Urkundenbuch zum österreichisch evangelischen Kirchenrecht, Nr. CXLI. , S. 354
betreifend die provisorische Vorschrift für die Vertretung und Verwal tung der evangelischen Landeskirche Augsburgischen Bekenntnisses in
Siebenbürgen.
Bis zu der, nach weiterer Vernehmung der evangelischen Landes kirche Augsburger Bekenntnisses zu erfolgenden, definitiven Entscheidung Seiner k. k. Apostolischen Majestät hat für die kirchliche Vertretung lind Verwaltung folgende Vorschrift provisorisch in Wirksamkeit zu treten.
Allgemeine Bestimmungen. §. 1. Die Vertretung und Ver waltung der evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses im Gross- fürstenthume Siebenbürgen gliedert sich nach folgenden drei Abstufungen:
a) der Pfarrgemeinde,
b) der Bezirksgemeinde,
c) der Gesammtgemeinde der ganzen Landeskirche.
§. 2. Die Organe des Kirchenregimentes sind:
1. Für die Pfarrgemeinde:
a) das Presbyterium,
b) die grössere Gemeindevertretung.
2. Für die Bezirkskirchengemeinde:
a) das Bezirksoonsistorium,
b) die Bezirkskirchenversammlung.
3. Für die Gesammtgemeinde der ganzen Landeskirche:
a) das Superintendential-Consistorium,
b) die Landeskirchenversammlung.
§. 3. Für jene Fälle kirchlicher Gerichtsbarkeit, welche nach der bisherigen Einrichtung von den Domesticalconsistorien und dem Ober- consistorium in erster Instanz oder im Berufungswege entschieden worden sind, hat an die Stelle des Domesticalconsistoriums für jede Bezirksge meinde ein Bezirksconsistorium, und an die Stelle des Oberconsistoriums das Superintendential-Consistorium zu treten.
§. 4. Jede kirchliche Gemeinde ist berechtiget, ihre besonderen Angelegenheiten durch die Beschlüsse ihrer in gesetzmässiger Weise ver sammelten Vertretung zu regeln, in soferne dadurch nicht den allgemei nen Vorschriften, oder den gesetzmässigen Anordnungen der ihr vorge setzten Kirchenbehörde entgegen gehandelt wird.
§. 5. Der Staatsregierung steht das Recht der Oberaufsicht zu.
§. 6. Zur Deckung der Auslagen, welche sich in Folge der gegen wärtigen, provisorischen Vorschrift als nothwendig herausstellen sollten, kann eine Umlage auf die Evangelischen Augsburgischer Confession ver fügt werden; jedoch ist früher um die Genehmigung hierzu bei dem k. k. Ministerium für Cultus anzusuchen.
Erster Abschnitt. Von den Pfarrgemeinden, Presbyterien und der grösseren Gemeindevertretung.
§. 7. Jede evangelische Gemeinde bildet nach ihrer örtlichen Be>
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gränzung, welche durch Herkommen oder urkundlich bestimmt ist, eine Pfarre, und besteht entweder bloss aus einer Gemeinde, oder aus einer Muttergemeinde und einer oder mehreren Filialen.
§. 8. Zur Bildung einer neuen Parochie (Pfarrgemeinde) ist die Ge nehmigung des k. k. Ministeriums für Cultus erforderlich. Sie kann nur mit dem Einverständnisse des Superintendenten geschehen, Und, wenn die neu zu bildende Gemeinde aus einer schon bestehenden ausgeschieden werden soll, nur mit Vorwissen und Zustimmung der Muttergemeinde.
§. 9. Der Wohnsitz in der Parochie — in der Muttergemeinde oder in einer Filiale derselben — durch sechs Wochen, begründet die Einpfar- rung und die daraus entstehenden Rechte und Verpflichtungen für jene evangelischen Glaubensgenossen. — Exemtionen finden nicht Statt. — Der in eine Gemeinde neu Einziehende hat sich durch Einreichung eines Kir chenzeugnisses, oder sonst durch eine glaubhafte Erklärung vor dem Pfar rer darüber auszuweisen, dass er zur evangelischen Kirche gehöre. — Diese Zeugnisse oder Erklärungen sind dem Presbyterium vom Pfarrer mitzutheilen. — Berechtiget zur Theilnahme an Wahlen und kirchlichen Aemtern wird der neu Eingezogene erst, nachdem er durch Einreichung des Kirchenzeugnisses oder die abgegebene Erklärung dem Praeses Pres bytern sich bekannt gemacht hat.
§. 10. Die Pflichten eines Gemeindegliedes sind:
1. die Gnadenmittel der Kirche in der Gemeinde fleissig zu ge brauchen;
2. einen unanstössigen Lebenswandel zu führen, daher insbesondere sich keines Verbrechens schuldig zu machen, nicht dem Trunke ergeben und kein Ehebrecher zu sein;
3. sich der bestehenden Kirchenordnung zu unterwerfen; und
4. die erforderlichen Beiträge für die Bedürfnisse der Schule und Kirche zu leisten;
5. dem Kaiser die Treue unverbrüchlich zu wahren, und jeder welt lichen Obrigkeit in Gemässheit der bestehenden Vorschriften und Gesetze willigen Gehorsam leisten.
§. 11. Jede Kirchengemeinde hat das Recht, ihren Pfarrer und die Pfarrgehilfen (Prediger) und Schullehrer zu wählen.
Die bisherige Gepflogenheit bei der Besetzung der Prediger- und Schullehrer - Stellen in den Städten wird jedoch einstweilen aufrecht er halten.
§. 12. Jede Pfarrgemeinde wird in ihren Gemeindeangelegenheiten durch ein Presbyterium vertreten, welches aus dem Pfarrer, aus Aeltesten, Kirchenmeistern und Armenpflegern (Diakonen) besteht.
§. 13. Den Vorsitz im Presbyterium hat der Pfarrer zu führen.
§. 14. Die Zahl der Mitglieder des Presbyteriums richtet sich nach der Grösse der Gemeinde; doch sollen deren, ausser dem Pfarrer in Ge meinden unter fünfhundert Seclen zum wenigsten acht sein.
Diese Zahl kann vermehrt werden in Gemeinden von mehr als fünf hundert bis tausend Seclen mit vier Individuen = dreizehn,
in Gemeinden von tausend bis tausend fünfhundert Seclen mit vier
Individuen = siebzehn,
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in Gemeinden von tausend fünfhundert bis zweitausend, fünfhundert Seclen mit vier Individuen = einundzwanzig,
in Gemeinden von zweitausend fünfhundert bis dreitausend fünf hundert Seclen mit vier Individuen =: fünfundzwanzig,
in Gemeinden von über dreitausend fünfhundert Seclen mit vier Individuen = neunundwanzig.
Ueber dieses Maximum von neunundzwanzig Mitgliedern darf in der Zusammensetzung des Presbyteriums auch in den grössten Gemeinden nicht hinausgegangen werden.
§. 15. Mit Ausnahme des Pfarrers werden die übrigen Mitglieder des Presbyteriums in kleineren Gemeinden, deren Seclenanzahl unter funfhundert ist, von allen nach §. 33 stimmfähigen Gemeindegliedern, in grösseren Gemeinden aber von dem, mit der grösseren Gemeindevertre tung zu einem Wahlkörper vereinigten Presbyterium, immer jedoch unter dem Vorsitze des Pfarrers gewählt.
Die Dauer der Wahl erstreckt sich auf vier Jahre.
Alle zwei Jahre scheidet die Hälfte der Mitglieder aus; doch kön nen die Ausscheidenden wieder gewählt werden.
Es dürfen nur die im §. 33 bezeichneten selbstständigen Gemeinde glieder zu Mitgliedern des Presbyteriums gewählt werden, deren Wandel unsträflich ist, die einen guten Ruf in der Gemeinde haben, und durch Theilnahme an dem öffentlichen Gottesdienste und heiligen Abendmahle ihre kirchliche Gesinnung beweisen.
§. 16. Die Mitglieder desPresbyteriums'müssendasdreissigste Lebens jahr zurückgelegt haben und Familienväter sein.
§. 17. Auch dürfen nicht Vater und Sohn, nicht Grossvater und Enkel, nicht Brüder, auch nicht Schwiegervater und Eidam zu gleicher Zeit Mitglieder des Presbyteriums sein.
