthausen die patrimvniale Gesetzgebung in der Altmark im 77sten H«ste der Iahrb der pr. Gesetzgebung.

    -ff) Wählte diese die Gemeinde, wie die Thegeder in Westphalen? Kindlinger münstersch« Beitr, Bd. 2. p. 28 t.

    fff) Die (an sich schon ganz unmögliche, auf leerer Abstraction beruhende) Trennung zwischen Urtheil über die That- fach« und über daS Recht bei neueren Geschmorengerichten beraubt diese grade der wichtigsten Seite der altdeutschen Volkögerichte, der Erhaltung deS lebendigen RechtSsinneS.

    Hl-f) Oelrichs Buchener Recht 1792 x. 7.

    ffffl-) Womit man Maurers Darstellung des alteren Gerichtsverfahrens, welche wenigstens für diese fxatern Zeiten de« friedigend ist, vergleichen mag.

    Das Kammergericht oder wie es auch schon genannt wird, chursürstliche Hofgericht wurde noch immer Namens des Churfürsten *) und oft unter seiner persönlichen Einwirkung abgehalten. »ES hatte daher keine feste Stätte, sondern folgte dem churfürstlichen Hoflager dergestalt, daß z. B. wenn der Churfürst »ach Tangermünde kam, da« für die Altmark besonders bestehende Gericht des Landeshauptmanns still stand, wie dies der Grundsatz von der Concurrenz des hohem Richters im Mittelalter überall mit sich brachte. Regelmäßig gehörten vor das Kammergericht die Appella tionen, die Prozesse der churfürstlichen Vasallen und Jmmediatstädte der Mittelmark (wo auf sehr begreifliche Art da« Kammergericht zugleich Provinzialgericht geworden war"), sodann aber alle wichtigeren Sachen aus der ganzen Mark, welche etwa gleich an den Churfürsten gebracht wurden, weil damals überhaupt die JuriedictionSgrenzen nicht so genau gezogen waren. Die meisten Sachen der andern Provinzen, der Altmark, Prignitz, Ukermark und Neumark"") entt schieden aber regelmäßig die dortigen Landvögte oder Landeshauptleute mit Zuziehung einiger Räthe dieser Provinzen, es wurden auch wohl Sachen zur Instruction an diese Gerichte verwiesen, deren Entscheidung dem Kammergericht vorbehal ten blieb. DaS Kammergericht stand unter dem Kanzler, meist dem Bischof von Lebus oder einem Kammerrichter rmd war mit mehreren Röthen ritterbürtigen Standes, auch wohl Doctoren besetzt, doch waren es nicht immcr dieselben, son dern wer grade da^war oder von der Sache am besten unterrichtet schien, half erkennen. Öfters scheinen auch die Par> theien auf bestimmte Räche provozirt zu haben, und wo Städte als Partheien in Spiel kamen nahm man einige Bin» gcmcister hinzu, ja in besonder» Fällen urtheilte ein Ausschuß aus den gefammten Landständen 1). Auch der LandeShnr selbst trat bei dem Gerichte durch Sachwalter auf, betraf aber der Streit ein churfürstliche« Domainenamt, so «« die Klage gegen dessen Hauptmann gerichtet und im Erkenntmß bemerkt, daß dieser von Amts wegen aufgetreten sei. Bisweilen mischte sich aber auch ein churfürstlicher Fiskal oder Procura tor ff) als Jntervenient in den Rechtsstreit, z. B. bei Lehnstreitigkeiten um die Rechte des Lehnherrn wahrzunehmen. Sonst konnte jeder bei dem Gerichte als Klä ger auftreten, Städte durch ihren GerichtSschreiber oder einen sonstigen Anwald, geistliche Brüderschaften durch ihre Vor» sieher, Gerverke durch zwei Personen ihres Mittels, Baucrgemeinde», Frauen und Unmündige durch einen Vormund, Söhne in väterlicher Gewalt durch ihren Vater, auch klagte wohl ein Gutsherr im Namen eines Hintersassen.

