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Charter: Urkundenbuch zum österreichisch evangelischen Kirchenrecht, ed. Kuzmány, 1855 (Google data)  CXXIII.
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Erlass des .Ministeriums des Cultus und Unterrichte vom
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Urkundenbuch zum österreichisch evangelischen Kirchenrecht, Nr. CXXIII. , S. 374

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    8. October 1850.

    die Organisation der k. k. evangelisch-theologischen Lehranstalt in Wien, das Studienwesen an derselben, und die Disciplinarordnung betreffend.

    Um die evangelisch-theologische Lehranstalt in Wien jener freieren Gestaltung theilhaftig zu machen, welche den Facultätsstudien an den österreichischen Universitäten mit Allerhöchster Entschliessung vom 11. October 1849 gewährt worden ist, und damit auch ihr die Ent- wickelung eines kräftigeren wissenschaftlichen Lebens möglich werde, wird in Folge Allerhöchster Entschliessung vom 3. 1. M. Nachstehendes verordnet:

    I. Von der akademischen Verfassung und der Leitung der

    Lehranstalt.

    §. 1. Die k. k. evangelisch - theologische Lehranstalt ist berufen, die evangelisch-theologische Wissenschaft zu pflegen, und die Candidaten des Predigeramtes für ihren Beruf vorzubereiten.

    Es finden auf dieselbe im Allgemeinen die für die Facultätsstudien an den österreichischen Universitäten erfliessenden Normen in soweit An wendung, als die Sonderstellung derselben es zulässt.

    §. 2. Die evangelisch-theologische Lehranstalt in Wien steht un mittelbar unter dem Ministerium des Cultus und Unterrichts, und wird von ihrem Lehrkörper geleitet.

    §. 3. Der leitende Lehrkörper besteht aus sämmtlichen Professoren, sie mögen als ordentliche oder ausserordentliche angestellt sein.

    §. 4. Privatdocenten können sich an der evangelisch-theologischen

    *) Uebor die jetzt bestehende Reihefolge der Vorlesungen siehe mein Kirchenrecht 8. 365, die Besoldungen der Profess. sind jetzt zu 2000, 1800 und 1500 fl.

    Anm. d. Herausg.

    Erlass des Ministeriums des Cultus und Unterrichts vom 8. October 1850. 375

    Lehranstalt nach den für die österreichischen Universitäten geltenden Vor schriften habilitiren.

    §. 5. Um die Interessen der Privatdocenten im leitenden Lehrkör per zu vertreten, haben zwei derselben in ihm Sitz und berathende Stimme in allen zu verhandelnden Angelegenheiten.

    Es müssen jedoch diese Privatdocenten bereits wenigstens durch zwei Semester an der Anstalt lehren. Sind der in solcher Weise zum Eintritte Befähigten mehr als zwei vorhanden, so wählen sämmtliche habilitirte Privatdocenten aus den zum Eintritte Befahigten jährlich ihre beiden Vertreter in den leitenden Lehrkörper.

    §. 6. Der leitende Lehrkörper wählt jährlich aus den ordentlichen Professoren seinen Vorstand, welcher den Namen „Decan" führt.

    Die Genehmigung der Wahl bleibt dem Ministerium des Cultus und Unterrichts vorbehalten.

    . Es ist gestattet, zu dieser Würde auch einen Mann zu wählen, welcher nicht mehr ordentlicher Professor dieser Lehranstalt ist, der es aber früher gewesen.

    An der Wahl sind auch die beiden Privatdocenten, welche im Lehrkörper sitzen, sich zu betheiligen berechtiget. Der Decan tritt an die Stelle des bisherigen Directors, dessen Würde erlischt.

    §. 7. Zur Giltigkeit der Wahl ist absolute Stimmenmehrheit erfor derlich; kommt sie bei zweimaligem Wählen nicht zu Stande, so wird zur engeren Wahl geschritten, auf welche diejenigen gesetzt werden, welche in der zweiten Wahl die höchste Stimmenzahl hatten, vorausge setzt, dass deren Mehrere waren. Fand dieser Fall nicht Statt, so kom men diejenigen, welche die beiden höchsten Stimmenzahlen hatten, auf die engere Wahl.

    Führt auch sie nach dreimaligem Wählen zu keinem Resultate, so entscheidet das Ministerium zwischen denjenigen, auf welche die engere Wahl sich bezogen hatte. Der abtretende Decan kann wieder gewählt werden.

