Charter: Urkunden Dürnstein, Augustiner-Chorherren (1298-1785) 1410 II 17
Signature: 1410 II 17
Add bookmark
Edit charter (old editor)
1410 Februar 17
, Dürnstein
Otto von Maissau bestätigt feierlich die Stiftung
eines Augustiner-Chorherrenstiftes bei der Frauenkapelle zu
Dürnstein. Dazu sollen 8 Kanoniker nach Dürnstein berufen werden.
Wenn die Pfarre Grafenwörth, die durch Ottos Bruder Ulrich von
Maissau an die Stiftung vergabt worden war, nach dem Tod oder der
freiwilligen Resignation des derzeitigen Inhabers vollends in den
Besitz der neuen Kanonie übergehe, soll die Zahl der Regularen auf
13 vermehrt werden (Vierter Stiftungsbrief). Current repository:
Stiftsarchiv Herzogenburg (http://www.stift-herzogenburg.at)
Stiftsarchiv Herzogenburg (http://www.stift-herzogenburg.at)
6 Siegel in farbigen Stoffsäckchen anh. (Prachtausstattung, urspr. in Metallkassette (siehe Notizen)). Material: Pergament
Dimensions: 41,5 x 71,5 cm
Secondary Literature:
- Schmettan, Dürnstein, 173ff.
- Schmettan, Dürnstein, 12, 79
- Helga Penz, Am Schauplatz der Schrift. Gebrauch, Verwahrung und Überlieferung von mittelalterlichem Schriftgut am Beispiel des Archivs des ehemaligen Chorherrenstiftes Dürnstein in Niederösterreich. In: Vom Nutzen des Schreibens. Soziales Gedächtnis, Herrschaft und Besitz, hg. von W. Pohl/P. Herold (Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl., Denkschriften 306; Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 5, 2002), 355–373;
- A. H. Zajic, M. Roland, Eine spätmittelalterliche Urkundenfälschung aus dem Augustiner-Chorherrenstift Dürnstein in Niederösterreich, in: Archiv für Diplomatik 51 (2005), 331–432, bes. 343–349, 361–367, 382–389;
- Andreas Zajic, Von der Marienkapelle zum Chorherrenkloster. Ein Umweg durch vier Jahrzehnte, in: Stift Dürnstein. 600 Jahre Kloster und Kultur in der Wachau (hg. H. Penz, A. Zajic). Horn–Waidhofen/Thaya 2010, 12–23;
- M. Roland, Der Dürnsteiner Stiftbrief – Multimedia im Mittelalter, in: Stift Dürnstein. 600 Jahre Kloster und Kultur in der Wachau (hg. H. Penz, A. Zajic). Horn–Waidhofen/Thaya 2010, 24–31.
Comment
AltbestandHistorisch-diplomatischer Kommentar: Zur Geschichte des ehemaligen Augustiner-Chorherrenklosters Dürnstein vgl. den Kommentar zu Nr. 1395-01-26 Mit der vom Dürnsteiner Stadtherrn und Patronatsinhaber der Marienkapelle, Otto (IV.) von Maissau, ausgestellten Urkunde wurde an der zuvor von einem weltlichen Kollegiatkapitel betreuten Kirche ein reformierter Augustiner-Chorherrenkonvent eingerichtet. Die mächtige I-Initiale (siehe die kunsthistorische Beschreibung) fasst die Etappen der vier Jahrzehnte umfassenden Entwicklungsgeschichte der Kapelle parallel zur ausführlichen Narratio des Stücks im Bild zusammen. Durch die Bestimmung des bislang unidentifizierten Wappens, das dem vorletzten Patron der Kapelle aus dem Geschlecht der Maissauer, Leutold (II.), im zweiten Bildfeld von unten zugeordnet wird, ergibt sich ein weiterer Deutungshorizont des Memoria-trächtigen Objekts. Das heraldisch linksgewendete Wappen (gespalten: vorne silber/blau geschacht, hinten gold), das sich noch um 1600 gemeinsam mit dem Maissauer Wappen tingiert, also farbig ausgeführt vielleicht in einem Bildfenster oder an einer Altarpredella in der Klosterkirche der Maissauer Stiftung Aggsbach gefunden hatte, ist jenes der zum Zeitpunkt der Urkundenausstellung bereits seit Jahrzehnten im Mannesstamm ausgestorbenen Familie der Burggrafen von Gars. Im 14. Jahrhundert hatten die am Ende des 11. Jahrhunderts zum Ministerialenverband der Babenberger gehörenden, später in den Landherrenkreis aufgestiegenen