Der auvergnatische Schreiber mit dem Profil

Ein Schreiber aus der Auvergne, der seine Initialen häufig mit einem Profil (nach links) im Binnenfeld schmückt.

Nachdem der letzte Herr von Mercoeur, Béraud VIII, 1321 gestorben war, ging dessen Besitz an die Auvergne über. Deshalb wurde ein Vidimator aus der Auvergne damit betraut, beglaubigte Abschriften von Urkunden des verstorbenen Herren zu erstellen. Wahrscheinlich im März 1322 (alter Stil 1321) erstellte er acht Urkunden, die alle im Band P 1400/3 in den Pariser Archives nationales erhalten sind.

Kunsthistorisch von nur mässiger Bedeutung geben diese Urkunden Kenntnis von der Arbeitsweise eines Schreibers, der – über einen Katalog von Dekorationselementen verfügend – Abwechslung und durchaus Humor bei seinen Schriftstücken wichtig war.[1] Die Initiale U(niversis) hat eine Grundform aus einem geraden Schenkel links und einem halbrunden rechts, der auch mit ausgesparten Punktverdickungen und/oder Fischen geschmückt werden kann. Zu seinen zusätzlichen Merkmalen zählen neben dem markanten Profil eines Bärtigen mit Tonsur (?) wie Pfauenfedern geformte Ausläufer, ausgesparte Kreuzblüten, die sich manchmal wie ein Wimpel über dem linken Schenkel erheben. Diese Erkennungszeichen, zu denen auch in einer Urkunde das Profil eines Hundes gehört, werden in allen acht Urkunden in Abwandlungen präsentiert. Auf diese Weise entsteht eine Initiale, die – entfernt von portraithaften Zügen – dennoch ein persönliches Signet des Schreibers bildet.

Gabriele Bartz