§. 18. Die Wahlmodalität ist folgende:
1. Der Wahltag wird von dem Pfarrer in der Regel acht Tage früher von der Kanzel verkündiget.
2. Am bestimmten Wahltage versammeln sich alle, nach §. 33 stimm fähigen Gemeindeglieder, welche in ein Verzeichniss eingetragen sein müssen, in der Kirche zur bestimmten Stunde.
3. Der Pfarrer hält eine kurze Ansprache mit Gebet über die hohe Wichtigkeit des bevorstehenden Wahlactes.
4. Nach dem Schlusse des Gebetes ruft der Pfarrer jeden Stimm berechtigten in der durch das vorliegende Stimmregister bestimmten Rei henfolge zur Abgabe seiner Stimme vor.
5. Die Abstimmung geschieht geheim und schriftlich.
6. Jeder Stimmende schreibt seine Candidaten auf ein vom Pfarrer hingereichtes, unbeschriebenes Blatt Papier. — Zu Hause geschriebene Stimmzettel dürfen nicht abgegeben, noch angenommen werden.
7. Wer seinen Stimmzettel nicht selbst schreiben will, kann sich der anwesenden Pfarrgehilfen oder Schullehrer, welche zur Geheimhaltung verpflichtet sind, bedienen.
8. Sämmtliche Stimmzettel werden in ein lecres, vor dem Pfarrer stehendes Gefäss geworfen.
9. Haben alle Wähler ihre Stimmen abgegeben; so ernennt der
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Pfarrer einige Mitglieder, welche die Stimmen zusammenzählen; und jene wahlfähigen Gemeindeglieder, auf welche die meisten Stimmen fallen, werden zu Presbytern ausgerufen.
§. 19. Ohne erhebliche Gründe, zu welchem ein Alter über sechzig Jahre, allgemein bekannte Kränklichkeit, oder ein Geschäft, welches mit häufiger oder langer Abwesenheit von der Gemeinde nothwendig verbun den ist, sowie zwei mit Vermögensverwaltung verbundenen Vormund schaften zu zählen sind, dürfen die zum ersten Male in das Presbyterium Gewählten sich dem Amte, wozu sie erwählt werden, nicht entziehen. Bei einer Wiederwahl kann der Wiedererwählte die Stelle eines Pres byters ablehnen.
Wer aber im Falle der erstmaligen Erwählung das Amt eines Pres byters ohne erhebliche Gründe ablehnt, verliert dadurch das Recht, in Zukunft als Glied des Presbyteriums und der grösseren Gemeindever tretung gewählt zu werden. Ueber die Giltigkeit der Entschuldigungsgründe hat zunächst das Presbyterium und auf dem Wege des Recurses der, der Bezirksversammlung vorsitzende Dechant (§. 49) zu entscheiden.
§. 20. Die in das Presbyterium erwählten Gemeindeglieder sollen nach becndigter Predigt öffentlich von der Kanzel der Gemeinde an zwei auf einander folgenden Sonntagen angezeigt, und darauf vor der Gemeinde durch den Pfarrer in ihr Amt eingeführt werden. Nur bis zur vollzoge nen zweiten Verkündigung können Einsprüche gegen die Wahl aus dem Grunde eines erwiesenen, ordnungswidrigen Vorganges eingelegt werden. Ueber diese Einsprüche hat zunächst das Presbyterium und auf Recurs der betreffende (§. 49) Dechant zu entscheiden.
§. 21. Das Presbyterium versammelt sich ohne Aufforderung des Präses, in der Regel den ersten Sonntag jeden Monats nach dem Vor mittagsgottesdienste, entweder in der Sacristei, oder in einem anderen be stimmten , angemessenen Locale der kirchlichen Gemeindegebäude. Im Erforderungsfalle kann jedoch der Präses das Presbyterium durch eine schriftliche Aufforderung, welche den Mitgliedern wenigstens Einen Tag früher bekannt gemacht werden muss, auch zu einer ausserordentlichen Versammlung berufen.
§. 22. Der vorsitzende Pfarrer handhabt die Geschäftsordnung und legt die Gegenstände zur Berathung vor. Ausserdem kann auch jedes andere Mitglied des Presbyteriums Anträge stellen. Nur hat der Präses bei Verantwortung strenge darauf zu halten, dass Ordnung, Anstand und Würde in der Versammlung nicht verletzt, und nur über Angelegenheiten der Kirche verhandelt und beschlossen werde.
§. 23. Um giltige Beschlüsse fassen zu können, muss mehr als die Hälfte der Mitglieder des Presbyteriums anwesend sein.
Die Beschlüsse werden durch absolute Majorität der Stimmen der Anwesenden gefasst.
Gegen einen Majoritätsbeschluss kann lediglich zu Protokoll eine Separatmeinung gegeben werden, welche aber die Giltigkeit desselben nicht im mindesten in Frage stellt. Sollte der in einer späteren Sitzung gestellte Antrag auf Wiederaufnahme zu einer neuen Verhandlung über den bereits abgeschlossenen Gegenstand führen, so sind von der Ver handlung und von der Abstimmung ausgeschlossen;
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a) alle jene Mitglieder, welche zur Zeit der früheren Beschlussfassung abwesend waren;
b) der Antragsteller, auch wenn er in der früheren Sitzung bei der Schlussfassung über diese Angelegenheit anwesend war.
§. 24. Ueber die Verhandlungen wird ein Protokoll geführt, welches die anwesenden und abwesenden Mitglieder namentlich aufzuführen, den Gegenstand der Berathung und den Beschluss nebst Entwicklung der dafür sprechenden Gründe zu enthalten hat. Das Protokoll wird von sämmtlichen anwesenden Mitgliedern unterfertiget und bei der Visitation vorgelegt. Auszüge aus diesem Protokolle werden durch die Unterschrift des Pfarrers und die Beidrückung des Pfarrsiegels beglaubiget.
§. 25. Mit der Dienstleistung eines Schriftführers ohne Stimmrecht kann Jemand aus der Reihe der Pfarrgehilfen und Schullehrer, welche als Untergebene des Presbyteriums in demselben weder Sitz noch Stimme haben können, betraut werden.
§. 26. Der bisherige Wirkungskreis der Localconsistorien wird vor läufig aufrecht erhalten und auf die Presbyterien übertragen, mit fol genden näheren Bestimmungen:
a)Jene Functionen, welche im §. 30 der grösseren Gemeindevertre tung zugewiesen werden, können nur von der letzteren rechtsgiltig ausgeübt werden;
b) die Pfarrgemeinde wird in der Bezirksversammlung durch den Pfarrer von Amtswegen vertreten, welchem in der Eigenschaft eines gleich stimmberechtigten Vertreters noch ein weltliches Mitglied durch das Presbyterium beigegeben wird. — Das Presbyterium kann dieses weltliche Mitglied entweder aus seiner Mitte, oder aus der Reihe der Gemeindevertreter durch geheime Abstimmung erwählen und musg den Gewählten mit einem Beglaubigungszeugnisse versehen;
c) das Presbyterium hat die Vorlagen an die grössere Gemeindever tretung vorzubereiten und gehörig zu begründen.
d) das Presbyterium hat in Fragen, welche die ganze evangelische Kirche berühren, seine Wünsche, und jedenfalls gehörig begründeten Vor schläge in bescheidenen Vorstellungen der Bezirksversammlung zu unterlegen, welche darüber nach ihrem Wirkungskreise (§. 52. Absatz c) die gecigneten Beschlüsse zu fassen hat.
An andere Versammlungen oder Behörden in solchen Ange legenheiten sich unmittelbar zu wenden, ist dem Presbyterium nicht gestattet. §. 27. Die Pflichten der Aeltesten sind vorzüglich folgende:
1. Sollen sie beim öffentlichen Gottesdienste über gute Ordnung wachen;
2. sollen sie Diejenigen, welche durch Nichtbesuchung des Gottes dienstes, oder sonst durch Uebertretung der, den Gemeindegliedern oblie genden, kirchlichen und christlichen Pflichten Anstoss geben, dem Pfarrer zur Belehrung, Warnung und Zurechtweisung anzeigen;
3. sollen sie insbesondere die Ueberwachung der Bruderschafts-, Schwesterschafts- und Nachbarschafts - Ordnungen sich angelegen sein Jossen, und in dieser Richtung den Pfarrer unterstützen.