Burggrafen von Gars mehrfach mit den Maissauern Heiratsverbindungen durch Frauentausch gepflogen. Die letzte weibliche Angehörige der Familie, Dorothea, hatte vor 1367 Hans von Maissau geheiratet und ihm und seinen Erben somit bedeutende Teile der Garser Erbmasse zugeführt, aus denen letztlich kleinere Pertinenzen im Stiftungsgut der Dürnsteiner Kapelle aufgingen. Leutold von Maissau scheint neben dem ererbten Maissauer Stammwappen das Garser Wappen seiner Mutter als Allianzwappen in sein heraldisches Arsenal aufgenommen zu haben. Dem Auftraggeber der Urkunde – er ist wohl kaum im Aussteller, Otto von Maissau, sondern im eigentlichen Motor des Unternehmens, Stephan von Haslach, zu suchen – lag mit der Beigabe des Garser Wappens offenbar daran, einerseits darzustellen, dass Leutold als Vetter des Ausstellers aus einem anderen Zweig der Familie stammte, und gleichzeitig eine historische Dimension zu evozieren, die noch über die letzte Zeit der politisch einflussreichen Garser hinausgeht: schon im 14. Jahrhundert hatte man wohl gewusst, daß die Garser frühe wenigstens kognatische Beziehungen zur weitverzweigten Kuenringer-Sippe aufwiesen, der die Mehrzahl der hochadeligen Familien des Erzherzogtums Österreich unter der Enns im 16. und frühen 17. Jahrhundert ihre Vorfahren zurechnete, und vielleicht auch die enge ministerialische Bindung der Garser an die Landesfürsten im Hinterkopf gehabt. Ganz wie der ältere Stiftbrief der Dürnsteiner Marienkapelle von 1395 (1395-01-26) wurde auch der Text dieser Urkunde nicht in gewöhnlicher bastardesker Urkundenkursive mundiert, sondern in einer routinierten buchschriftlichen Textualis formata. Als Schaustück war die Urkunde zweifellos konzipiert worden und als solches erregte es auch bei einem barocken Historiker und Diplomatiker entsprechendes Ausfsehen: der aus Wien stammende St. Pöltner Augustiner-Chorherr Raimund Duellius druckte 1723 den Text der Urkunde in seinen Miscellanea erstmals ab und publizierte 1725 in seinen Excerpta genealogico-historica die drei Bildfelder mit den weltlichen Stifterfiguren als Kupferstich des Ignaz von Rädern. (Andreas Zajic, ÖAW, Institut für Mittelalterforschung)
Kunsthistorische Beschreibung: Historisierte Initiale I (In dem Namen der heiligen
und ungeailetn drivaltikait) in Deckfarbenmalerei, kleine Teile
mit Blattgoldauflage. Der Schriftspiegel wird links von einem aus
vier übereinander liegenden Bildfeldern bestehenden Block
begleitet, der in seinem obersten Bereich architektonisch
ausgestaltet ist. Von dieser Grundstruktur – gleichsam dem
Initialkörper – gehen Rankenfortsätze aus, die ebenfalls mit
Figuren durchsetzt sind. Die Hauptszene füllt das oberste
Bildfeld und steht somit neben dem Beginn des Urkundentextes.
„Elspet von kunring“ – durch Beschriftung und Wappen eindeutig
bezeichnet – kniet vor der Madonna, auf deren Schoß das der
Stifterin zugewandte, nackte Jesuskind sitzt. Die modisch
gekleidete Stifterin hält ein Schriftband mit einer gereimten
Gebetsbitte: „Ora mater pia pro nobis virgo Maria“ (O Maria,
bitte für uns, fromme Mutter und Jungfrau). Die Szene spielt in
einem raumhaltigen, vorne offenen Gemach, an das links ein durch
eine Wand abgetrennte, ganz durchfensterte polygonale Architektur
anschließt. Darunter folgt ein Bildfeld mit vier knienden
Figuren. Sie sind mit „Jorig“, „Hanns“, „Lewtold“ und
„Haydenreich“ beschriftet und stellen Elisabeths Verwandten und
Mitstifter Heidenreich von Maissau (mit seinem Wappen) und seine
drei Söhne dar. Ihr Bildfeld ist bloß einfach grün gerahmt und
setzt die räumliche Illusion der obersten Zone nicht fort.
