Avignoner Bischofsammelindulgenz, bei der die Dekoration nicht vorgesehen oder für eine Dekoration beim Empfänger vorbereitet war.
Offenbar hat es, seit man begann, die Bischofsammelablässe in Avignon mit farbigen Illuminationen zu versehen (Historisierte Avignoner Bischofsammelindulgenz), auch „Blanko“-Versionen gegeben, unilluminierte Stücke, bei denen davon ausgegangen wurde, dass man sie am Empfängerort mit Dekorationen versehen würde (z. B. 1333 August 20 für Kaiserstuhl). Während der aktiven Zeit der Werkstatt haben sich nur wenige Exemplare erhalten, bei denen eine am Empfängerort oder vom Empfänger ausserhalb beauftragte Illumination zu finden ist. Erstes prominentes Beispiel ist 1331 Februar 26 für Albi. Für diese Urkunde wurde wohl eine Avignoner Buchmalerwerkstatt betraut, die – zaghaft zwar – sekundären Dekor einsetzt, mit kleinen Ranken (wie später beim Blattrankentyp), die aus den Initialfeldern der vergrösserten Initialen der ersten Zeile herauskommen. 1341 September 10 für Schmidtstedt, 1343 Mai 5 für Verona, 1343 Mai 6 für Herlanzhofen, 1343 Juni 7 für den Orden vom Heiligen Grab
Vermehrt haben sich die unilluminierten Ablässe jedoch ab 1350 erhalten. Seit der letzten, bisher bekannten Indulgenz mit historisierter Initiale der Werkstatt der Avignoner Bischofsammelindulgenzen, 1348 März 5 für das Heilig-Geist-Spital in Nürnberg, muss man annehmen, dass die Werkstatt ihre Tätigkeit – vielleicht wegen der wütenden Pest – eingestellt hat. Deshalb mussten die Bittsteller ihre Indulgenzen anderswo illuminieren lassen (vgl. Dekoration beim Empfänger). Um den Bestellerwünschen dabei weitgehend entgegen zu kommen, hat man ein ganzes Programm an unterschiedlich weit vollendeten Urkunden in Avignon ins Angebot genommen:

- Der Raum für die U-Initiale und die erste Zeile wird frei gelassen (z. B. 1360 Mai 3 für St. Sebald in Nürnberg und 1363 April 6 für Herkenrode).

- Der Raum für die U-Initiale und der für die vergrösserten Initialen der ersten Zeile werden frei gelassen (z. B. 1357 November 20 für Nidda und 1357 Oktober 10 für Dohna).

- Die U-Initiale und alle Wörter der ersten Zeile werden in kräftigen Federstrichen ausgeschrieben (z. B. 1350 Jänner 25 für Rickenbach und 1359 April 17 für Schlins).

- Der Schreiber dekoriert auch die U-Initiale. Dabei erinnert man sich der alten Motive wie Aussparungen als Halbpalmettenranken oder als gedrehtes Band (Avignoner Bischofsammelindulgenz).
Gabriele Bartz
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