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§. 28. Die Kirchenmeister (Kirchenväter) haben folgende besondere Obliegenheiten:
a) Sie empfangen alle Einnahmen der Kirche und bestreiten aus den selben die Ausgaben auf Anweisungen, welche von dem Präses des Presbyteriums, über Beschlnss des letzteren, unterzeichnet werden;
b) sie legen jährlich Rechnung von ihrer Verwaltung ab, und haben «ich jeder besonderen, von dem Presbyterium angeordneten Cassen- revision ohne Verzug zu unterwerfen;
c) *ie führen die besondere Aufsicht über das bewegliche und unbe wegliche Eigenthum der Gemeinde, erstatten regelmässig am Schlüsse jeden Jahres dem Presbyterium einen erschöpfenden Bericht über den Zustand desselben, stellen schriftliche Anträge in der Versamm lung des Presbyteriums über die ergiebigere Benützung des unbe weglichen Eigenthumes und über die nöthigen Bauunternehmungen.
§. 29. Die besonderen Obliegenheiten der Armenpfleger sind folgende:
1. Sie sorgen für die Waisen und Armen der Gemeinde, indem sie deren Familienverhältnisse, ihren häuslichen und sittlichen Zustand unter suchen, ihre Bedürfnisse erforschen, die zur Befriedigung derselben nöthigen Anträge in der Versammlung des Presbyteriums machen, und die in dieser Hinsicht gefassten Beschlüsse vollziehen;
2. Sie verwalten die Armenmittel der Gemeinde, besorgen die ent sprechenden Einnahmen und Ausgaben, letztere nach den ihnen zu er- theilenden Anweisungen des Präses des Presbyteriums, und legen jähr lich von ihrer Verwaltung dem Presbyterium Rechnung ab. Auch haben sie sich jeder von dem Presbyterium angeordneten besonderen Cassen- revision ohne Verzug zu unterwerfen.
3. Sie besorgen die Sammlungen der freiwilligen Beiträge für die Armen und Waisen.
4. Sie besorgen die Sammlungen der milden Gaben und freiwilligen Beiträge für die Kirche und die von den betreffenden Kirchenbehörden angeordneten kirchlichen Collecten.
Von der grösseren Gemeindevertretung. §. 30. Jede evangelische Gemeinde, welche über dreihundert Seclen zählt, erhält ausser dem Presbyterium (§. 14) eine grössere Gemeinde vertretung, welche gemeinschaftlich und in einem Körper mit dem Presbyterium vereiniget
a) die Pfarrgehilfen, mit einstweiliger Aufrechthaltung des §. 11, auf Lebensdauer wählt;
b) die Schullehrer wählt; wobei jedoch die näheren Bestimmungen über die Wählbarkeit derselben einer eigenen Verhandlung vorbehalten bleiben;
c) über die Veränderung in der Substanz des Grundeigenthumes der Gemeinde, Erwerbung oder Veräusserung desselben beschliesst; im Falle der Veräusserung ist jedoch die Genehmigung des Superinten denten im Wege des Dechanten einzuholen;
d) die Bedingungen der zeitweiligen Verpachtung des kirchlichen Eigen thumes an andere genehmiget;
e) Gehalte für Kirchendiener und Kirchenbeamte bestimmt;
f) Gehaltszulagen für Kirchendiener und Kirchenbeamte festsetzt, hin
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sichtlich der Pfarrgehilfen und der Schullehrer jedoch bei der Aus übung dieses Gehaltsbestimmungsrechtes an die Beschränkung ge bunden ist, ihre Einkünfte nicht herabsetzen zu dürfen; g) bei Unzugänglichkeit des kirchlichen Vermögens der Gemeinde die Bedeckung der nöthigen Bedürfnisse berathet, nöthigen Falles die Umlage auf die Mitglieder der kirchlichen Gemeinde nach dem Mass stabe der, von denselben zu zahlenden, directen Steuer, oder Com- munalumlage beschliesst, und im Wege des betreffenden Dechanten und Superintendenten um Genehmigung dieser Umlage bei dem k. k. Ministerium für Cultus ansucht.
§. 31. Die Anzahl dieser Vertreter wird nach der Grösse der Sec lenzahl der Gemeinden in folgendem Verhältnisse festgestellt:
a) In Gemeinden von dreihundert Seclen und darunter werden alle stimmfähigen Gemeindeglieder berufen;
b) auf Gemeinden von mehr als dreihundert bis fünfhundert Seclen fallen sechsunddreissig Repräsentanten;
c) auf Gemeinden von über fünfhundert bis tausend Seclen fallen acht undvierzig Repräsentanten;
d) auf Gemeinden von über tausend bis tausend fünfhundert Seclen fallen sechzig Repräsentanten;
e) auf Gemeinden von über tausend fünfhundert bis zweitausend fünf hundert Seelen fallen zweiundsiebzig Repräsentanten:
f) auf Gemeinden von über zweitausend fünfhundert bis dreitausend fünfhundert Seclen fallen vierundachtzig Repräsentanten;
g) auf Gemeinden von über dreitausend fünfhundert bis fünftausend Seclen fallen hundert Repräsentanten;
h) auf Gemeinden von mehr als fünftausend Seclen fallen hundert zwanzig Repräsentanten; und es darf diese Zahl in keinem Falle überschritten werden. §. 32. Vorbehaltlich weiterer Bestimmungen wird das Wahlcolle- gium, welches den Pfarrer wählt, in jenen Gemeinden, welche mehr als tausend Seclen zählen, aus dem Presbyterium und der grössern Gemein devertretung bestehen; in jenen Gemeinden dagegen, welche die eben erwähnte Anzahl von tausend Seclen nicht übersteigen, werden, wie bisher, alle nach §. 33 stimmfähigen Glieder der Gemeinde an der Erwählung des Pfarrers Antheil nehmen.
§. 33. Wähler der Gemeindevertreter sind alle Gemeindeglieder, welche das fünfundzwanzigste Lebensjahr zurückgelegt haben, zu den Bedürfnissen der Gemeinde ihre Beiträge leisten, und
a) entweder ein Staats- oder Gemeindeamt bekleiden;
b) oder einem eigenen Geschäfte vorstehen;
c) oder eine eigene Haushaltung führen.
§. 34. Wählbar zu Gemeindevertretern sind die im §. 33 bezeich neten selbstständigen Gemeindeglieder, welche das fünf und zwanzigste Lebensjahr zurückgelegt, einen unbescholtenen Ruf haben, ehrbaren Le benswandel führen, und an dem Gottesdienste und heiligen Abendmahle fleissig Theil nehmen.
§. 35. Die Gemeindevertreter werden durch Stimmenmehrheit ge wählt. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos. .
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Die weiteren Bestimmungen über die Wahlmodalität werden für den ersten Fall im Einvernehmen des Präses des Oberconsistoriums mit dem Superintendenten nach Massgabe der, nicht überall gleichen, Ver hältnisse festgestellt.
§. 36. Die zu wählenden Gemeindevertreter werden auf sechs Jahre ernannt. Alle zwei Jahre scheidet ein Drittheil derselben aus. Die nach zwei oder vier Jahren Austretenden werden durch das Loos bestimmt. Nach sechs Jahren scheidet jenes Drittheil aus, welches bei der ersten und zweiten Verlosung nicht zum Austritte bestimmt worden war.
§. 37. Die Ausgeschiedenen sind wieder wählbar.
§. 38. Die Gemeindevertreter dürfen sich nur auf Beschluss und Veranlassung des Presbyteriums versammeln, und werden von dem Prä ses des Presbyteriums, nachdem derselbe die zum Vortrage und zur Be- rathung kommenden Gegenstände vorher an der Kirchenthüre hat an schlagen lassen, zusammenberufen und wird ihnen der Versammlungstag in der Regel acht Tage früher bekannt gemacht.
§. 39. Von der Berathung oder Besprechung der Gemeindevertre tung sind ausser den in §. 30 aufgezählten Gegenständen alle anderen ausgeschlossen, bei sonstiger Nichtigkeit aller in der Versammlung ge- fassten Beschlüsse.
