useridguestuseridguestuseridguestERRORuseridguestuseridguestuseridguestuseridguestuseridguest
Charter: Illuminierte Urkunden 1461-06-16_Wien
Signature: 1461-06-16_Wien
Zoom image:
Add bookmark
1461-06-16, Wien
Bessarion, Kardinalbischof von Tusculum (Bessarion episcopus Thusculanensis), üblicherweise Kardinal von Nicaea genannt, päpstlicher Legat für Deutschland und allen dem Reich untergebenen Gebieten, gewährt auf Bitten des Ritters Johannes Dachsenbeck und seiner Ehefrau Dorothea (nobilis viri et militis Johannes Dachssenpekch et Dorothee eius uxoris) in Wien, Diözese Passau, allen, die die Kirche zum Hl. Vitus in Bisamberg (ecclesia sancti Viti sitam sub Pusenberg [= Klein-Engersdorf]) an verschiedenen Festtagen und am Tag der Kirchweih besuchen nach Verrichtung des Vater unser und Gegrüsst seist du Maria zugunsten des Dachsenbeck und seiner Frau oder materielle Gaben der Kirche zuwenden, einen Ablass von 100 Tagen (Kardinaleinzelablass).
(Werner Maleczek)
Source Regest: Bearbeitungsstand: HOCH
 

Original
Current repository
Wien, Archiv des Schottenstifts, 01.Urk 1461-06-16 (alt: Scr. 34 Nr. 4)

Material: Pergament


    Graphics: 






      x
      • Materielle Beschreibung: 
        Der Name des Ausstellers in Zierschrift, die Lombarden-Formen weiterentwickelt, stark vergrösserte Initiale B(essarion) mit kleinteilig ausgesparten Rankenmotiven und fein gezeichnetem Filigran im Binnenfeld, das zwei bunt gemalte Wappen umgibt. Graphischer Dekor, vor allem im Bereich des Besatzes deutlich als Fleuronnée ausgestaltet, tritt als Besatz bei der Initiale auf, weiters als Fadenfortsätze unterhalb und rechts der Initiale und als Hinterblendung der Zierschrift. Vor allem die Besatzmedaillons entsprechen dem formalen Kanon des Fleuronnée während die graphischen Fortsätze mit den stark pflanzlichen Motiven andere Traditionen rezipiert. Bemerkenswert sind die zoomorphen Motive: zwischen den Bögen der B-Initiale ein Drachenkopf, aus dessen Maul Fadenfortsätze entspringen. Ein Schreitvogel befindet sich rechts eines Blattmedaillons in der Mitte des oberen Randbereiches. In der ersten Zeile cadellenartig verzierte Buchstaben (Oberlängen) mit einer Profilmaske mit langen Eselsohren mit zwei Narrenschellen bzw. mit einem Drachenkopf sowie eine Lombarde M(iseratione) mit Aussparungen wie bei der Initiale und der Zierschrift.
      • Stil und Einordnung: 