    Regelmäßig nahm jeder, welcher vor Gericht als Kläger oder Beklagter (Antworter) auftreten wollte, einen Redner oder Fürsprecher, es war dies indessen kein besondrer Advocatenstand, sonder» jeder der sich die Kenntniß zutraute, konnte vor Gericht auftreten, die Parthei selbst war dabei jedoch auch gegenwärtig und nahm in schwierigen Fällen Rücksprache (Gespräch) mit ihrem Fürsprecher, wurde auch, wenn der letztere etwas einräumte, von dem Richter befragt, ob sie beistimme (bejahe, jehe). Wer aber nicht persönlich vor Gericht erscheinen konite, mußte einem förrnlichcn Bevollmächtigten (Machtmann mit voller Gewalt, Procurator) bestellen, dessen Bevollmächtigung dann in Kürze im Gerichtsbuche notirt wurde.

    Zu jedem Prozesse mußte eine ordentliche Citation (rechtliches Vorbescheiden) an den Beklagten ergehen, mit Benennung eines bestimmten Termins und der Auflage sich Tages zuvor an dem Orte, wo das Hoflager sich eben befin» den und also das Kammergericht abgehalten werden müsse, einzusinde». Die bei Vorladungen übliche Formel war: Tu bleibest aus oder nicht, so geschieht was Recht ist, Dich danach wissest zu richten; eine Formel, die noch in Sachsen gebräuchlich ist. Das Ausbleiben des Beklagten in den beiden ersten Terminen hatte nur zur Folge, daß er die Kosten

    ') oder des Markgrafen Johann, welcher Stellvertreter seines VaterS, des Churfürsten, während dessen Abwesenheit in Fransen war.

    ") SS wird jedoch im fünfzehnten Jahrhundert noch ein beson< .es Hofgericht in Berlin erwähnt, worunter wohl «m mlttelmLrkischeS Provinzialgericht gemeint ist, welches etwa erkannte wenn der Chursürst und das Kammergericht sich in ?^n» genmind« befand. S Bd. 1. r>. 176.

    ) DaS Hofgericht (Landgericht) im Lande Sternberg, Lebus, Stolp, der Hauptmann in Crossen, Cottbus u. s. w. waren auch eigne Gericht-barkeiten.

    f) Siehe o«Z. Sö.

    ff) 3>n Jahr 1468 bestellte der Churf. einen solchen, der besonders gegen die Eingriff« fremder Gerichte (der Ve^n und geistlichen Gerichte) machen sollte. S. Bd. 1. xog. 23/.

    121

    derselben trug, erst bei dem Ausbleiben im dritten Termine wurde cotttumazirt *), woher eS sich im »eueren Prozeß erhalten hat, daß die ersten Jnstructicnstermine leichter verlegt werden. Bisweilen fetzte man auch noch einen vierten peremtorischen Termin an und bei Verfestigungen") scheint dies Regel gewesen zu sein. Konnte der Beklagte in dessen nachweisen, daß ein gesetzlicher Entschuldigungsgrund (ehafte Noth) ihm zur Seite stehe, was er durch feinen Eid beweisen mußte z, B. daß er im Herrndienst abwesend gewesen sei, so wurde er iu integrum restituirt und zur dritten Klage wieder zugelassen.

