Avignoner Bischofsammelindulgenz, bei der anstelle von Bildleisten (vgl. Rahmentyp) die Figuren ohne Rahmung am Rand platziert und/ oder mit vegetabilischen Ranken versehen sind, die dem Akanthus ähneln. Mit Anfängen in 1340 bis zum Ende der Werkstatt 1348 nachweisbar.

Schmückendes Beiwerk findet sich erst spät in der Illuminierung der Avignoner Bischofsammelindulgenzen. Doch ist schon zu Beginn der 1330er Jahre, 1331 September 15 für Cembra, mit stilisierten Blättern experimentiert worden, die oben von den Initialen der ersten Zeile ausgehen. Dieser Ablass bleibt im bisher bekannten Material eine Einzelerscheinung, bis 1335 Jänner 11 für Kloster Burtscheid wieder Ranken genutzt werden. 1335 Juli 5 für Kloster Zeven) spriessen aus den Initialen der ersten Zeile Blattranken, die aus grossen dornblattähnlichen Blättern gebildet sind. Hier ist auch das Layout anders; zumindest der Petent erscheint ohne ein Bildfeld am Rand; heilige Figuren sind dort in Medaillons untergebracht. 1336 September 15 für das Kloster Ahnaberg finden sich Petentengruppen ohne Rahmung auf den Rändern, und noch zurückhaltend kommen aus den vergrösserten Initialen der ersten Zeile zarte Ranken mit Dorn- und Akanthusblatt hervor. Auch sind Versuche zu beobachten, wie man bei dieser Layoutform zu mehr Bildgelegenheiten gelangen kann, 1342 Juli 1 für Tournai präsentiert Heiligenbüsten in den Binnenfeldern der Initialen der ersten Zeile, die etwas unorganisch ausserdem mit Akanthusranken versehen sind. Zusätzlich zu den Heiligen im Binnenfeld und den Schäften erscheint ein weiterer rechts am Rand.
Der Sammelablass für Nenkersdorf (1342 Februar 12) zeigt (im derzeit bekannten Material erstmals seit Cembra) Blätter, die aus der Initiale herausspriessen. Dieses einfache Modell wird in weiterer Folge öfter angewendet. Die Blattformen können (müssen aber nicht) jenen ähneln, die bei Initialen mit ausgeprägten Rankenfortsätzen vorkommen (zwei ganz einfache Beispiele stellen die beiden Ablässe für Deutschnofen (1342 August 4; 1342 August 12) dar.
Gleichzeitig vollzieht sich eine Veränderung bei der Form der U-Initiale: Während die Buchstabenschäfte seit der ikonographischen Diversifizierung oft dazu dienten, als Bildfeld Heilige oder Petenten aufzunehmen, werden sie zunehmend schmaler (seit 1344 Juni 27 für Scheibbs; die Petenten finden dann ebenfalls im Binnenfeld ihren Raum, rücken also näher zu den heiligen Gestalten, was auch frömmigkeitsgeschichtlich bemerkenswert ist. Dabei entstehen, wie eigentlich immer bei Neuerungen im Layout in der Werkstatt der Avignoner Bischofsammelindulgenzen, Übergangslösungen. Ein schönes Beispiel dafür ist 1344 November 20 für das Kloster Schildesche, wo der linke Schaft schmal ist, im rechten aber eine Figur erscheint und der Petent bei der Madonna im Binnenfeld untergekommen ist. Auf diese Weise entsteht kompositorisch die Begleitung des Gläubigen durch seinen Schutzpatron, der ihn bei Maria einführt, wie man es von späteren Retabeln kennt (so auch 1340 Jänner 3 für St. Michael in Wien).
Im bisher bekannten Material begegnet der Blattrankentyp voll ausgebildet erstmals 1344 April 28 für die Propstei Frauenberg. Dort rahmen die Ranken links am Rand und oben textspiegelbreit; der Mönch kniet ohne einen Schutzpatron im Binnenfeld neben Maria, während drei Nonnen im Raum Platz finden, den ein aufsteigendes Akanthusblatt bildet. Die Buchstabenschäfte sind schmal, wodurch das Binnenfeld grösser wird.
Ähnlich wie schon beim Rahmentyp konnte der Besteller wohl nach dem Baukastenprinzip wählen: von einzelnen Blättern, die links oben aus der Initiale spriessen, über kleine Ranken an den drei Aussenseiten des Buchstabens, bis hin zur Ranke, die links und oben den Textspiegel umgreift. Die einfachste Form findet sich beim Ablass 1345 Oktober 18 für Imola beschrieben, andere haben einige Blätter mehr: z. B. 1344 Juni 27 für Scheibbs), 1344 Dezember 5 für Mariengarten, 1345 April 3 für Lüttich und 1345 August 22 für Dachclusterlein. Die Ranken werden nicht unbedingt mit einer durchgepausten Vorlage, aber nach einem wiedererkennbaren Schema gestaltet. Abweichend von diesen grossformigen Blattranken finden sich auch aus kleinere, an Eichen- oder Herzblättern orientierte Blattformen, z. B. 1345 April 11 für Flaschberg, 1345 Mai 13 für Schwäbisch Gmünd, 1345 November 24 für Hagenau, 1347 März 6 für Weiczelsriet und 1348 März 3 für St. Peter in Naklo.
Gabriele Bartz
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