        Legatenurkunden und ihr Dekor
        Der Ablassbrief des apostolischen Legaten Bessarion ist ganz ungewöhnlich reich ausgestattet. Derzeit ist kein vergleichbares Stück bekannt, weder in Bezug auf den graphischen Dekor noch in Bezug auf die gemalten Wappen.
        Vergleiche eine (kurze) Zusammenstellung (17 Nachweise zu digital einsehbaren Originalausfertigungen) bei https://mittelalter.hypotheses.org/21591: Philipp Laumer. Digital Humanities, kuriale Diplomatik und Repertorien (1431-1471): V: Gesandte und Legaten (2019).
        Zu von dem hier tätigen Skriptor, E. Oldoynus, mundierten, jeweils ganz unauffälligen Urkunden siehe unten. Trotzdem ist sehr wahrscheinlich, das der Skriptor auch für die Zierschrift und die Majuskeln im Text verantwortlich ist. Dafür sprechen, als charakteristische Details, die unteren Schaftenden bei A, R und N, die ein gleichschenkeliges Dreieck aussparen, und das extrem schmale unziale E. Wenn diese Elemente vom Skriptor stammen, dann wird ihm auch den hochwertigen graphischen Dekor zuzuordnen sein.
      • Eine gewichtige Ausnahme in Bezug auf die Einfachheit der Ausstattung von Legaten-Urkunden bildet eine Stück, das Kardinal Angelo Capranica 1463 März 10 für Meneghino de Some(n)tis, Buffone di Palazzo (Hofnarr), in Bologna ausstellte (Link; vgl. Francesco Malaguzzi Valeri, Le pergamene, i codici miniati e i disegni del R. Archivio di Stato di Bologna, in: Atti e memorie della R. Deputazione di Storia Patria per le Provincie di Romagna, Ser. 3, Bd. 16 (Bologna 1898), S. 52-128, bes. S. 100, Nr. 72). Über dem Ausstellernamen in Zierschrift (im A ein gezeichneter Kopf) befinden sich drei gemalte Wappen: jenes des Ausstellers, überhöht von einem Kardinalshut, jenes von Papst Pius II. (Piccolomini), überhöht von gekreuzten Schlüsseln und Tiara, und das gevierte von Bologna. So auffallend die Verwendung von gemalten Wappen in zwei beinahe gleichzeitig ausgestellten Legatenurkunden auch sein mag, der künstlerische Anspruch ist bei dem Bologneser Stück insgesamt deutlich geringer.
        Dass bei der hier behandelten Urkunde eine Oberlänge der ersten Zeile mit einer Profilmaske eines Narren dekoriert ist und dass die Urkunden von 1463 für einen Hofnarren ausgestellt wurde, muss - so erstaunlich das ist - Zufall sein.
      • Während eine Legatenurkunde von 1448 März 7 nur farbige Lombarden aufweist und hier bloss erwähnt wird, weil auch sie in Wien ausgestellt wurde, fällt ein Stück des Pierre de Foix von 1457 vollkommen aus dem Rahmen. Der Kardinal stellt es als Legatus a latere in Avignon und Erzbischof von Arles aus, der Empfänger ist jedoch ein von ihm selbst gegründetes Collegium (Collège de Foix) in Toulouse (Toulouse, Archives départementales de la Haute-Garonne, 3 D 6: Link). Der Dekor ist figürlich und entspricht dem Niveau der zeitgleichen französischen Buchmalerei und zeigt keinerlei Bezüge zu Produkten der päpstlichen Kanzlei.
        Für den hier behandelten Zusammenhang noch wichtiger ist jedoch ein Ablass den Kardinal Zbigniew Olesnicki, Bischof von Krakau 1449 Oktober 23 gewährte. Eine Miniatur (an der Stelle die üblicherweise die Initiale beherbergt) zeigt unter anderem neben einem thronenden Papst den Aussteller als Kardinal mit seinem Wappen.
      • Graphischer Dekor
        Der graphische Dekor nimmt sich päpstliche Litterae cum filo serico zum Vorbild, bei denen wenige vergleichbar reichen graphischen Dekor zeigen. Freilich sind solche üppig dekorierten Stücke nach ca. 1450 (fast) nicht mehr nachweisbar (zu einer Ausnahme siehe unten) und treten erst wieder unter Sixtus IV. auf. Ohne Parallele in diesem Bereich sind jedoch die zoomorphen bzw. anthropomorphen Elemente, die das Ornament bereichern.

