Die Kanzlei unter Louis X (le Hutin 1314-1316)
Während der nur
gut eineinhalb Jahren währenden Regentschaft von Louis X (le Hutin
1314-1316) sind die bisherigen Funde illuminierter Urkunden
entsprechend rar. Die Kontinuitäten der Tätigkeiten der Schreiber/
Zeichner der Kanzlei von Philippe le Bel sind bisher nicht zu beobachten; der Zeichner des Ph mit der nach oben zeigenden halben
Fleur-de-lys ist zwar bis April 1317 nachzuweisen, doch sind bisher keine Arbeiten
aus der Zeit von Louis le Hutin bekannt. Das gleiche gilt für den Zeichner des Ph mit der Krone.
Angesichts der
Tatsache, dass die L-Initiale für
Dekorationen
nicht besonders inspirierend ist, und überdies für lateinische
(„Ludovicus“) wie für französische („Lois“/ „Loys“) Formulare
unterschiedliche Buchstabenfolgen nötig waren, hat sich auch kein
Kürzel – anders als beim „Ph“ - herausgebildet
. Bisher ist nur
eine Urkunde vom 8. November 1307 bekannt geworden, die Louis als König von
Navarra ausstellte, bei der ein Kürzel (Lud) versucht wurde (Abb.
1). Meisthin beschränken sich die Dekorationen auf ein vergrößertes
„L“, bei dem der der Basisstri
ch mit der Serife
zu einem Dreieck geformt ist. Im Juni 1315 werden Versuche mit
Begleitlinien und einem Muster im Binnenfeld unternommen, sonst
werden gerne Aussparungen in diesem Dreieck untergebracht (Abb.
2).
Das Stück vom 8.
November 1307 ist zugleich auc
h das bisher
früheste von Louis X. Hier sieht man noch die Bemühungen, die in der
Kanzlei von Philippe le Bel unternommen worden, die Fleur-de-lys beispielsweise, die wie eine Laterne vom (Lu)d
abgeht, kennt man
bereits vom Juni 1294. Auch die bisher früheste als König von
Frankreich vom Dezember 1314 spielt mit dem Motiv der Fleur-de-lys, ist
aber im Anspruch – nur das „L“ ist hervorgehoben – deutlich
zurückgenommen und setzt letztlich den Trend für die einfachen,
folgenden Urkunden.
Eine Besonderheit
während der Regentschaft von Louis le Hutin ist die Verleihung eines
Zeichens für die Blinden von Bayeux vom Mai 1315 (Martin Roland). Leider ist die Urkunde bisher
nicht auffindbar, doch der Registereintrag gibt im Textblock eine
Zeichnung des verliehenen Zeichens. Wenn dieses Layout aus der
Originalurkunde übernommen wurde, wäre das ein bedeutender Schritt
hin zum Wappenbrief, der zwar in Frankreich keine grosse Verbreitung
fand, in der römisch-deutschen Reichskanzlei ubiquitär wurde.
Gabriele Bartz
(Stand: März 2023)