    §. 8. Nur der abtretende Decan und solche Personen, welche nicht mehr ordentliche Professoren sind (§. 6), können die Wahl ohne Angabe von Gründen ablehnen, jedes andere Mitglied hat die Gründe seiner Ab lehnung anzugeben, über deren Unlässigkeit die Wählenden ohne Debatte abstimmen. Fällt die Abstimmung gegen den Ablehnenden aus, so kann er Berufung an das Ministerium einlegen, welches über die Zulässigkeit der Ablehnung definitiv entscheidet.

    §. 9. Wenn wegen Zerwürfnissen im Innern des Lehrkörpers, oder aus anderen Ursachen die Leitung der Anstalt durch den Lehrkörper die Interessen des Unterrichts ernstlich bedroht, so bleibt es dem Unter richtsministerium vorbehalten, auf bestimmte oder unbestimmte Zeit einen Decan aufzustellen, und mit den zur Leitung der Lehranstalt nöthigen, den Umständen angemessenen Vollmachten auszurüsten.

    §. 10. Die Wahl des Decans geschieht für jedes Studienjahr im letzten Monate des vorangehenden Studienjahres, sie ist mit den Wahl protokollen unverzüglich dem Ministerium des Unterrichts zur Bestätigung vorzulegen.

    Der Decan tritt, wenn er die Bestätigung erhalten hat, acht Tage

    /"'

    S76 Erlass des Ministeriums des Cultus und Unterrichts vom 8. October 1850.

    vor dem Beginne des neuen Studienjahres in Amtstätigkeit; bis zu sei nem Eintritte fungirt sein Vorgänger.

    §.11. In Verhinderungsfällen wird der Decan durch den Pro-Decan, dieser aber durch den im Amte ältesten ordentlichen Professor ersetzt.

    §. 12. Der Lehrkörper der evangelisch-theologischen Lehranstalt, welcher unter dem Decane sich regelmässig versammelt, oder von diesem ausserordentlich berufen wird, leitet unmittelbar alle Unterrichts- und Diseiplinarangelegenheiten der Anstalt, in soferne diese letzteren nicht ausdrücklich der Entscheidung des Ministeriums vorbehalten sind. Er hat darauf zu achten, dass die Lehrfächer genügend vertreten seien, und nöthigen Falls Anträge über die* Ausfüllung vorhandener Lücken an das Ministerium zu stellen. Er hat insbesondere das Vorleseverzeichniss für jeden Semester so zu ordnen, dass jeder Studirende, welcher die gesetz liche Zeit an der Lehranstalt zubringt, Gelegenheit habe, die sämmtlichen Hauptfächer und zwar bei Professoren zu hören.

    §. 13. Jeder Professor hat als Mitglied des Lehrkörpers die Pflicht, bei den Versammlungen desselben zu erscheinen oder sein Wegbleiben zu entschuldigen. Ueber die Zulässigkelt der angeführten Entschuldigungs gründe urtheilt der Lehrkörper ohne Debatte; das Urtheil wird im Proto kolle verzeichnet. Erscheint ein Professor in drei aufeinander folgenden Sitzungen nicht, ohne dass seine Abwesenheit dem Lehrkörper gerecht fertiget erscheint, oder bleibt er überhaupt häufig weg, so ist der Decan verpflichtet, ihn schriftlich zum Erscheinen aufzufordern, und wenn diess ohne Erfolg ist, dem Ministerium die Anzeige zu machen.

    §. 14. Zu einem giltigen Beschlusse ist die Anwesenheit von der Hälfte der Professor«», welche Mitglieder des Collegiums sind, nothwen- dig. Verhandlungsgegenstände; bei denen es sich um die Interessen eines bestimmten Lehrfaches handelt, sind dem betreffenden Professor zum Vor aus anzuzeigen.

    §. 15. Gegen das Ende eines jeden Studienjahres beruft der Decan sämmtliche Lehrer mit Einschluss aller Privatdocenten zu einer allgemei nen Versammlung, in welcher die Wünsche und Anträge aller Gegenwär tigen in Betreff des Unterrichts und der Disciplin vorzubringen und zu besprechen sind.

    Das Protokoll der Versammlung, über dessen Inhalt der leitende Lehrkörper in einer darauf folgenden Sitzung sein Gutachten abzugeben hat, wird mit diesem Gutachten an das Ministerium eingesendet.