§. 40. Die Gemeindevertretung beschliesst unter dem Präses, des Pres byteriums durch Stimmenmehrheit gemeinschaftlich mit dem Presbyterium über die zur Berathung vorgelegten Gegenstände.
Ueber alle zur Abstimmung kommenden Fragen wird mit „ J a" oder „Nein" abgestimmt; niemals darf eine Frage durch Zuruf ent schieden werden.
Der Abstimmung kann sich kein Anwesender enthalten.
Bei Gleichheit der Stimmen gibt der Präses des Presbyteriums den Ausschlag.
§. 41. Um einen giltigen Beschluss fassen zu können, muss die absolute Majorität, oder mehr als die Hälfte des, aus dem Presbyterium und der Gemeindevertretung bestehenden Collegiums gegenwärtig sein.
§. 42. Ueber jede Sitzung der Gemeindevertretung ist ein beson deres Protokoll zu führen, welches zu seiner Beglaubigung von dem Vorsitzer, den anwesenden Mitgliedern des Presbyteriums und einem Schriftführer unterfertiget werden muss.
Das Protokoll hat zu enthalten:
a) die nach §. 26, Absatz c) gemachten Vorlagen des Presbyteriums in wörtlicher Vollständigkeit;
b) die Fragen, über welche abgestimmt wird;
c) die namentliche Aufführung aller Stimmenden nebst der Angabe: ob sie mit „Ja," oder mit „Nein" gestimmt haben;
d) den Beschluss nebst den dafür sprechenden Gründen.
Protestationen und Separatmeinungen sind lediglich im Protokolle aufzunehmen, und es kann ihnen weiter keine Folge gegeben werden.
Die Sitzungen des Presbyteriums sowohl, als der grösseren Gemeinde vertretung, sind, gemäss dem bisherigen Gebrauche, nicht öffentlich.
§. 43. Das Protokoll ist dem Dechanten, welcher in der Bezirks versammlung den Vorsitz führt, zur Bestätigung vorzulegen. Der Dechant
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hat sich bei der Prüfung des Protokolles genau nach den Bestimmungen der gegenwärtigen Vorschrift zu halten.
Die Beschlüsse der Gemeindevertretung können nur nach erfolgter Bestätigung vollzogen werden.
§. 44. Wenn eine Versammlung von Gemeindevertretern wiederholt und hartnäckig ihre Pflicht vernachlässiget, oder in Unordnung und augen scheinliche Parteiung verfällt, so hat der Dechant hierüber an den Super intendenten zu berichten.
Der Superintendent kann nach genauer Untersuchung die Gemein devertretung auflösen, die Bildung einer neuen anordnen, und erwiesene Unruhestifter, nach dem unzweifelhaften Masse ihrer Schuld, auf eine bestimmte Zeit oder für immer von der Wählbarkeit zu Gemeindever tretern ausschliessen.
Zweiter Abschnitt. Von den Bezirksgemeinden (Decana- ten) und ihrer Vertretung.
§. 45. Die einzelnen Pfarrgemeinden eines Bezirkes zusammen bil den die Bezirkskirchengemeinde.
§. 46. Die evangelische Landeskirche augsburgischer Confession besteht aus neun Bezirkskirchengemeinden, deren jede nach dem Haupt orte des Bezirkes benannt wird, und zwar:
1. Mediascher Bezirkskirchengemeinde. Diese umfasst die bisherigen Kirchsprengel des Mediascher und Bogeschdorfer Capitels.
2. Hermannstädter Bezirkskirchengemeinde. Sie wird ge bildet aus den. Kirchensprengeln des Hermannstädter und Leschkircher Capitels und dem der Kaltwasser Surrogatie.
3. Kronstädter Bezirkskirchengemeinde. Sie begreift den bisherigen Kirchensprengel des Burzenländer Capitels nebst der Gemeinde Särkäny.
4. Bistritzer Bezirkskirchengemeinde. Sie umfasst die bishe rigen Kirchsprengel des Bistritzer und des Schogener Capitels nebst der Gemeinde Kusma.
5. Mühlbächer Bezirkskirchengemeinde. Sie begreift die bis herigen Kirchsprengel des Unterwälder Capitels mit der Zekascher Sur rogatie, so auch das Brooser Capitel, nebst den Gemeinden Karlsburg, Enyed, Thorda, Klausenburg.
6. Schässburger Bezirkskirchengemeinde. Sie wird gebildet aus den bisherigen Kirchsprengeln des Kissder Capitels, der Repser Ab theilung des Kossder Capitels und aus dem des Lassler Capitels.
7. Schelker Bezirkskirchengemeinde mit dem Bezirkshaupt orte Kleinschelken.. Sie umfasst die bisherigen Kirchsprengel des Sehelker Capitels mit der Vierdörfer Surrogatie, und des Bolkatscher Capitels.
8. Schenker Bezirkskirchengemeinde mit dem Bezirkshaupt orte Grossschenk und den bisherigen Kirchensprengeln des Schenker Ca pitels, der Schenker Abtheilung des Kossder Capitels, der Magareier Surrogatie und der Gemeinde Fogaras.
9. Reener Bezirkskirchengemeinde mit den bisherigen Kirch sprengeln des Kecner und Tekendorfer Capitels und der Gemeinde Keumarkt.
Verordnung von 27. Februar *855. 363
Nacli Massgabe der voranstehenden Gliederung in neun Bezirksge meinden ist eine damit übereinstimmende neue Eintheilung der bisher bestandenen Capitel in neun Capitel unter Berücksichtigung der dermali gen politischen Eintheilung (Landes-Regierungsblatt für das Grossfürsten- thum Siebenbürgen, Jahrgang 1854, zweite Abtheilung. Viertes Stück) zu machen und der Entwurf derselben vor seiner Durchführung dem k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht im Wege der Landeskirchenveu-- sammlung zur Genehmigung vorzulegen.
§. 47. Die Bezirksgemeinde wird in ihrer Gesammtheit durch die Bezirkskirchenversammlung vertreten.
§. 48. Die Bezirksversammlung besteht:
a) aus allen Pfarrern der Bezirkskirchengemeinde;
b) aus eben so vielen weltlichen Abgeordneten, welche nach §. 26, Absatz b) durch die Presbyterien immer nur für die Dauer der eben zu beschickenden Bezirksversammlung gewählt werden.
§. 49. In der Bezirkskirchenversammlung führen den Vorsitz die von der Geistlichkeit gewählten Dechanten, und zwar haben den Vorsitz zu führen:
1. In der Mediascher Bezirksversammlung der Dechant des Media- acher Capitels;
2. in der Hermannstädter Bezirksversammlung der Dechant des Her mannstädter Capitels;.
3. in der Kronstädter Bezirksversammlung der Dechant des Bur- zenländer Capitels;
4. in der Bistritzer Bezirksversammlung der Dechant des Bistritzer Capitels;
5. in der Mühlbächer Bezirksversammlung der Dechant des Unter wälder Capitels;
6. in der Schässburger Bezirksversammlung der Dechant des Kissder Capitels;
7. in der Schelker Bezirksversammlang der Dechant des Schelker Capitels;
8. in der Schenker Bezirksversammlung der Dechant des Schenker Capitels;
9. in der Recner Bezirksversammlung der Dechant des Reener Capitels.
Im Verhinderungsfalle des zum Vorsitze berufenen Dechanten führt den Vorsitz der Pfarrer des Bezirkshauptortes.
§. 50. Die Bezirksversammlung tritt über die, vom Vorsitzer wenig stens vierzehn Tage früher zu erlassende Einladung jährlich zweimal im Hauptorte zusammen.
Der Vorsitzer hat in seinem Einladungsschreiben an die Presbyterien die wichtigsten Gegenstände der bevorstehenden Berathung zu erwähnen.
§. 51. Beschlussfähig ist die Versammlung, wenn die absolute Ma jorität ihrer Mitglieder gegenwärtig ist.