        Die gemalten Wappen
        Farbig gemalte Wappen sind auf Urkunden der Kurie mit Ausnahme von zwei Stücken Papst Eugens IV. für Philipp von Burgund (siehe 1439 Juli 6 [Griechenunion] und 1442 Februar 4 [Koptenunion]) bisher meines bescheidnen Wissens nach nicht zu benennen. Nach 1461, dem Entstehungsjahr der hier behandelten Urkunde, ist die oben genannte Legatenurkunde von 1463, sowie ein Ablass Pauls II. für die Klarissen in Brixen zu benennen (1465 Jänner 30), der das Papstwappen im Binnenfeld zeigt. Diese Urkunde weist zudem auch üppigen graphischen Dekor auf, ist jedoch farblos.
      • Das heraldisch rechts angebrachte Wappen (gespalten, oben rote Mondsichel in Silber, unten blau) gehört den Herren von Hagenbrunn, den Rittern Dachsenbeck (J. Siebmachers Wappenbuch, Niederösterreichischer Adel 1, Teil A-R (Nürnberg 1909), S. 62, T. 32). In veränderter Form lebt es im Gemeindewappen von Hagenbrunn weiter.
        Das heraldisch links angebrachte Wappen (drei schräg rechts gerichtete rote Muscheln in Silber) gehört der Famile Neudegg zu Rastenberg zu (Siebmacher, wie oben, S, 314f. und Tafel 39 [nach Ausgabe von 1605]) . Die Wappen beziehen sich demnach auf die in der Urkunde benannten Johannes (Hanns) Dachsenbeck und Dorothea, geborene Neudegg zu Rastenberg (siehe auch unten).
      • Warum wurde gerade diese Urkunde so reich ausgestattet?
        Die vielen präsentierten Informationen haben keinen schlüssigen Weg gewiesen, die Dekoration zu erklären.

        Dass der Legat eine Schuld (finanziell oder anderer Art) abtragen wollte, und sich daher einer illuminierten Urkunde (statt einer üblich ausgestatteten) bediente, um diesen an sich ganz üblichen Ablass auszustellen, ist durchaus möglich. Bloss gibt es keinerlei Hinweise, dass er sich davor dieses Mittels bedient hätte. Wenn der Schreiber, der wohl auch für den Dekor verantwortlich ist, tatsächlich zu Bessarions Entourage gehörte (siehe unten), dann fragt sich, was dieser sonst tat. Hier sind - etwa mit der (bisher erfolglosen) Einbeziehung von Handschriften aus Bessarions Besitz - neue Erkenntnisse möglich.

        Dass ein Impetrator eines Ablasses nicht nur die Kirche, für die der Ablass bestimmt war, sondern auch sich selbst in Szene setzen wollte, ist Allgemeinwissen. Darstellungen von Petenten können bei den Avignoner Bischofsammelablässen in reicher Zahl gefunden werden (siehe bei https://www.monasterium.net/mom/index/IllUrkGlossar/DerPetent [Gabriele Bartz]). Die Kombination mit einem Wappen ist jedoch nicht häufig: vgl. 1345 April 3.
        Bei Kardinalsammelablässen sind Wappen häufig: schon auf dem Konstanzer Konzil wird ein Ablass für Mainz ausgestellt, bei dem der Empfänger, der Mainzer Erzbischof, mit Wappen dargestellt ist (1418 Jänner 5). Das nächste derzeit (2020) bekannte Stück datiert von 1468 Mai 13, ist also bereits jünger als das hier behandelte Stück, befindet sich in Silos und wurde von Veronica dell'Agostino entdeckt. Dann folgt eine dichte Überlieferung beginnend mit 1474 Februar 20 (ein Urkundenplakat) und mit 1484 Juni 22).
        Die Vorbilder für das Phänomen, dass der Empfänger heraldisch betont wird, sind sowohl im Bereich der Papsturkunde als auch bei Ablässen im allgemeinen sehr dünn gesät und bis auf zwei Fälle zudem später als das bemerkenswerte Stück, das hier bespochen wird. Ob der Ritter Johannes Dachsenpeck und seiner Frau Dorothea, geborene Neudegg zu Rastenberg, deren Wappen dargestellt sind, ein so herausragendes Stück eingefordert haben?

        Es bleiben, trotz der vielen Worte, die wichtigsten Fragen unbeantwortet.
      • Martin Roland
      x
      Bibliography