    Tas gerichtliche Verfahren selbst mar regelmäßig mündlich, indem die Fürredner in vier Sätze», Klage oder Zusprach, Antwort, Rede und Widerrede gegen einander auftraten und öfters wird sogar bemerkt, daß viel Hin- und Widerreden der Parihcien statt gefunden habe. Ob die Instruction mit besondern Feierlichkeiten geschah, darüber ist leider nichts ausbehalten und nur so viel gewiß, daß das Urthcil der Richter auf Fragen der Parthcien erfolgte und eine solche Frage zweckmäßig zu stellen mag die Hauptkunst eines geschickten Redners gewesen sei». Verlangt« der Be klagte einen besonder» Termin um sich zu verantworten, so wurde ihm ein Eid abgefordert, daß er es nicht aus Chikane thue, sondern um sich Raths zu erholen. Eine Niederschreibung der Verhandlungen fand nicht statt, es wurde nur der Inhalt derselben etwa kurz im Erkenntniß bemerkt und wenn ein Termin erstreckt wurde, gab man beiden Partheie» s. g. ausgeschnittene Zettel, deren Aneinanderhalten die Authentizität auf eine sehr einfache Art belegte"*). Wichtige Sachen, welche durch mündliche Verhandlung nicht zu überwältigen waren, verivieS das Gericht durch ein Jnterlocut zum förmlichen schriftlichen Rezessiren. Jede Parthei übergab dann, in Fristen von 1ä Tagen bis 6 Wochen, zwei Schriftsätze der Kanzlei des Gerichts, welche dem Gegentheil in Abschrift mitgetheilt wurden und schon als Ne- plication, Duplication und Triplication bezeichnet werden. Von Privatprozessen sind mir solche noch vorhandene Schrift sätze aus dieser Zeit nicht bekannt, die Duplick aber, welche der Bischof von Brandenburg für den Churfürste» in der Magdeburger Lehnstreitigkeit übergab f) beweiset, daß dabei viel Gesetze angeführt und überhaupt alle Advocatenkünste angewendet wurden. Sehr gewöhnlich war es, die Instruction des Prozesses ganz oder zu», Thcil an eine Co in Mis sion zu verweisen, z. B. die Partheien anzuweisen, die Schriftsätze dem Hauptmann zu Crossen u. s. w. einzureichen, welcher sie dann in die Kanzlei des KammcrgcrichtS beförderte und die Partheien zur Öffnung des Urtheils wieder vor das Kammergericht beschied. Sehr häufig, zumahl bei Familienstreitigkeitcn, wurden auch zwei Näthe als Commissarien zum Versuch der Sühne bestellt und in der TKat auf diefe Art, zumahl durch Localtermine, sehr viel Prozesse verglichen. Endlich geschah auch die Beweisführung häufig vor einem Commissarius z. B. den Hofrichtern in Prenzlau, in, Lande Sternberg u. s. w.

    Sobald der Prozeß begann wurde „das Recht geöffnet und die That verboten", das heißt alle Vesitzstörung untersagt, deren sich zu enthalten die Partheien an Eidesstatt zusagten, oder man regulirte auch wohl durch einen Com- missar ein förmliches Jnteremisticum. Das erste war dann, daß der Beklagte eine eidliche Gewähr vom Kläger for derte, in welcher leßtrer versprach, daß der Beklagte nicht nochmals wegen desselben Gegenstandes in Anspruch genom men werden solle. .Auch war eine Folge der Gewähr, daß der Kläger nun nicht mehr seine .Klage ändern (bessern) konnte ff). Hierauf begann der Prozeß zunächst mit den Vorfragen z. B. wer die Nolle des Klägers (Vorklage) zu ubernehmen habe, worauf denn zur Erörterung der Hauptsache übergegangen wurde f-ss). Urkunden, als Beweise, wurden

    ') ES war dies allgemein Regel im deutschen Prozeß. Di« Tageszeit bis zu der gewartet werden mußte, war wie noch jetzt die Mittagsstunde, wo die Sonne zu sinken begann (Bd. 1. n. i?U,) Der Beklagte wurde dann laut aufgerufen, wie dies noch gegenwärtig bei dem Stadtgericht zu Berlin üblich ist.

    «) S, Band 1, >,sz. 175.

    Ich besitze folche ausgeschnittene Zettel. Ein ähnliches tritt wohl noch bei unfern jetzigen lettre« au porteur ein.

    f) im städtischen Archive zu Salzwcdel. S. Ledebur Archiv 5, i>. 312.

    ff) Siehe den Sachsenspiegel, welcher überhaupt mit dem Inhalt des nachfolg. Gerichtsbuches verglichen werden muß.

    fff) Ob in älterer Zeit jeder Klageantrag auf «ine bestimmte ScbadcnSsumme in Gelde gerichtet sein mußte, wie dieS noch jetzt die englische Prozeßform erfordert »nd für Deutschland die alten Gerichlsprotokolle deö Landgerichts des Burg- grafihums Nürnberg ergeben? —

    ll. Bd. > l 16 ) .

