Avignoner Bischofsammelindulgenz, bei der im Binnenfeld der U-Initiale das Antlitz Christi als farbig lavierte Federzeichnung ausgeführt ist. Bisher nachweisbar 1328-1344 mit der Hauptphase 1328-1331.

Frontale Büste Christi mit segnend erhobenen Händen, die Wundmale vorweisend. Eine stärker realistische Darstellung löst die ikonische (vgl. Vera-Ikon-Typus) ab, dabei auf Christus als Richter und als Erlöser verweisend (Hamburger, The visual and the visionary, 1998, S. 372 f., sah in der Christusbüste eine ungewöhnliche Ikonographie der Vera Ikon, was sie unter allgemeinen Betrachtungen auch sein mag. Unter dem speziellen Blickwinkel der Bischofsammelindulgenzen jedoch würde man sie als eine ikonographische Entwicklung ansehen, die von dem Schweisstuch der Veronika und den anderen Legenden zur Vera Ikon weg führt.). Schon Homburger ermittelte die beiden unterschiedlichen Quellen, aus denen sich die Darstellung speist: Figuren der byzantinische Sancta Facies und des richtenden Christus (Lehni, Itterswiller, 1970, S. 4.). Als entwerfenden Künstler nahm er jemanden aus dem Oberrheingebiet an. Für Cheney transportiert die Christusbüste auch den Analphabeten den Gedanken der Segnung (Cheney, Collective Indulgences, 1979, S. 135).
Nachdem der Vera-Ikon-Typus zur Illuminierung von Sammelindulgenzen lediglich mit der Schreibertinte und später wenigen Farben vom Zeichner mit den Masswerkmotiven gestaltet wurde, bringt die Christusbüste Farben in die Dekoration, die teils lavierend zart, teils aber auch in der vollen Farbstärke mit grosser Leuchtkraft eingesetzt werden. Auch die vergrösserten Initialen der ersten Zeile werden farbig ausgeführt, in seltenen Fällen auch die kleineren Buchstaben im Textblock (vgl. Layout).
Wahrscheinlich ohne wirklich von einer Zeichnung durchgepaust zu werden, folgen diese Darstellungen dennoch einer Vorlage: Ein im Vergleich zu Schultern und Händen sehr grosses bärtiges Haupt mit nach hinten gekämmten Haaren erscheint vor einem Nimbus. Der Heiligenschein ist als Kreuznimbus zu verstehen, weil er einem Malteserkreuz ähnliche Flächen besitzt, die von einem weissen Streifen von der dann meist roten Einfärbung abgetrennt ist. Das Haupt sitzt auf einem kräftigen Hals; das meist rote Gewand mit rundem Halsausschnitt kann bei sorgfältigerer Ausführung auch andersfarbige Ausschnittbesätze haben. Die erhobenen Hände sind sehr klein und mit den Handflächen zum Betrachter gewendet. Die rechte segnet; beide präsentieren das Wundmal.
Einen Höhepunkt der Überlieferung der Urkunden mit segnender Christusbüste als Dekor bilden die Jahre 1328–1331. 1328 Dezember 24 für Stift Elten, der bisher zweite bekannte Ablass mit diesem Dekorationstyp, zeigt eine interessante Mischform von Vera Ikon und Christusbüste: Einen weitgehend bartloser Christus und ohne segnenden Hände. Diese letztlich ikonographische Verirrung ist dem Zeichner mit den Masswerkmotiven zu verdanken, der sich auf diese Weise an das neue Sujet herantastet.
Stets auf ähnliche Weise gestaltet, scheinen die Zeichner doch keine Vorlage benutzt zu haben, denn sie mussten die unterschiedliche Höhe der Initialen reagieren. Ab 1329 wird die Christusbüste von anderen Sujets abgelöst (ikonographische Diversifizierung) und tritt danach seltener auf. Das bisher letzte bekannte Beispiel ist 1344 April 12 für die Herren von Ehestetten.
Gabriele Bartz
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