    §. 16. Die Stellung des Decans zum Professorencollegium ist im Allgemeinen durch die bisherige Stellung des Directors bezeichnet. Ins besondere aber trägt der Decan zunächst die Verantwortung für die Voll ziehung aller die Anstalt betreffenden Gesetze und Verordnungen; er hat daher die Pflicht, diese Vollziehung zu beaufsichtigen, auf Mängel in der selben aufmerksam zu machen, sie zu rügen, und nöthigenfalls dem Mini sterium zur Kenntniss zu bringen.

    Glaubt er die Ausführung eines Beschlusses des Collegiums nicht verantworten zu können, so legt er den Fall dem Ministerium vor.

    Currente Geschäftsstücke und alle, welche nur einer einfachen An wendung bestehender Vorschriften in unzweifelhafter Weise bedürfen, er lediget er selbst, nad maebi darüber dem Professorencollegium in der

    Erlass des Ministeriums des Cultus und Unterrichts vom 8. October 1850. 377

    nächsten Sitzung Mittheilung; wo Gefahr am Verzuge ist, ordnet er selbst ständig an; leichtere Disciplinarfälle der Studirenden erledigt er durch Er mahnung oder Rüge.

    Es ist Sache des Lehrkörpers für seine Verhandlungen eine Ge schäftsordnung zu entwerfen, und dem Ministerium zur Bestätigung vor zulegen.

    §. 17. Dem Decan unterstehen die Diener und etwaigen Beamten der Lehranstalt.

    §. 1& Zweifel über den Wirkungskreis des Decans und des Lehr körpers sind an das Ministerium zu leiten.

    §. 19. Im Uebrigen bleiben die bisherigen Einrichtungen, so weit sie durch die gegenwärtigen Anordnungen nicht abgeändert werden, in Kraft.

    Es steht jedoch der evangelisch - theologischen Lehranstalt frei,, die Abänderung derjenigen, welche unpassend scheinen, zu beantragen.

    II. Von dem Studienwesen.

    §. 20. Die Hörer an der evangelisch - theologischen Lehranstalt sind immatriculirte oder ordentliche, und nicht immatriculirte oder ausseror dentliche Hörer.

    Niemand kann immatriculirt werden, der nicht die Bedingungen nachzuweisen vermag, welche erforderlich sind, um an, einer österreichi schen Universität immatriculirt zu werden.

    §. 21. Die Vorlesungen an der evangelisch - theologischen Lehran stalt werden künftig nach Semestern gcordnet, so dass mit jedem Semester ein selbstständiger Cyclus von Vorlesungen beginnt. Diess schliesst zwar nicht aus, dass Wissenschaften von grösserem Umfange in einem durch mehrere Semester fortlaufenden Curse gelesen werden; in diesem Falle ist aber dafür zu sorgen, dass in jedem Semester eine Hauptabtheilung des ganzen Gegenstandes abgeschlossen werde. Die Aufnahme in die Studien findet für jeden Semester Statt.

    §. 22. Die Aufnahme in das evangelisch-theologische Studium, mit welcher zugleich die Immatriculation verbunden ist, besorgt der Decan.

    Er ertheilt darüber dem Aufgenommenen einen Immatriculations- schein, oder auch einen interimistischen Aufnahmsschein.

    Diese Aufnahme hat bei jedem Studirenden stattzufinden, welcher nicht bereits im letztverflossenen Semester der Lehranstalt immatriculirt war, und durch Zeugnisse nachweisen kann, dass er Collegien derselben besucht habe.

    §. 23. Jeder immatriculirte Studirende hat für die Collegien, welche er zu hören wünscht, sich persönlich beim Docenten zu melden, sein Na tionale abzugeben, und durch den Immatriculationsschein oder durch Zeugnisse des letztverflossenen Semesters nachzuweisen, dass er in das evangelisch-theologische Studium aufgenommen ist.

    Das Nationale hat neben seinem gewöhnlichen Inhalte auch anzuge ben, im wie vielten Jahre der Studirende in dem evangelisch-theologischen Studium sich befindet.

    §. 24. Wer, ohne an der Lehranstalt immatriculirt zu sein, als ausserordentlicher Hörer ein Collegium zu hören wünscht, hat sich per

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    sönlich beim betreffenden Docenten zu melden und sein Nationale zu über geben.

    Er kann eingeschrieben werden, wenn er:

    1. wenigstens 16 Jahre alt ist;

    2. einen Grad geistiger Bildung besitzt, welcher den Besuch der Vorlesung fur ihn wünschenswerth und nutzbar erscheinen lässt;

    3. Wenn seine Aufnahme nicht der Benützung der Vorlesungen durch die immatriculirten Hörer hinderlich zu werden droht. Zweifel, welche über die Aufnahme ausserordentlicher Hörer entstehen, sind von dem Lehr körper zu entscheiden. Glaubt dieser nicht mit Sicherheit entscheiden zu können, so ist sich an das Ministerium zu wenden.