§. 52. Der herkömmliche und bisher bestandene Wirkungskreis der Domesticalconsistorien wird auch auf die Bezirksversammlung, vorbehalt li#h späterer Regelung desselben, provisorisch übertragen,, mit folgenden näheren Bestimmungen:
364 Verordnung von 27. Februar 1855.
a) alle jene Fälle, welche von den bisher bestandenen Domesticalconsi- storien in erster Instanz oder im Berufungswege entschieden worden sind, gehören vor das Bezirksconsistorium (§. 82);
b) das Candidationsrecht zu den erledigten Pfarrern wird provisorisch aufrecht erhalten, und ist von dem betreffenden Bezirksconsistorium auszuüben;
c) die von den Presbyterien über Fragen, welche die ganze evangelische Kirche berühren, an die Bezirksversammlung gerichteten Vorstellungen ; sind mit beigefügtem, zustimmenden oder ablehnenden Gutachten der Landeskirchenversammlung zu unterlegen, in der Einbegleitungsvor- stellung sind aber jedesmal die Gründe der Zustimmung oder Ableh nung in gehöriger Vollständigkeit zu entwickeln;
d) alle von der Bezirksversammlung an die Landeskirchenversammlung gerichteten, immer gehörig zu begründenden Anträge auf Einführung neuer Vorschriften müssen jedesmal zugleich mit detaillirten Vor schlägen zu ihrer Durchführung unterstützt werden;
e) alle Beschwerden, welche die Bezirksversammlung der Landeskirchen versammlung zur weiteren Vertretung unterlegen zu sollen erachtet,- müssen sowohl in Hinsicht auf die Thatsachen, welche der Beschwerde zum Grunde gelegt werden, als auch in Hinsicht auf die rechtliche Ausführung gehörig begründet sein;
f) in Fragen, welche die ganze evangelische Kirche berühren, hat sich die Bezirksversammlung an die Landeskirchenversammlung zu wen den, und es ist ihr nicht gestattet, Vorstellungen in solchen Ange legenheiten unmittelbar an andere Versammlungen oder Behörden zu richten.
§. 53. Mit Ausnahme der im §. 49 aufgezählten Dechanten, welche von Amtswegen Mitglieder der Landeskirchenversammlung sind, werden die übrigen Mitglieder der Landeskirchenversammlung nach dem im §. 61 bestimmten Zahlenverhältnisse von der betreffenden Bezirksversammlung gewählt.
Die Wahl wird nach folgenden Grundsätzen vollzogen:
1. Die Wahl ist ausser dem Erfordernisse, dass der zu Wählende selbstständig (§. 33, Absatz a, b, c) sei und sein dreissigstes Lebensjahr zurückgelegt habe, an keine weitere beschränkende Bedingung gebunden.
2. Die Wahl ist frei, die Abstimmung geheim und absolute Stim menmehrheit erforderlich.
3. Erhält bei der ersten Abstimmung Niemand die absolute Stim menmehrheit, so wird unter den zwei Individuen, welche die meisten Stimmen haben, noch einmal abgestimmt.
Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos.
4. Die Wahl gilt nur für die bevorstehende Landeskirchenversamm lung, mit deren Ende auch das Mandat der Abgeordneten erlischt.
§. 54. Der Vorsitzende ist dafür verantwortlich, dass kein Beschluss gefasst werde, welcher eine Verletzung der bestehenden bürgerlichen oder kirchlichen Gesetze enthält.
Der Vorsitzende hat daher, im Falle ein solcher Beschluss gefasst werden sollte, die Verhandlung durch sein Veto zu sistiren. — Dagegen
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kann die Versammlung an das Superintendential - Consistorium und von diesem an das k. k. Ministerium des Cultus recurriren.
§. 55. Die Gegenstände der Berathung werden von dem Vorsitzen den vorgetragen. — In wichtigen Angelegenheiten bereitet die Vorlagen das Bezirksconsistorium.
Ausserdem kann jedes Mitglied Anträge stellen, hat jedoch vor der ersten Sitzung dieselben dem vorsitzenden Dechanten zu überreichen.
Alle Beschlüsse werden durch individuelle Abstimmung gefasst.
Ueber alle Fragen wird mit „Ja" oder mit „Nein" abgestimmt.
Der Abstimmung kann sich kein Anwesender entziehen.
Jeder stimmt bloss nach Ueberzeugung, und darf sich kein Abge ordneter eines Presbyteriums auf eine Instruction berufen.
Bei Gleichheit der Stimmen gibt der Präses den Ausschlag.
§. 56. Ueber die Sitzungen der Bezirksversammlung wird ein ge naues umfassendes Protokoll geführt, welches zu enthalten hat:
a) alle Vorlagen;
b) alle Anträge nebst ihrer Begründung;
c) die Fragen, über welche abgestimmt wird;
d) die namentliche Aufführung aller Stimmenden nebst der Angabe, ob sie mjt „Ja" oder mit „Nein" gestinmmt haben;
e) den Beschluss nebst den dafür sprechenden Gründen.
Protestationen und Separatmeinungen sind zwar in das Protokoll aufzunehmen; es kann ihnen aber, mit Ausnahme des nach §.54 dem Vor sitzenden zustehenden Veto, weiter keine Folge gegeben werden.
§. 57. Das Archiv der Bezirkskirchengemeinde ist in dem Hauptorte aufzubewahren.
Alle Ausfertigungen werden im Namen der Bezirkskirchengemeinde vom Vorsitzenden (§. 49) und einem Schriftführer unterschrieben.
Der von der Bezirksversammlung zu wählende Schriftführer muss seinen Wohnsitz im Hauptorte des Bezirkes haben.
§. 58. Das Protokoll wird in der Schlusssitzung vorgelesen, vom Vorsitzenden und Schriftführer unterfertiget und dem Superintendenten zur Einsicht und Bestätigung vorgelegt, und nachdem diese erfolgt ist, durch den Dechanten allen Pfarrgemeinden mitgetheilt und in den Presbyterien durch den Pfarrer publicirt.
Der Superintendent hat die Bestätigung zu verweigern, wenn die Bezirksversammlung sich Competenz-Uebergriffe oder Verletzungen der bürgerlichen und kirchlichen Gesetze hat zu Schulden kommen lassen.
§. 59. Die Sitzungen sind, gemäss dem bisherigen Gebrauche, nicht öffentlich.
Dritter Abschnitt. Von der Landeskirchengemeinde und ihrer Vertretung.
§. 60. Die evangelische Landeskirche Augsburgischen Bekenntnisses in Siebenbürgen umfasst alle diesem Bekenntnisse zugethanen Kirchenge meinden , und wird in ihrer Gesammtheit durch die Landeskirchenver sammlung vertreten.
§. 61. Die Landeskirchenversammlung besteht im Ganzen aus sechs
866 Verordnnng von 27. Februar 1855.
unddreissig Mitgliedern, welche zu gleichen Hälften dem geistlichen und dem weltlichen Stande angehören. Es gehören zu derselben:
1. Der Superintendent von Amtswegen.
2. Die im §. 49 aufgezählten Dechanten für die Dauer ihrer Amts periode.
3. Die übrigen Mitglieder werden von den Bezirksversammlungen gewählt und abgeordnet, in folgendem Zeitverhältnisse:
a) von der Recner Bezirksversammlung ein weltliches Mitglied;
b) von der Mühlbächer Bezirksversammlung, aus Rücksicht der Einbe ziehung von Broos, ein geistliches und drei weltliche Mitglieder;
c) von jeder der übrigen sieben Bezirksversammlungen werden je ein geistliches Mitglied und je zwei weltliche Mitglieder gewählt.
§. 62. Die Landeskirchenversammlung wird immer in Hermannstadt, als dem bisherigen Sitze des Oberconsistoriums, abgehalten.
§. 63. Den Vorsitz führt von Amtswegen der Superintendent, zu dessen bleibendem Amtssitze Hermannstadt bestimmt ist.
§. 64. Sobald die Landeskirchenversammlung sich constituirt hat, wählt dieselbe durch absolute Stimmenmehrheit auf die Dauer von zwei Jahren aus der Zahl ihrer weltlichen Mitglieder einen Vicepräsidenten, welcher den Superintendenten im etwaigen Verhinderungsfalle im Präsi dium zu vertreten und ihm überhaupt in der Leitung der Geschäfte dieser Versammlung beizustehen hat.
