
Die U-Initialen werden aus Kreisformen gebildet, die sich schneiden können oder auch – im rechten Schaft – tangential berühren. Sie sind das bestimmende Formprinzip, dem die Lesbarkeit untergeordnet ist, und somit in der Entwicklung der Dekoration der Avignoner Bischofsammelablässe die erste reine „Schmuckform“. Die erste Zeile wird durch Auszeichnungsschrift von den anderen abgehoben. Bei der Initiale wird – neben reiner Tintenfüllung, auch mit Aussparungen gearbeitet, gerne findet sich oben eine Halbpalmette. Auch kann ein perlförmiger Fleuronnée-Besatz erscheinen. Diesen Stil findet man erstmals 1314 April 1 für Kiechlinsbergen, ausgestellt in Carpentras, die weiteren sind in Avignon ausgestellt, demnach würden die Schreiber/ Zeichner mit der Kurie reisen. Ob es sich um mehrere Mitarbeiter handelt, die diese äusserst ungewöhnliche Art der Dekoration pflegen, ist nicht klar. Denn beim bisher spätesten bekannten Exemplar, 1322 Mai 20 für St. Paul, erscheint die Kreisform, doch sind die Aussparungen kleinteilig floral, und der rechte Schaft ist aussen wieder wie ein Buchstabe gebildet. Diese U-Initiale erscheint wie eine Synthese aus den derzeit gängigen Motiven und weist auch auf Anregungen durch den Zeichner mit den Masswerkmotiven. Dessen früheste, uns bekannte Arbeit ist zwar erst 1321 Jänner 21 (für Abbenrode) nachweisbar. Innerhalb der Werkstatt wird man immer wieder beobachten, dass neu hinzukommende Mitglieder sich mit den Gewohnheiten ihrer Vorgänger oder Mitarbeiter auseinandersetzen und sie in ihre Arbeiten einfügen. Inwieweit auch neue Mitarbeiter den Dekorationsstil der anderen beeinflusst, muss noch untersucht werden.
Gabriele Bartz
Zurück zur Startseite http://monasterium.net/mom/IlluminierteUrkunden/collection.