    §. 25. Am Schlusse des gesetzlichen Aufnahmstermines übersendet jeder Docent die Nationale der von ihm eingeschriebenen Hörer dem De- cane, welcher daraus zwei Hauptkataloge anfertigen lässt.

    I. Den Katalog der immatriculirten Hörer.

    Er kann ein einziges Verzeichniss bilden, oder in mehreren Abthei lungen die Hörer nach den Jahren, welche sie an der Lehranstalt bereits zugebracht haben, gesondert aufführen.

    Er enthält nebst den bisher üblichen Rubriken die Angabe, im wie vielten Jahre jeder Hörer bereits das evangelisch-theologische Studium betrieben, und die Aufzählung der Collegien, in welche dieser eingeschrie ben ist.

    Die Rubrik der Anmerkungen ist dazu bestimmt, dass in ihr bemerkt werde, ob gegen den Hörer eine Disciplinaruntersuchung gepflogen wor den , und mit welchem Erfolge, unter Hinweisung auf das etwa darüber geführte Protokoll, und ob und für welche Collegien ihm Besuchszeug nisse für den Semester verabfolgt oder ob ihm jedes Besuchszeugniss ver sagt worden sei.

    II. Der zweite Katalog der ausserordentlichen Hörer, d. i. Aller, welche der Anstalt nicht immatriculirt sind.

    Er kann als ein einziges Verzeichniss oder nach Lehrfächern abge sondert geführt werden, und enthält die bisher üblichen Rubriken mit be sonderer Bezeichnung des etwa gleichzeitig an der Wiener Universität ge machten Facultätsstudiums oder der sonstigen Beschäftigung der Hörer.

    In die Rubrik der Anmerkungen sind die Ausfolgung oder Verweige rung des Besuchszeugnisses, sowie etwa vorkommende Disciplinarstrafen eingetragen.

    §. 26. Diese Kataloge bilden die äussere Grundlage der Disciplinar- leitung der Hörer durch die Professoren und den Decan.

    §. 27. Die an der evangelisch-theologischen Lehranstalt Studirenden gemessen die Lernfreiheit, d. i. die Freiheit, die Fächer welche, die Zeit wann, und die Lehrer, bei welchen sie hören wollen, zu wählen.

    §. 28. Doch müssen diejenigen, welche sich für den Eintritt in das evangelische Predigeramt qualificiren wollen, sich über die Vollendung eines als ordentliche Hörer durch eine bestimmte Zeit gehörten theologi schen Curses über die gehörige Verwendung dieser an der Lehranstalt zu gebrachten Zeit, sowie über den Besuch aller für ihren künftigen Beruf nöthigen Hauptfächer auszuweisen im Stande sein.

    In so lange hierüber im ordentlichen Wege der kirchlichen Gesetz

    Erlass des Ministeriums des Cultus und Unterrichts vom 8. October 1850. 379

    gebung nichts festgesetzt worden ist, haben in jenen Kronländern, über welche sich die Wirksamkeit der beiden evangelischen Consistorien augs burger und helvetischer Confession in Wien erstreckt, folgende Bestim mungen zu gelten:

    §. 29. Die Zulassung zur Candidatur für das evangelische Prediger amt setzt den Ausweis über einen ordentlich gehörten theologischen Curs von 3 Jahren oder 6 Semestern voraus, von welchen mindestens 2 Jahre oder 4 Semester an der evangelisch-theologischen Lehranstalt in Wien zu gebracht worden sein müssen.

    §. 30. In diese Besuchszeit können nur jene Semester eingerechnet werden, in welchen der Immatriculirte zum mindesten 15 Stunden in der Woche frequentirt hat, von denen 12 Stunden den eigentlichen theologi schen Collegien gewidmet sein müssen, die anderen auch auf Collegien an anderen Facultäten, namentlich der philosophischen, verwendet werden können.

    §. 31. Die an einer auswärtigen Facultät oder an einer anderen inländischen evangelisch-theologischen Lehranstalt zugebrachte Zeit kann in keinem Falle länger als für Ein Jahr (§. 29) und in der Regel nur unter der Bedingung angerechnet werden, dass die dort zugebrachte Zeit auf die im vorigen Paragraphe angefuhrte Art verwendet worden ist.