      Comment

      Scriptor: E. Oldoynus
      Unter der Plica links: Thomas de Fano. Zu diesem siehe Meuthen, Itinerar, 1957, S. 331f. (in Anm. 27), und Uiblein, Wiener Universität zur Zeit Regiomontans (1980/1999), S. 438 (in Anm. 130).
      Der Skriptor Oldoynus, dessen kuriale Minuskel in Richtung der päpstlichen Kanzlei weist, ist bei Frenz, Conspectus, nicht nachweisbar jedoch als Begleiter auf der Legationsreise des Bessarion durch zwei weitere Urkunden (ohne höherrangigen Dekor) bezeugt: 1460 März 10, Nürnberg: https://books.google.at/books?id=7rVOAAAAcAAJ=RA1-PA190 (Volltext), Abb. und Eintrag in die Archivdatenbank, sowie 1461 Mai 20. Schon Uiblein, Wiener Universität zur Zeit Regiomontans [1980/1999], S. 438, in Anm. 130, hat auf die beiden Vermerke hingewiesen, die auch auf der hier behandelten Urkunde vorkommen).
      E. Oldoynus ist ein überaus versierter Skriptor. Dies belegt auch die zweite von ihm in Wien mundierte Urkunde (siehe oben). Es könnte sich um Egidius (Aegidius) Oldynus aus Cremona handeln, der Jurist Petrus Oldoynus könnte ein Verwandter sein (Hinweis Andreas Zajic).
      Zur Legationsreise Bessarions - er weilte dabei vom 4. Mai 1460 bis zum 8. September 1461 in Wien - siehe: Meuthen, Itinerar, 1957, S. 332f., Uiblein, Wiener Universität zur Zeit Regiomontans (1980/1999), S. 428-442, und Claudia Märtl, Kardinal Bessarion als Legat im Deutschen Reich (1460/1461), in: Claudia Märtl u. a. (Hrsg.): Inter graecos latinissimus, inter latinos graecissimus. Bessarion zwischen den Kulturen, Berlin 2013, S. 123-166.
      Philipp Laumer, Gesandte und Legaten (Claudia Märtl [u. a.], Digital Humanities, kuriale Diplomatik und Repertorien [1431-1471] V): https://mittelalter.hypotheses.org/21591, hat eine Liste von 44 Links zu digital verfügbaren Urkunden Bessarions zusammengestellt, die während dieser Reise ausgestellt wurden. Keine enthält einen Vermerk des E. Oldoynus.
      Auch in den Registern zu Bessarions Legation (Rom, Città del Vaticano, Archivio segreto Vaticano, Arm. 35,134 und Arm. 35,135 sowie Arm. 34,7), die im Repertorium Germanicum (http://www.romana-repertoria.net/993.html) eingearbeitet sind, findet sich kein Hinweis auf die hier vorliegende Urkunde (vgl. Märtl, S. 9-14). In einer
      Das genannte Ehepaar, Johannes (Hannsen) Dachsenbeck (Dexenbeck, Dachsenpeck), Herr zu Hagenbrunn (siehe oben), und Dorothea Tochter des Georg Neudegg (Neidegg, Niedegg, Niedeck, Neudeck, Neideck[er]) von Rastenberg, wird zwar als aus Wien stammend bezeichnet, ihr Familienbegräbnis befindet sich jedoch in der Pfarrkirche, die den Ablass erhielt, und sie besassen den nahegelegenen Freihof in Hagenbrunn. Zu den beiden vergleiche Franz Karl Wissgrill, Schauplatz des landsässigen niederösterreichischen Adels (...), Bd. 2, Wien 1795, S. 189.
      Der Ablass wurde für die dem hl. Vitus (Veit) geweihte Pfarrkirche Klein Engersdorf, nordlich von Wien, ausgestellt, die zum Wiener Schottenkloster gehört.
      Martin Roland
      Places
      • HRR
        • Type: Region
      • Wien
        • Österreich
          • Type: Region
         
        Keywords
        • Illuminated Charters: Niveaus:
          • N1: Coat of arms
          • N1: drawn
          • N1: painted
          • N1: historiated
          • N1: with Additional Colours
          • N2: Display script (with decorative character)
          • N2: Penwork(Fleuronnée)
        • Illurk-Urkundenart:
          • Kardinaleinzelablass
        x
        There are no annotations available for this image!
        The annotation you selected is not linked to a markup element!
        Related to:
        Content:
        Additional Description:
        A click on the button »Show annotation« displays all annotations on the selected charter image. Afterwards you are able to click on single annotations to display their metadata. A click on »Open Image Editor« opens the paleographical editor of the Image Tool.