    122

    gleich mit verlesen und darauf sodann öfters sogleich ein definitives Erkenntmß gesprochen, ordentlicherweist aber wurde, wo eS überall erforderlich schien und der Streit sich nicht bloß um Rechtsätze drehte, nach der Instruction erst ein Be- weiserke»»tniß abgefaßt, welches ein iiothwendiges Erforderniß einer jeden ordentlichen Prozeßform ist. In diesem Erkenntmß, welches schriftlich abgefaßt wurde, ward bestimmt was bewiesen werden müsse, wer es zu beweisen (nach« zubringen) habe und wie der Beweis geführt werden solle. Die BeweiSregeln waren im altdeutschen Prozeß viel künstlicher als jetzt, wo alles ziemlich auf richterlichem srkitriura beruht, wahrend damals genaue Regeln eintraten, welche Parthei „näher" sei, einen nothwendigen Eid abzuleisten, wie viel Eidhelfer oder Zeugen sein und welchem Stande sie «"gehören müftm u. s w. In der aus dem Sachsenspiegel :c. und durch die Praxis zu erlernenden Kennt» niß dieser BeweiSregeln lag damals hauptsächlich die mehrere oder mindere Geschicklichkeit eines Nichters, das materiell« Recht war im Volke und unter den Beteiligten verbreitet genug. Im Bewciserkenntniß wurde der Termin ausgedrückt, innerhalb dessen der Beweis geführt «erden sollte, meist ein unbestimmter Termin von dreimal vierzehn Tagen und drei Tagen; eine Frist, welche sich noch aus dem Heidenthum (dem Mondswechsel) herschrcibt. Der Beweisführeude selbst mußte dann dem Gegner den Tag, an dem er den Beweis vor dem Commissar des Gerichts führe» wolle, acht Tage zuvor anzeigen (verboten), damit er sich dazu einsinden könne. Die Beweisführung selbst geschah 1) durch den rich terlichen Augenschein z. B. bei Grenzstreitt'gkeiten, wo die Grenze durch zwei Rathe aus dem Kammergericht mit den Angesessenen, als Zeugen, begangen wurde. 2) durch Urkunden. Waren diese in glaublicher Form (mit dem Siegel) ausgestellt, so galt kein Gegenbeweis, sonst aber hatten mündliche Verträge volle Kraft, konnten jedoch durch einen Eid widerlegt werden. Hypotheken wurden, da außergerichtliche Pfandverschreibungen nicht galten, in Städten durch die Stadtbücher, bei Lehnen durch das Landbuch oder die Lehnregister bewiesen, welche die Co»sense des Lehnhcrrn enthielten*). Es kommen auch EditionSeide vor und streitige Lehnbricfe wurden deponirt. 3) Beweis durch Zeugen oder lebende Kuntschaft. Gewöhnlicherweise genügten zwei Zeugen, welche nicht im Bann sein durften und vor der Eidesleistung bei ihrer Seelen Secligkeit zur Wahrheit ermahnt wurden. Die Eidesformel war der jetzigen, welche sich aus einer sehr alten Zeit herschreibt, fast völlig gleich. Machte der Gegentheil Einwendungen gegen die Unpartheilichkeit der Zeugen, so mußte er ein jursruelltum oslumnise ableisten, ehe die Einwendungen untersucht wurden. Die Aussage der Zeugen schrieb man flüchtig auf einen Zettel nieder, um darauf bei dem Erkenntnis, nachher zu fußen, weshalb nur wenige Zeugenverhöre aufbewahrt sind. Zu manchen Beweisen gehörte, wie schon bemerkt ist, eine gewisse Zahl oder eine bestimmte Eigenschaft der Zeugen. Verloren gegangene gerichtliche Urkunden oder Gerichtshändel siberhaupt wurden durch Richter und Schöppen bewiesen; die Lehneigenschaft eines Grundstücks konnte, wenn der Lehnbrief (Für, stenbrief) darüber verloren gegangen war, nur durch zwei Vasallen bewiesen werden, während den Besitzstand (Ge währ) daran sieben unverläumdete Männer jeden Standes, altzesessene Bauern u. s. w. bezeugen konnten. Überhaupt fließen die Zeugen in vielen Fällen mit Eidhelfern zusammen. — 4) Bei dem Beweise durch den Eid ist besonders zu bemerken, daß es zugeschobene Eide im heutigen Sinne nicht gab **). Statt dessen wird eine besondere Prozeßform er wähnt, nach welcher der Kläger den Beklagten auf Ja oder Nein befragte, ob der Inhalt der Klage richtig sei. Ver neinte der Beklagte, so mußte er dem Nein eine Folge thun, d. h. die Klage eidlich von sich ablehnen. Gewöhnlicher waren nothwendige Eide, welche im Erkenntnis; einem Theile auferlegt und darinn öfters sogleich vollständig normirr wurde». Bei diesen Eiden kommt denn auch noch das uralt deutsche Institut der Eidhelfer***) vor, welche bezeugen mußten, daß der Eid des Schwörenden rein und nicht mein sei. So schworen zwei Genossen als Eidhelfer, wenn ein

    ') Siehe v. Ledebur Archiv 8. p. 148.