    §. 32. Die Fächer, über deren ordentlichen Besuch während der Dauer des evangelisch - theologischen Studiums sich durch Besuchszeug nisse ausgewiesen werden muss, sind: Einleitung in die Schriften und Exegese des alten Bundes, Einleitung in die Schriften und Exegese des neuen Bundes, biblische Archäologie, Kirchengeschichte, Dogmatik und Symbolik, theologische Moral, Kirchenrecht, praktische Theologie (Homi letik, Katechetik, Liturgik im engeren Sinne).

    §. 33. Ausserdem muss zur Vervollständigung des im Gymnasium genossenen philosophisch-propädeutischen Unterrichts jedenfalls ein Colle- gium über Methaphysik, so wie über praktische (Moral- und Rechts-) Philosophie an der philosophischen Facultät ausgewiesen werden.

    §. 34. Es kann jedenfalls nur wünschenswerth sein und zur An empfehlung dienen, wenn neben diesen Hauptfächern auch die wichtigeren Nebenzweige der evangelischen Theologie, in so weit sie an der evan gelisch-theologischen Lehranstalt werden vertreten werden, nicht ver nachlässigt, so wie wenn neben den theologischen Collegien auch ein oder das andere philosophische, historische oder philologische Fach ge hört wird.

    §. 35. Wenn sich aus den Katalogen ergibt, dass ein der evange lisch-theologischen Lehranstalt immatriculirter Studirender in kein Colle- gium eingeschrieben ist, so ist er von der Lehranstalt wegzuweisen.

    §. 36. Aemtlich wird den Studirenden am Schlusse eines jeden Se mesters bezeugt, ob sie in dem abgelaufenen Semester sich so verwendet haben, dass derselbe ihnen in die gesetzliche Studienzeit (§. 28) einge rechnet werden könne oder nicht.

    Diess geschieht in Form von Besuchszeugnissen, welche für die Collegien, für welche ein Studirender eingeschrieben war, ihm ausgestellt oder versagt werden.

    §. 37. Die Docenten sind verpflichtet, bei Ausstellung der Besuchs

    380 Erlass des Ministeriums des Cultus und Unterrichts vom 8. October i 850.

    Zeugnisse gewissenhaft in Anschlag zu bringen, was ihnen über den Be such ihrer Collegien durch die Studirenden im Laufe des Semesters be kannt ist.

    §. 38. In der Mitte eines jeden Semesters versammelt der Decan der evangelisch-theologischen Lehranstalt sämmtliche Professoren und Pri- vatdocenten derselben zu einer Besprechung über die Frequentation der dieser Lehranstalt immatriculirten Studirenden, bei welcher sie ihre hier über gemachten Erfahrungen gegenseitig austauschen.

    Ergibt sich hiebei, dass einzelne Studirende nachlässig frequentiren, so ist es die Pflicht des Decans, diese vorzurufen, sie darüber zu hören, und Ermahnungen oder Rügen auszusprechen, oder die Sache vor das Professorencollegium zu bringen. Wegen beharrlichen Unfleisses kann ein Studirender zu jeder Zeit von der Lehranstalt weggewiesen werden.

    §. 39. Kurz vor dem Schlusse des Semesters versammelt der Decan abermals die Professoren und Privatdocenten der Lehranstalt zur Bera- thung, ob einem immatriculirten Hörer die Besuchszeugnisse zu versagen seien, und der abgelaufene Semester ihm daher in seine Studienzeit nickt eingerechnet werden könne.

    Ergibt sich, dass es so sei, so ist diess in den Hauptkatalog vom Decane einzutragen.

    §. 40. Die Besuchszeugnisse werden von den Docenten auf persön liche Meldung der Studirenden ausgestellt, vom Decane im Kataloge vor gemerkt und unterschrieben. Es hindert nichts , dass mehrere Collegien und Collegien mehrerer Docenten auf einem und demselben Zeugnisse bezeuget werden.

    §. 41. Meldet sich ein Studirender nicht bis zum Schlusse des Se mesters um ein Besuchszeugniss, so ist es so anzunehmen, er habe die Lehranstalt im Laufe des Semesters verlassen und dieser wird ihm in sein evangelisch-theologisches Studium nicht eingerechnet. Meldet er sich nur um das Besuchszeugniss für ein einziges Collegium, so ist ihm dieses zwar auszustellen, jedoch anzunehmen, dass er auf die Einrechnung dieses Semesters in seine Besuchszeit Verzicht geleistet habe (§. 39).

    §. 42. Die Besuchszeugnisse ausserordentlicher Hörer enthalten die Bemerkung, dass die Empfänger ausserordentliche Hörer seien.