Darunter folgt ein Bildfeld mit drei bartlosen, daher offenbar
jüngeren Betern mit deutlich modischer Kleidung. Auch sie sind –
durch die Faltung der Urkunde freilich kaum noch erkennbar –
bezeichnet: Die Beischrift der Figur rechts ist als „Lewtold“
lesbar, der so wie Heidenreich über ihm durch ein Wappen
ausgezeichnet wurde. Es folgen Ulrich und Otto, der Aussteller
der Urkunde, der einzige der Dargestellten, der 1410 noch am
Leben war. Ganz unten folgen die durch die Stiftung finanziell
ausgestatteten Chorherren („Canonici“). Die weißen Chorröcke mit
weiten Ärmeln werden von aus Wolle gefertigten Schulterkappen
bedeckt. Der Propst wird durch eine Almutie aus Fell (wohl Feh,
also Eichhörnchenfell) hervorgehoben. Die Ranke, die oben rechts
von der Initiale ausgeht, zieht sich über die ganze Breite der
Urkunde und setzt sich im rechten Randbereich fort. Oben bildet
sie vier Medaillons aus, drei davon mit figürlichen Motiven:
zuerst die Halbfigur eines Bischofs (wohl des hl. Augustinus als
Ordenspatron des Konvents), dann eine Halbfigur eines rot
gewandeten Königs mit Schriftband (vielleicht König David) und
dann ein nacktes Kleinkind, dessen Interpretation schwierig ist.
In der rechten Ecke befindet sich ein mit überschlagenen Beinen
sitzender Engel mit einem für die Wiener Buchmalerei der Zeit
durchaus charakteristischen Strahlennimbus. Er verbindet den
horizontalen mit dem vertikalen Rankenast. Sein Gegenstück bildet
die Gestalt des Stephanus (de Haslach), der unterhalb des
vertikalen Rankenausläufers kniet. Sein abgesonderter Ort betont
einerseits seine Bedeutung für den Stiftungsvorgang und separiert
ihn andererseits von den Chorherren. In seiner Kleidung
entspricht er diesen, wird aber durch Wappen und Spruchband
hervorgehoben. Das Spruchband verbindet ihn – so wie Elisabeth –
mit der himmlischen Welt (vgl. den Engel über ihm). Seine
Gebetsbitte („Vias tuas Domine demonstra mihi“ – O Herr, lehre
mich Deine Wege; Ps 24,4) mag durchaus mehr sein als eine
beliebige fromme Bitte, sie könnte auch auf seine vielschichtige
Rolle bei der Stiftung Bezug nehmen. Die Bildregie betont
Elisabeth von Kuenring und Stephan von Haslach, alle anderen
bleiben gleichsam Statisten, selbst der Aussteller der Urkunde.
Illuminierte Privaturkunden sind von noch größerer Seltenheit als
mit gemaltem Schmuck versehene Urkunden überhaupt (bei denen es
immerhin einzelne Gruppen mit reicher Überlieferung gibt:
Bischofssammelablässe, Urkunden mit gemalten Wappen
[Wappenbriefe], Prunksuppliken, Kardinalssammelablässe –
Zajic–Roland, 397f., 410f.). Neben den Urkunden Kaiser Ludwigs
des Bayern (1314–1347) und des französischen Königs Karl V.
(1364–1380) und der reichen Tradition in England (Zajic–Roland,
398–407), stellen die vier illuminierten Urkunden, die den
Gründungsvorgang des Chorherrenstiftes Dürnstein begleiten, die
größte bisher bekannte Gruppe dar (vgl. Herzogenburg, D. n. 104a
[1395 I 26], D. n. 149 [1410 VI 10; D. n. 150 [1410 VI 10;
Fälschung von 1415]). (Martin Roland, ÖAW, Kommission für
Schrift- und Buchwesen des Mittelalters)
Places
- Dürnstein (GB KR)
- Dürnstein, Augustiner-Chorherrenstift
- Grafenwörth (GB TU)
- Maissau (GB HL)
Persons
- Bruder des Otto von Maissau
- Bruder des Ulrich von Maissau, Aussteller
Herzogenburg, Stiftsarchiv, Urkunden Dürnstein, Augustiner-Chorherren (1298-1785) 1410 II 17, in: Monasterium.net, URL </mom/AT-StiAHe/DuernsteinCanReg/1410_II_17/charter>, accessed at 2024-11-22+01:00
A click on the button »Show annotation« displays all annotations on the selected charter image. Afterwards you are able to click on single annotations to display their metadata. A click on »Open Image Editor« opens the paleographical editor of the Image Tool.
You are copying a text frominto your own collection. Please be aware that reusing it might infringe intellectural property rights, so please check individual licences and cite the source of your information when you publish your data
The Charter already exists in the choosen Collection
Please wait copying Charter, dialog will close at success