    «) Siehe Möhler Gesch. der Rechtspflege 1790 p. 129.

    Eidhelfer wurden aus der Familie oder Genossenschaft (covjurntio, siehe Wilda Gildenwesen r>«g. 57.) deS Schwö renden entnommen, dieselben Personen, welch« verpflichtet waren, eine Fehde für den Beleidigten zu übernehmen, wenn sie solche für gerecht hielten. Wer keine Eidhelfer fand, also Niemanden der für ihn mit einstehen wollte, konnte nur durch Zwei kampf seine Unschuld beweisen. Überhaupt war die altdeutsche Justiz mehr auf «ine allgemeine Ansässigkeit berechnet (daher die vielen Geldstrafen) während heut zu Tage die Polizei fast wichtiger ist als die Justiz.

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    Vasall die Anschuldigung eines Raubes von sich ablehnteMit sechs Eidhelfcrn schwor Dietrich von Ouitzow, daß die Stadt Berlin mit ihn: einen Frieden eingegangen sei ") und mit eben so viel Zeugen wurde der Beweis der Cessio» emcr Fordrung zu todter Hand geführt *"). Mit zwei Vasallen und Mitgenossen beschwer Otto von Hacke im Jahr 1437 daß er in ein Lehn zur gesammten Ha»d aufgenommen worden sei, wobei unS zugleich die Eidesformeln aufbe wahrt sind, nach denen die Eidcshelfer ihren Schwur ableisteten 1). Stadtgemeinde» leisteten übrigens einen Eid durch einen Burgemeistcr, zwei Rathmänner und vier aus der Gemeinde; Bauergemeinde» durch den Schulzen und sechs Bauern, Nonnenklöster durch den Probst, die Äbtissin und die ältesten Nonnen, endlich eine Kirchgemeinde durch den Kirchvatcr und zwei s. g. Kirchenbitter oder Kirchenvorsteher.

    Wenn der Beweis geführt war, wurde das Schlusicrkenntniß verfaßt, darin in Kürze die Anführungen der Partheien aufgenommen und das Urtheil meist ohne Anführung von Gründen ausgesprochen. Das Erkciintniß wurde zunächst im Namen der Räche, die <S gesprochen, aufgesetzt (erkennen die Räthe u. s. w) sodann abcr, wenn der Churfürst davon Kenntniß nahm, in dessen Namen dergestalt ausgefertigt, daß es in eine BestäiiguiigSurkunde desselben tingerückt wurde. Die noch heute übliche Schlußformel: von Recht« wegen, findet sich schon angewendet 1f) und es wurde dem Theil, der es begehrte, Abschrift des Urtheils aus der Kanzlei gegeben, sonst aber die Urtheile hintcreinan- derweg in ein Gerichtsbuch eingetragen davon eines hier nachstehend großtentheils sich abgedruckt findet. Wer diese Ur, theile durchliefet und Sachverständiger ist wird gewiß die große Präcision und, bei aller Kürze, verständliche Klarheit, mit der diese alten brandenburgischen Juristen sich auszudrücken wußten, bewundern und in der Weitschweifigkeit und Verworrenheit heutiger Acten einen auffallenden Gegensatz bemerke».

    Nachdem das Urtheil ergangen war, wurde auf Befragen des Obsiegenden oft noch besonders über die Er pensen (Kosten, Zehrung, Mühe und Arbeit) entschieden und solche auch wohl gegen einander aufgehoben (compensirt). Gczen das Erkenntnis! aber konnte (eS wäre denn die Partheie» hätten die Entscheidung der Sache durch ein Com pro miß auf das Gericht „gesetzt") ordentlicherweise appellirt werden Hf). In diesem Falle bat der Procurator des un terliegenden TheilS um zehntägige Frist zur Einbringung der Appellation (oder, wie sie auch heißt, Läuterung), welche ihm zuerkannt wurde. Die Instruction der AppellationSinstanz geschah durch Schriftsäße und das Urtheil spraHcn wohl (uer rooüum »uvnliostion«) andre Räthe des Kammergerichts als die, welche das erste Erkenntniß geschöpft hat ten. Von den Untergerichten, zumal den Stadtgerichten ging ferner „billig" (wie eS heißt) die Berufung an den Chur- fürsten, als Landefürsten und höchsten Richter. Das Kammergericht bestätigte das Erkenntniß des Untergerichts oder er kannte abändernd z. B. noch auf einen Eid. Es findet sich, daß der Unterrichter dabei zur Rechtfertigung seines Erkennt nisses mit vorgeladen wurde, wie dies in Holstein noch jetzt üblich ist. Beschwerte sich aber sonst jemand über das Ver fahren eines UnterrichterS, so wurde die Sache so behandelt, als ob der Nichter persönlich verklagt wäre und förmlich darüber erkannt.