    §. 43. Es werden künftig an der evangelisch-theologischen Lehran stalt über den Fortgang der Studirenden Semestral- oder Annualprüfungen nicht mehr abgehalten.

    In wiefern diejenigen, die sich um ein geistliches Amt bewerben wollen, nach Vollendung ihrer Studien ihre Befähigung durch eine Prü fung nachzuweisen haben , bleibt besonderen Bestimmungen vorbehalten. Bedarf ein Studirender zu anderen Zwecken eines Zeugnisses über seine wissenschaftliche Bildung von irgend einem Docenten, so ist diess eine Privatangelegenheit beider, und das ausgestellte Zeugniss hat in jeder Beziehung als ein Privatzeugniss zu gelten. Dieses gilt auch von Prü fungen, welche etwa zum Zwecke der Erlangung oder Beibehaltung eines Stipendiums vorgenommen werden.

    Ueber den Erfolg einer solchen Prüfung wird entweder ohne Aus stellung eines Zeugnisses nur an den Lehrkörper, der sein Urtheil über die Würdigkeit des Studirenden abzugeben hat, berichtet, oder das aus

    Brlass des Ministerium des Cultus und Unterrichts vom 8. Octeber 1850. 381

    gestellte Zeugniss hat den Zweck, fur welchen es gewünscht worden ist, ausdrücklich zu bezeichnen.

    §. 44. Verlässt ein Studirender die evangelisch-theologische Lehr anstalt, entweder weil seine Studien becndet sind, oder um sich an eine andere Lehranstalt zu begeben, so ist er berechtiget, ein Abgangszeugniss zu verlangen. Das Zeugniss hat zu enthalten:

    1. Eine Aufzählung der Semester, welche der Studirende an der Lehranstalt und zwar so zugebracht, dass sie ihm in seine Studienjahre einzurechnen sind;

    2. eine'Aufzählung der Collegien, welche er in jedem Semester gehört, und über welche er Besuchszeugnisse empfangen hat;

    3. ob sein Betragen den akademischen Gesetzen entsprochen habe. Ueber Antrag des Lehrkörpers vom Ministerium verhängte Strafen sind darin sammt den Vergehen, wegen welchen sie verhängt wurden, mit Verweisung auf die Protokolle anzuführen.

    §. 45. Um ein Abgangszeugniss zu erhalten, hat der Studirende sich an den Decan des Professorencollegiums der evangelisch-theologischen Lehranstalt zu wenden, welcher aus den Katalogen der Lehranstalt das Zeugniss zusammenstellen lässt und unterfertiget.

    §. 46. Das Abgangszeugniss vertritt vorläufig die Stelle der früheren Prüfungszeugnisse, in soweit diese bisher behufs der Zulassung zur Can- didatur und das Predigeramt erforderlich waren.

    III. Disciplinarordnung.

    §. 47. Der Decan und das Professorencollegium bilden die akade mische Behörde der evangelisch-theologischen Lehranstalt, und haben die Pflicht, die Freiheit des akademischen Unterrichts und Lebens im Ein klange mit dem Zwecke jeder höheren Bildungsanstalt kräftig zu schützen, zugleich aber den Missbrauch jener Freiheit und die Gefährdung dieses Zweckes mit Entschiedenheit hintanzuhalten. Die ihnen zustehende Dis- Ciplinargewalt hat sich zu äussern, in der Aufsicht und in Anordnung und Vollziehung derjenigen Massregeln, welche allgemein oder durch jeweilige Umstände geboten erscheinen, um Ordnung und Anstand an der Lehran stalt aufrecht zu erhalten, den Charakter derselben als eines wissenschaft lichen Institutes und höheren Studiums auf das Strengste zu bewahren, und ihre Ehre und Würde rein zu erhalten.

    §. 48. Die akademische Behörde der evangelisch-thcologischen Lehr anstalt ist fur die Erfullung ihrer diessfälligen Obliegenheiten verantwort lich, daher sind alle Angehörigen der Lehranstalt verpflichtet, nicht nur den Anordnungen derselben auf das pünctlichste Folge zu leisten, sondern in ihrer Sphäre derselben auch unaufgefordert auf das Thätigste Beistand zu leisten.

    §. 49. Alle Studirenden der evangelisch-theologischen Lehranstalten in Wien unterstehen in Ansehung ihrer bürgerlichen Verhältnisse, sowie der bürgerlich - strafbaren Handlungen den allgemeinen Gesetzen und Behörden, in Ansehung ihres akademischen Verhaltens aber, noch überdiess den besonderen akademischen Anordnungen und Discipli- narvorschriften und ihrer akademischen Behörde.