§. 65. Der bisher gesetzlich bestandene Wirkungskreis des Obercon sistoriums wird, vorbehaltlich weiterer Verhandlungen, provisorisch auch auf die Landeskirchenversammlung übertragen, mit folgenden näheren Be stimmungen :
a) alle jene Fälle, welche von dem bisher bestandenen Oberconsistorium in erster Instanz oder im Berufungswege entschieden worden sind, gehören vor das Superintendential-Consistorium;
b) die Landeskirchenversammlung kann die Bedeckung ihrer kirchlichen Bedürfnisse besorgen:
1. durch freiwillige Collecten in den Kirchen ihrer Sprengels,
2. durch milde Gaben, welche im Subscriptionswege geleistet werden,
3. durch Umlage des erforderlichenBeitrages auf die Evangelischen augsburgischer Confession; für diese letztere ist jedoch die Genehmigung bei dem k. k. Ministerium des Cultus früher an zusuchen ;
c) die der Wahl unterliegenden weltlichen Mitglieder des Superinten- dential-Consistoriums werden von der Landeskirchenversammlung gewählt.
§. 66. Beschlussfähig ist die Versammlung, wenn die absolute Majo rität ihrer Mitglieder gegenwärtig ist.
Alle Beschlüsse werden, mit Ausnahme der Wahlen, durch laute individuelle Abstimmung gefasst.
Alle anwesenden Mitglieder sind im gleichen Grade zum Sprechen berechtiget, und stimmen bloss nach ihrer Ueberzeugung; Niemand darf
Verordnung von 27. Februar 1855. S67
sich der Abstimmung enthalten, oder auf eine von seinen Sendern erhal tene Instruction berufen.
Alle Anträge, welche von Mitgliedern der Versammlung gestellt werden sollen, müssen mindestens drei Tage vor der ersten Sitzung dem Superintendenten zugestellt werden, und muss jedem Antrage eine aus führende Begründung beigefügt sein.
Ueber alle Fragen wird mit „Ja" oder „Nein" abgestimmt.
Bei Stimmengleichheit wird noch einmal abgestimmt. Ergibt auch die zweite Abstimmung nicbt Stimmenmehrheit, so gebührt dem Vorsitzen den die Schiedsstimme.
§. 67. Der Vorsitzende ist dafür persönlich verantwortlich, dass kein Beschluss gefasst werde:
a) welcher einen Eingriff in das Gebiet der bürgerlichen Gesetzgebung enthält,
b) welcher unter dem Titel der Eeform und des Fortschrittes eine faktische Beseitigung der bestehenden kirchlichen Gesetze ent hält , oder in seinen Folgen nothwendiger Weise herbeiführen muss. Der Vorsitzende hat daher, im Falle die Berathung eines Gegen standes nach der Mehrzahl der abgegebenen Erklärungen mit einem sol chen Beschlusse enden wollte, die Berathung durch sein Veto zu sistiren, die Gründe dafür jedoch in dem Protokolle niederzulegen.
Die Versammlung hat diesem Veto unbedingt zu gehorchen, und bei sonstiger Nichtigkeit aller während der Dauer dieser Versammlung gefassten Beschlüsse zu einem anderen Berathungsgegenstande überzu gehen; doch steht es ihr frei, bei dem k. k. Ministerium des Cultus gegen den stattgefundenen Gebrauch des Veto motivirte Beschwerde zu führen.
§. 68. Ueber jede Sitzung der Landeskirchenversammlung wird ein genaues umfassendes Protokoll nebst Beilagenheft geführt.
Das Protokoll hat zu enthalten:
a) Alle schriftlichen Vorlagen in gedrängtem Auszuge;
b) alle Anträge der Mitglieder nebst ihrer Begründung im Auszuge:
c) die Fragen, über welche abgestimmt wird;
d) die namentliche Aufführung aller Stimmenden nebst der Angabe: ob sie mit „Ja", oder mit „Nein" gestimmt haben;
e) den Majoritätsbeschluss nebst den dafür sprechenden, in angemes sener Ausführlichkeit aufzuzählenden Gründen. Protestationen und Sondermeinungen müssen augenblicklich
nach Verkündigung des Beschlusses angezeigt, und in der nächsten Sitzung eingereicht werden; doch werden sie lediglich dem Protokolle einverleibt, und kann ihnen, mit Ausnahme des von dem Vorsitzer nach §. 67 auszuübenden Veto, keine weitere Folge gegeben werden.
Das Beilagenheft hat mit steter Beziehung auf das Protokoll und in derselben Reihenfolge alle Schriftstücke entweder in Urschrift oder in vollständiger, dem Originale gleichlautender Abschrift zu enthalten.
§. 69. Am Ende der Schlusssitzung wird sowohl das Protokoll als auch das Beilagenheft bestätiget, vom Superintendenten, dem weltlichen Vicepräsidenten und dem Schriftführer unterfertiget und durch Beidrückung des Superintendentialsiegels beglaubiget.
368 Verordnung von 27. Februar 1855.
Das Protokoll ist nebst dem Beilagenhefte binnen zehn Tagen dem k. k. Ministerium des Cultus zur Prüfung und Bestätigung zu unterlegen.
Vor erfolgter Bestätigung kann kein Beschluss als vollzugsfähig angesehen und publicirt werden.
§. 70. Zur blossen Kenntnissnahme und Aufbewahrung im Kirchen archive können jedoch die Verhandlungen der Landeskirchenversammlung auch vor der Bestätigung des k. k. Ministeriums des Cultus den Dechan- ten, den Pfarrern und Presbyterien, aber immer nur in vollständigen Exemplaren sowohl des Protokolles, als auch des Beilagenheftes, mitge- theilt werden.
§. 71. Die Sitzungen sind, gemäss dem bisherigen Gebrauche, nicht öffentlich.
§. 72. Laufende Geschäftsstücke kann das Superintendential - Con- sistorium erledigen (§. 85).
§. 73. Alle Ausfertigungen sowohl des Superintendential - Consisto- riums, als auch der Landeskirchenversammlung werden vom Superinten denten und vom Schriftführer unterschrieben.
§. 74. Der Schriftführer wird mit einem angemessenen Gehalte blei bend angestellt und führt den Titel: Superintendential-Secretär.
Derselbe wird von der Landeskirchenversammlung durch absolute Stimmenmehrheit gewählt.
Ergibt die erste Abstimmung keine absolute Stimmenmehrheit, so wird zwischen den Beiden, welche die meisten Stimmen haben, noch ein mal abgestimmt.
Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos.
Der Schriftführer wohnt den Sitzungen der Laudeskirchenversamm- lung bei, hat in den ihm vom Superintendenten zugewiesenen Gegen ständen das Referat zu führen, bei der Abstimmung aber keine Stimme; überhaupt hat derselbe die ihm vom Superintendenten aufgetragenen Ge schäfte, gemäss der erhaltenen Weisung, zu besorgen.
Derselbe fungirt auch in den Sitzungen des Superintendential Con- sistoriums als Actuar.
§. 75. Zur Besorgung der Kanzlei- und Manipulations - Geschäfte können zwei Kanzelisten angestellt werden.
Diese erhalten zwar einen angemessenen Jahresgehalt in anticipa- tiven Monatsraten, sind aber in der Regel nicht auf längere Zeit, als auf zwei Jahre anzustellen.
Diese Kanzelisten müssen aus den Candidaten des Pfarr- und Pre digt Amtes genommen werden; auch ist darauf zu sehen, dass nach Ab lauf der festgesetzten Dienstzeit Candidaten aus dem Bereiche einer an deren Bezirksgemeinde in Verwendung genommen werden.
§. 76. Den Termin zur Abhaltung sowohl der Landeskirchenver sammlung, als auch des Superintendential-Consistoriums, bestimmt bis zur Einführung einer definitiven Vorschrift der Superintendent.
§. 77. Den Mitgliedern der Landeskirchenversammlung kann aus der Landeskirchencasse eine angemessene Vergütung ihrer Reisekosten gewährt werden.
Verordnung ven 19. Febniw 48B5. 369
Vierter Abschnitt. Von dem Bezirksconsistorium.
§. 78. In jeder Bezirkskirchengemeinde (§. 46) besteht ein Bezirks- consistorium.
