In Avignon ausgestellte Bischofsammelindulgenzen, deren Initialen hauptsächlich in Schreibertinte mit dekorativem oder figürlichem Schmuck versehen sind.

Sammelablässe mit figürlichem Buchschmuck treten ab 1323 auf (erstes, bisher bekanntes Beispiel 1323 Mai 11 für Saint-Martin-de-Picquigny). Zuerst einfache historisierte Initialen mit tintenfarbigen, in Folge auch farbige Vera-Ikon-Darstellungen im Binnenfeld. Die hier getroffene Unterscheidung von illuminierten und historisierten Ablassurkunden ist nicht vom Sujet bestimmt, sondern von der Ausführungstechnik. Denn selbstverständlich ist die Vera Ikon, die seit 1323 (frühester Fund 1323 Mai 11 für Saint-Martin-de-Picquigny) das Binnenfeld der U-Initiale zieren kann, eine Historisierung. Doch sind die Zeichnungen sicher von den Schreibern der Urkunden in der Tintenfarbe vorgenommen worden, weshalb auch entsprechend selten – und wenn wenig – Farben zum Einsatz kommen (erstmals im bekannten Material die Farbe Gelb 1326 April 25 für Rheydt). Der die Entwicklung beherrschende Zeichner ist der Zeichner mit den Masswerkmotiven; ihm allein sind die Initialen mit einer Vera Ikon zu verdanken. Von besonderem Interesse, weil er letztlich die Vorstellung einer linearen Entwicklung der Ausstattung von Vera Ikon zu Christusbüste hin zu den unterschiedlichen Sujets im Binnenfeld torpediert, ist der Ablass vom 1323 Juni für den Dom zu Trier. Dort wird der Titularheilige des mit dem Ablass begünstigten Altars, der hl. Matthias, zwar noch in Federzeichnung, im Binnenfeld der U-Initiale zusammen mit einem knienden Petenten dargestellt. Damit weist die Gestaltung auf Entwicklungen voraus, die erst 1329 mit unterschiedlichen, auf das Patrozinium bezogenen Darstellungen fortgesetzt werden (ikonographische Diversifizierung); den Petenten in Binnenfeld wird man erst wieder 1337 Oktober 26 für die Kreuzkirche in Hannover, und voll ausgeprägt z. B. 1345 Dezember 28 für Hamm. Wenn die Initiale mitsamt der Zeichnung tatsächlich zum originalen Bestand gehört, zeigt es, wie flexibel und kreativ sich die Werkstatt der Avignoner Bischofsammelindulgenzen mit Auftraggeberwünschen auseinanderzusetzen in der Lage war.
Der bisher früheste Fund von illuminierten Initialen bei Avignoner Bischofsammelablässen 1323 Mai 11 für Saint-Martin-de-Picquigny muss strenggenommen als historisiert gelten, denn der Buchstabenkörper ist aus einem burgähnlichen Bauwerk geformt, der daran denken lässt, dass sich die Kirche innerhalb eines Burgbereiches befunden hat. Eine solche Figuren-Initiale bleibt solitär, das Antlitz Christi jedoch etwa fünf Jahre das beherrschende Motiv (zuletzt kopial nachweisbar: 1328 Jänner 12 für Wormbridge – London, British Library, ms. Egerton 3712, f. 89v). Der Wechsel von der einen zur anderen Dekorationsform vollzieht sich dabei in der Werkstatt der Avignoner Bischofsammelindulgenzen kontinuierlich, es scheint, als könnten hier bereits die Auftraggeber die Sujets auswählen, je nach Anspruch und Geldbeutel.
Gabriele Bartz
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