    §. 50. Die Studirenden sind im Allgemeinen zu dem aus der Natur

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    ihres Verhältnisses als akademische Bürger fliessenden anständigen Be nehmen, und zur Befolgung der bestehenden akademischen Gesetze oder der besonderen Anordnungen ihrer akademischen Behörde verpflichtet.

    Wer sich dagegen vergeht, wer sich insbesondere auffallender Stö rungen der akademischen Ruhe und Ordnung, oder einer Verletzung der für Studienzwecke bestehenden Institute, Sammlungen, Utensilien schuldig macht, wer durch beharrlichen Unfleiss oder unanständiges Betragen, durch unsittliche oder Aergerniss erregende Handlungen Anstoss gibt, wer sich Beleidigungen gegen die akademische Behörde, gegen die Pro fessoren und Lehrer oder ihre, im Interesse der Ordnung und Ruhe ein schreitenden Organe, oder gegen seine Collegen erlaubt, wird nach Mass gabe der Grösse seines Vergehens zur Verantwortung gezogen.

    §. 51. Wird ein Studirender wegen Uebertretung der bestehenden allgemeinen Gesetze von einer anderen als seiner akademischen Behörde in Untersuchung gezogen, so ist hievon der Decan der evangelisch-theo logischen Facultät zu verständigen, und demselben nach vollführter Un tersuchung das erflossene Urtheil bekannt zu geben. Der wesentliche Inhalt desselben ist in den Acten der Lehranstalt vorzumerken, und es kann bei einem Einflusse der begangenen Uebertretung auf die akade mische Ordnung oder auf die Ehre der Anstalt dem Schuldigen von Seite der akademischen Behörde eine Warnung, ein Verweis ertheilt, oder die allfällige Befreiung von Bezahlung des Collegiengeldes, oder ein Stipen- diengenuss entzogen, oder nach Umständen auf Wegweisung von der Lehr anstalt erkannt werden.

    §. 52. Die Studirenden der evangelisch - theologischen Lehranstalt in ihrer Gesammtheit sind keine Corporation, sie können daher weder regelmässige Versammlungen halten, noch bleibende Geschäftsführer oder ständige Repräsentanten haben, noch andere nur einer Corporation zu stehende Functionen ausüben.

    §. 53. Versammlungen der Studirenden an öffentlichen Orten ausser halb der Localitäten der Lehranstalt zu anderen als geselligen Zwecken sind nicht gestattet; wohl aber können Studirende in den Localitäten des für den Unterricht bestimmten Gebäudes und in nicht regelmässig wieder kehrenden, sondern nach dem speciellen Bedürfnisse veranstalteten Ver sammlungen bestimmte, sie betreffende akademische Angelegenheiten be- rathen.

    §. 54. Zu einer jeden solchen Versammlung ist unter bestimmter Angabe des Berathungsgegenstandes die Zustimmung des Decanes ein zuholen.

    Dieser hat zu beurtheilen, ob der Gegenstand dem §. 53 entspricht, und wenn er ihn als solchen anerkannt, und durch die Versammlung die akademische Ordnung nicht gefährdet scheint, ein Versammlungs- locale anzuweisen. Diejenigen, welche um diese Zustimmung ansuchen, übernehmen der akademischen Behörde gegenüber die Bürgschaft für die Aufrechthaltung der Ordnung in der Versammlung, und für die genaue Befolgung der akademischen Gesetze.

    §. 55. Jeder Professor der evangelisch - theologischen Lehranstalt hat das Recht, den Versammlungen der Studirenden beizuwohnen; er kann Erinnerungen machen, und auch die sogleiche Aufhebung der Ver

    Erlass desMinisteriums desCultus und Unterrichts vom 8. October i 850. 383

    sammlung verfugen, sobald dieselbe von den akademischen Gesetzen oder von dem angegebenen Zwecke abweicht.

    §. 56. Nur immatriculirte Hörer sind berechtiget, an Versammlun gen Studirender Theil zu nehmen, nicht immatriculirten Hörern und allen anderen Individuen, mit Ausnahme der akademischen Lehrer, ist jede Be theiligung, daher auch die Gegenwart bei denselben untersagt. Die Ver anlasser von Versammlungen (§. 54) sind für die Beachtung dieser Vor schrift verantwortlich.

    §. 57. Studentenverbindungen sind nicht gestattet.