§. 79. Dasselbe besteht:
1. In der Mediascher Bezirkskirchengemeinde aus den De- chanten des Mediascher und Bogeschdorfer Capitels von Amtswegen; dann einem geistlichen und drei weltlichen Beisitzern, welche von der Be zirksversammlung gewählt werden;
2. in der Hermannstädter Bezirkskirchengemeinde aus den Dechanten des Hermannstädter und Leschkircher Capitels von Amts wegen ; dann einem geistlichen und drei weltlichen Beisitzern, welche von der Bezirksversammlung gewählt werden;
3. in der Kronstädter Bezirkskirchengemeinde aus dem Dechanten des Burzenländer Capitels von Amtswegen; dann zwei geist lichen und drei weltlichen Beisitzern, welche von der Bezirksversammlung gewählt werden;
4. in der Bistritzer Bezirkskirchengemeinde aus den De chanten des Bistritzer und Schogener Capitels von Amtswegen; dann einem geistlichen und drei weltlichen Beisitzern, welche von der Bezirks versammlung gewählt werden;
5. in der Mühlbächer Bezirkskirchengemeinde aus den Dechanten des Unterwälder und Brooser Capitels von Amtswegen; dann einem geistlichen und drei weltlichen Beisitzern, welche von der Bezirks versammlung gewählt werden;
ß. in der Schässburger Bezirkskirchengemeinde aus den Dechanten des Kissder Capitels, dem ersten Geistlichen der Repser Ab theilung des Kossder Capitels, und aus dem Dechanten des Lassler Ca pitels von Amtswegen; dann drei von der Bezirksversammlung gewählten weltlichen Beisitzern;
7. in der Schelker Bezirkskirchengemeinde aus den De chanten des Schelker und Bolkatscher Capitels von Amtswegen; dann einem geistlichen und drei weltlichen Mitgliedern, welche von der Be zirksversammlung gewählt werden;
8. in der Schenker Bezirkskirchengemeinde aus dem De chanten des Schenker Capitels, dem ersten Geistlichen der Schenker Abtheilung des Kossder Capitels, von Amtswegen; dann einem geistlichen und drei weltlichen Mitgliedern, welche von der Bezirksversammlung ge wählt werden;
9. in der Reener Bezirkskirchenge.meinde aus den Dechan ten des Recner und Tekendorfer Capitels von Amtswegen; dann einem geistlichen und drei weltlichen Mitgliedern, welche von der Bezirksver sammlung gewählt werden.
Die der Erwählung durch die Bezirksversammlung unterliegenden Mitglieder des Bezirksconsistoriums werden auf die Dauer von zwei Jahren werden.
§. 80. Den Vorsitz führen die in §. 49 bezeichneten Dechanten.
Die Dienste des Schriftführers versieht der in §. 57 erwähnte Actuar der Bezirksversammlung.
§. 81. Das Bezirksconsistorium versammelt sich über schriftliche Kmmäny, Urknndeab. z. Bsterr. evang. KirchenrecM. **
370 Verordnung vom 27. Februar i 855.
Einladung des Vorsitzenden jährlich regelmässig vier Mal im Hauptorte des Bezirkes; ausserordentlich aber, so oft dringende Geschäfte seine Einberufung nothwendig machen.
§. 82. Zum Wirkungskreise des Bezirksconsistoriums gehört:
a) die Entscheidung aller jener Fälle, welche von den bisher bestan denen Domesticalconsistorien in erster Instanz, oder im Berufungs wege entschieden worden sind;
b) die Candidation zu den erledigten Pfarren und die Ernennung der Wahlcommissäre, in Gemässheit der bestehenden Vorschriften;
c) Vorbereitung der Vorlagen an die Bezirksversammlung in allen wichtigen Angelegenheiten.
§. 83. Das Bezirksconsistorium entscheidet nach individueller Ab stimmung durch Mehrheit.
Bei Stimmengleichheit gebührt dem Vorsitzenden die Schiedsstimme.
Gegen die, immer gehörig zu begründenden Entscheidungen ist die Berufung an das Superintendential-Consistorium einzulegen.
Fünfter Abschnitt. Von dem Superintendential-Consi storium.
§. 84. Das Superintendential-Consistorium ist die Obergerichtsbe hörde in kirchlichen Angelegenheiten für alle Evangelischen Augsburgi schen Bekenntnisses in Siebenbürgen.
§. 85. Das Superintendential-Consistorium besteht aus dem Super intendenten, als ordentlichen Vorsitzer, dem Generaldechanten, dem De- chanten des Hermannstädter Capitels und dem evangelischen Stadtpfarrer von Hermannstadt, als geistlichen Beisitzern; von weltlicher Seite gehören dazu der nach §. 64 zu wählende Vicepräsident, und noch zwei, in eben so vielen Abstimmungen von der Landeskirchenversammlung durch abso lute Mehrheit auf die Dauer von zwei Jahren zu wählende, weltliche Beisitzer.
Die Dienste des Schriftführers hat der im §. 74 erwähnte Superin- tendential-Secretär, welcher allen Sitzungen ohne. Stimmrecht beiwohnt, zu versehen.
§. 86. Das Superintendential - Consistorium versammelt sich über Einladung des Superintendenten des Jahres regelmässig vier Mal in Her mannstadt, als dem ordentlichen Amtssitze des Superintendenten; ausser ordentlich aber, so oft dasselbe zusammen berufen wird.
§. 87. Zum Wirkungskreise des Superintendential - Consistoriums gehört:
a) Die Entscheidung aller jener Fälle, welche von dem bisher bestan denen Oberconsistorium in erster Instanz, oder im Wege der Be rufung entschieden worden sind.
Gegen die Entscheidungen kann Berufung an das k. k. Mi nisterium des Cultus eingelegt werden.
b) Die Entscheidung etwaiger Differenzen bei Pfarrerswahlen, und Be setzungen von Pfarrgehilfen- und Schullehrer-Stellen. In dieser Be ziehung hat das Superintendential-Consistorium, vorbehaltlich wei terer Bestimmungen, provisorisch als letzte Instanz, mit Ausschluss jeglicher Berufung, das Amt zu handeln.
Studien-Hofcommissiotis-Decret vom 3. Öctober 1819. 371
c) Die Vorbereitung der Vorlagen an die Landeskirchenversammlung; zu diesem Zwecke kann das Superintendential-Consistorium in wich tigen, oder zu ihrer Bearbeitung einen grösseren Zeitaufwand erfor dernden, Fragen die Gutachten von Specialcommissionen, oder ein zelnen Gliedern der Kirche einholen; überhaupt hat das Superin tendential-Consistorium dafür zu sorgen, dass jeder, von der Lan deskirchenversammlung zu verhandelnde, Gegenstand derselben ge hörig instruirt vorgelegt werde.
§. 88. Die nicht in der nächsten Umgebung von Hermannstadt wohnenden Mitglieder des Superintendential - Consistoriums erhalten aus den Mitteln der Landeskirche eine massige Entschädigung für ihre Auf enthalts- und Reisekosten.
§. 89. Die Sitzungen des Superintendential-Consistoriums sind nicht öffentlich.
§. 90. Das Protokoll des Superintendential-Consistoriums kann von den Mitgliedern der Landeskirchenversammlung eingesehen werden.
Thun m. p.
CXLU.
Errichtung des protestantisch-theologischen Studiums in Wien.
Studien-Hof Commissions-Dekret vom 3. Oktober 1819, Z. 6426. An die Regierung und an die Consistorien Augsb. und Helv. Conf.; Reg.-Zahl 37950.
Se. Majestät haben durch höchste Entschliessung vom 25. Sept. 1819 anzuordnen geruhet, dass zu Wien ein vollständiges Studium für die Re ligions-Verwandten der Augsb. und Helv. Conf. hergestellt werden soll.
Das Nachfolgende enthält die näheren Bestimmungen, und die zu treffenden Einleitungen:
1. Zum Eintritte in dieses Studium sind Gymnasial-Studien nebst eines vollständigen Cursus der philosophischen Wissenschaften, dann Sprach kenntnisse, und zwar eine genauere und wissenschaftlichere Kenntniss von der deutschen wie auch von der lateinischen, dann so viele Kenntnisse von der griechischen Sprache, um das neue Testament grammatisch zu verstehen, endlich die Elemente der hebräischen Sprache erforderlich.