    Im Erkenntniß war ein« Frist ausgedrückt, in welcher es erfüllt werden sollte, wie noch jetzt üblich ist. Ge schah die Erfüllung nicht, so schritt der Landreuter zur Pfändung und die im Gerichtsbuch registrirte Pfandordnung fs^-f) ergibt, daß die Execution fast ganz in der Art erfolgte, wie es der Sachsenspiegel vorschreibt. Abgexfändete bewegliche Sachen konnte der Schuldner noch in einer gewissen Frist einlösen, in das unbewegliche Gut wurde der Gläubiger im- mittirt, eS konnte der Schuldner das Grundstück jedoch noch innerhalb dreier ächker Dingtage (also binnen einem Jahre)

    ') Siehe Urk. I»a. 146. Von einer ehrlichen erlaubten Zchde dagegen Kr«. 71. ") Bd. 1. i>sF. 84. «') Bd, 1. Pag. 83. -s) Bd, 1 p. 93.

    1^) Wie auch das bekannt« sclum ut «ii^rs der heutigen Protokolle. M) Welches noch: schelten, strafen hieß Bd. 1 n. SS. 5fff) «ro. 141. S. auch Bd. 1. p. SS.

    12ä

    einlösen, nach Verlauf derselben wurde es aber dem Gläubiger definitiv zugeschlagen '), denn man überließ es dem Schuld- ner selbst, sich nach einen, Käufer umzusehen, der eS etwa zu bessern Bedingungen vom Gläubiger einlösen wollte. AuS dieser Vorschrift, daß ein Grundstück, ehe jemand desselben gänzlich entsetzt werden könne, an den drei ächten Dingtagen zur Einlösung aufgeboten «erden müsse, sind die heut zu Tage üblichen drei Subhastationstermine entstanden, welche nur auf geschichtlichem Wege begreiflich werden. Es findet sich auch ein Beispiel eines Prioritätsstreites bei der Execution; es wurde nemlich erkannt, daß der Erbzinsherr vor dem immittirten Gläubiger (der einen „Frieden" am Gute erworben hatte) dergestalt bevorzugt sei, daß er nur den Überschuß, der nach Abzug des verfallenen ErbzinscS von dem Erlös der Pfänder übrig bleibe, herauszugeben brauche. Eigentliche Concurse kamen wohl erst mit den, sechSzehnten Jahrhundert, dem neu entstandenen Geldverkehr und steigenden persönlichen Credit, vor; der Verfasser dieses Aufsatzes hat wenigstens in den älteren Acten die Concurse nicht höher, als bis in die zweite Hälft« des sechszehnten Jahrhunderts verfolgen können, wo das ConcurSverfahren darin bestaub, daß alle Gläubiger vor einem CommissariuS des Kammergerichts zusammenberufen und, meist in Güte, eine Rangordnung zur Befriedigung unter ihnen regulirt wurde oder auch die Gläubiger von Agnaten, von dem Churfürsten als Lehnherrn u. s. w. abgefunden worden sind.

    Auch für das materielle Recht, das Lehn- und Civilrechr des fünfzehnten Jahrhunderts, sind die nachfol genden Urtheile von vielem Nutzen, eS muß jedoch in dieser Hinsicht lediglich auf den Inhalt und eigne Lesung derselben verwiesen werden.

    Mit dem uralten Symbol des Kreuzes, welches auf das Haus gesteckt wurde. Siehe z. B. die alle Anclamsche Gerichtsordnung, bei Hacken Gesch. von CoSlin.

     
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