    Die Execution dieses Verbotes steht nicht den akademischen, son dern den allgemeinen bürgerlichen Behörden zu.

    §. 58. Der Decan für sich allein, sowie der Lehrkörper können den Studirenden die Theilnahme an bestimmten Versammlungen oder bestimm ten Vereinen Nichtstudirender, wenn die Zwecke der Lehranstalt es er heischen, untersagen.

    §. 59. Die Arten der Ahndung disciplinärer Vergehen nach Mass gabe der Grösse und Wiederholung derselben sind:

    1. Ermahnung und Verwarnung durch den Decan allein oder vor dem Lehrkörper;

    2. Rüge durch den Decan vor dem Lehrkörper, sie kann verschärft werden durch die Drohung, dass im Falle einer wiederholten, wenn auch geringen Straffälligkeit die Verweisung von der Lehranstalt unnachsicht- lich erfolgen werde (Consilium abeundi);

    3. Verweisung von der Lehranstalt auf 1—4 Semester:

    4. Verweisung von der Lehranstalt für immer;

    5. Verweisung von der Lehranstalt und zugleich von allen öster reichischen Universitäten.

    Der Verlust eines Stipendiums, einer Stiftung oder der Befreiung vom Collegiengelde ist nicht als Strafe, sondern als die natürliche Folge eines Betragens anzusehen, welches den akademischen Gesetzen nicht voll kommen entspricht; er hat daher in jedem Falle einzutreten, wo der Ge- nuss einer solchen Wohlthat an die Bedingung eines untadelhaften Be tragens geknüpft ist.

    §. 60. Die Verweisung von allen österreichischen Universitäten kann nur von dem Ministerium des Unterrichts verfügt werden.

    Wer von allen österreichischen Universitäten verwiesen ist, kann auch in die evangelisch-theologische Lehranstalt nicht aufgenommen werden.

    Ob ein von Einer Universität Verwiesener an der evangelisch- theologischen Lehranstalt zur Fortsetzung seiner Studien zugelassen werde; darüber entscheidet das Ministerium nach Anhörung des Lehrkörpers.

    §. 61. Die gegen die Studirenden verhängten Disciplinarstrafen sind in einer steten Evidenz zu halten.

    §. 62. Nicht immatriculirte Hörer, so wie Gäste, welche einzelne Vorlesungen besuchen, sind zur Beobachtung der akademischen Ordnung verpflichtet. Machen sie sich einer Verletzung derselben schuldig, so sind sie nach Umständen zu ermahnen, oder von dem Besuche der Vorlesun gen oder der Lehranstalt überhaupt auszuschliessen.

    §. 63. Der Lehrkörper der evangelisch - theologischen Lehranstalt hat in seinem Wirkungskreise die Pflicht, die nach den Umständen noth

    884 Consistorial-Erlass vom 6. Juli 1853.

    wendig erscheinenden Verfügungen zu treffen und Disciplinarvorschriften zu erlassen. Von allen solchen Anordnungen, wenn sie nicht bloss execu- tiver und vorübergehender Natur sind, ist sogleich Anzeige an den Mi nister des Unterrichts zu machen.

    §. 64. Der Decan und jedes Mitglied des Lehrercollegiums hat die Pflicht seinen Einflues geltend zu machen, um die Studirenden zu einer besonnenen Benützung ihrer Bildungszeit zu veranlassen, disciplinäre Ver gehungen durch Rath, Zuspruch, Vermittlung oder Ermahnung zu verhin dern , und im freundschaftlichen Verkehre das Verhültniss gegenseitiger Achtung und Theilnahme zu pflegen. Leichtere Vergehen sind vom Decane oder dem Professorencollegium durch Ermahnung, Warnung oder Rüge auszugleichen und wegen Vergehen, welche um ihrer Grösse oder Rück- fälligkeit des Schuldigen willen eine Strafe erheischen, dieselbe nach den Bestimmungen der §§. 59 und 60 auszumesscn und mit einem begründeten Antrage dem Ministerium vorzulegen.

    §. 65. Die so erkannten Strafen und nur diese sind in die Ab gangszeugnisse der Studirenden aufzunehmen.

    §. 66. Der evangelisch - theologischen Lehranstalt, beziehungsweise ihrer akademischen Behörde bleibt es überlassen, falls sie den Verhält nissen der Anstalt entsprechende Aenderungen an den vorstehenden Grundsätzen wünschenswerth erachtet, gecignete Anträge diessfalls dem Unterrichtsministerium vorzulegen. Thun m. p.

     
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