2. Für das neu zu errichtende protest.-theolog. Studium werden fol gende Lehrfächer mit Angabe des Zeitraumes bestimmt.
a) Ein einjähriger philologischer Curs über die griechische und hebräi sche Sprache, als Vorbereitung zu dem Studium der Exegese.
b) Einleitung in die Schriften des alten und neuen Bundes in einem halbjährigen Curse.
c) Exegese in einem anderthalbjährigen Curse.
d) Dogmatik in Verbindung mit Dogmengeschichte und berücksichtigen der Erklärung der symbolischen Bücher jeder Confession in einen) einjährigen Curse.
e) Theologische Moral in einem einjährigen Curse.
f) Kirchengeschichte in einem anderthalbjährigen Curse.
g) Pastoral-Theologie mit Inbegriff der Homiletik in einem einjährigen Curse.
24 *
372 Studien-Hbfcommissions beeret vom 3. October i 819.
h) Kirchenrecht; endlich:
i) Anleitung zum mündlichen und schriftlichen Vortrag durch die ganze Dauer des theologischen Curses.
3. Diese Lehrfächer können Individuen von dieser oder jener Con- fession anvertraut werden, nur für die Dogmatik und eben so für die Exe gese werden zwei Lehrkanzeln bewilligt.
4. Für obangeführte neun Lehrfächer werden sieben Professoren be stimmt, nämlich:
a) Zwei Professoren der Exegese, einen von der Augsb., der andere von der Helv. Confession, welche zugleich den philologischen Curs zu übernehmen, und die Einleitung in die Schriften des alten und neuen Testamentes vorzutragen haben.
b) Ein Professor der Dogmatik Augsb. Confession,
c) Ein Professor der Dogmatik Helv. Confession.
d) Ein Professor der theolog. Moral.
e) Ein Professor der Kirchengeschichte und des Kirchenrechtes.
f) Ein Professor der Pastoral-Theologie mit Inbegriff der Homiletik. Die Anleitung zum mündlichen und schriftlichen Vortrage muss
denjenigen Professoren, nach Massgabe ihrer Kenntnisse der Landesspra chen, übertragen werden, welche hierzu vorzüglich geschickt, und. minder beschäftigt sind.
5. Die Dauer des theolog. Studiums wird auf drei Jahre beschränkt. Die Schüler haben , nach der unten folgenden Ordnung, täglich im
ersten Jahre abwechselnd 3 und 4 Stunden, im zweiten abwechselnd 4 und 5 Stunden, und im dritten Jahre drei Stunden Kollegien zu hören. Auf die Professoren fallen täglich, und zwar auf jene der Exegese drei, auf jene der Dogmatik und der Kirchengeschichte zwei, auf jene der Moral und Pastoral-Theologie nur eine Stunde aus. Einem der beiden letzten kann die Leitung der praktischen Uebungen übertragen werden.
6. In Rücksicht auf die Vorlesebücher wird vorläufig bemerkt, dass dieselben sehr vorsichtig gewählt werden müssen, dieses aber vorzüglich bei den Lehrfächern der Dogmatik nöthig ist.
7. Die unmittelbare Leitung wird einem eigenen Direktor anver traut werden, die weitere Aufsieht über das Ganze aber ist von dem Con- sistorium beider Confessionen zu führen.
8. Die Lehrkanzeln sind mit bekannten inländischen vorzüglichen Theologen zu besetzen. Für gegenwärtig jedoch sind nur diejenigen Pro fessoren , welche im ersten Curs-Jahre Vorlesung zu halten haben, näm lich die zwei Professoren der Exegese und der Professor der Kirchenge schichte anzustellen.
9. Jeder Lehrer hat nur über die ihm zugewiesenen Lehrfächer, und nach der in der gedachten, unten folgenden Ordnung die Vorlesungen zu geben. Die Studirenden haben zur Erlernung der Thcologie, in Hinsicht auf Ordnung und Zeit, genau an die Vorschriften sich zu halten, welche für die Vorlesungen und die Vollendung des ganzen Studiums festgesetzt sind, auch müssen die allgemein vorgeschriebenen Semestral-Prüfungen Statt finden.
10. Zur Abhaltung der Vorlesungen ist, wo möglich in der Nähe der protestantischen Bethhäuser, eine angemessene Ubication zu miethen.
Studien-Hofcommissions-Decret vom 3. October 1819. 373
11. Als jährliche Besoldungen und rücksichtlich Zulagen, bewilligen Se. Majestät
den .zwei Professoren der Exegese 1200 fl.. zusammen . . 2400 fl. dann für den Professor- der KirGhengeschichte und des Kir- chenrechtes, dann für die beiden Professoren der Dogma-
tifc 900 fl., zusammen 2700 „
für den Professor der Moral und eben so für jenen der Pa-
storal-Theologie 600 fl., zusammen 1200 „
für den Unterricht, zum mündlichen und schriftlichen Vor trage eine Zulage von 300 fl., und da dieser Unterricht, wegen Verschiedenheit der Landessprachen, wenigstens von
zwei Professoren gegeben werden muss 600 „
für die Leitung des theolog. Studiums eine Zulage von . . 600 „
Summe ~~! 7500 fl. Vorstehende höchste Erschliessung wird dem Consistorium zur an genehmen 'Wissenschaft, zugleich aber mit dem Auftrage bekannt gemacht: ad a) um diese Lehranstalt noch in dem Laufe des heurigen Jahres zu eröffnen, mit thunlichster Beschleunigung den Vorschlag zur Besetzung der Lehrämter des ersten Curs-Jahres unmittelbar hierher vorzulegen ; ad b) aber die für das erste Cursjahr zu bestimmenden Vorlesebücher durch die k. k. Regierung hierher in Antrag zu bringen.
In Absehen auf das Locale wird die eben erwähnte Regierung, welcher man eine Abschrift gegenwärtiger Verordnung unter Einem mit theilet, angewiesen, dasselbe einverständlich mit dem Consistorium, ohne Verzug ausfindig zu machen, und gegen Vorbehalt der hierortigen Be stätigung zu mietken.
Gegenstände und Ordnung der Vorlesungen«
I. Jahr.
Erstes Semester.
1. Griechische und hebräische Philologie, täglich .... 1 Stunde
2. Einleitung in das alte und neue Testament, täglich . . 1 detto
3. Kir,chengeschichte, täglich 1 detto
4. Anleitung zum mündlichen und schriftlichen Vortrage, täglich 1 detto
Zweites Semester.
1. Fortsetzung des philologischen Studiums, täglich ... 1 detto
2. Exegese des neuen Testamentes, täglich 1 detto
3. Kirchengeschichte, täglich 1 detto
4. Fortgesetzte Anleitung zum mündlichen und schriftlichen Vortrage, täglich 1 detto
IL Jahr.
Erstes Semester.
1. Fortsetzung der Exegese des neuen Testamentes, täglich 1 detto
2. Dogmatik, täglich ,2 detto
3. Moral, täglich 1 detto
4. Fortsetzung der Anleitung zum mündlichen und schriftli chen Vortrage, wöchentlich 2 detto
374 Erlass des Ministeriums des Cultus and Unterricht« vom 8. October 1850.
Zweites Semester.
1. Exegese des alten Testamentes, täglich 1 Stunde
2. Dogmatik, täglich 2 detto
3. Moral, täglich 1 detto
4. Fortgesetzte Anleitung zum mündlichen und schriftlichen Vortrage, wöchentlich 2 detto
III. Jahr. Erstes Semester.
1. Fortsetzung der Kirchengeschichte bis auf die neuesten
Zeiten, täglich 1 detto
2. Homiletik, täglich 1 detto
3. Anleitung zur praktischen homilet. und katechetischen Uebungen, täglich 1 detto
Zweites Semester.
1. Kirchenrecht, täglich 1 detto
2. Die übrigen Theile der Pastoral-Theologie, täglich . . 1 detto
3. Fortsetzung der praktischen Uebungen in der Homiletik
*) und Katechetik, täglich 1 detto
Urkundenbuch zum österreichisch evangelischen Kirchenrecht, ed. Kuzmány, 1855 (Google data) CXLI. , in: Monasterium.net, URL </mom/Kirchenrecht/a0572d8c-a657-4913-b980-a1097379bbe2/charter>, accessed at 2024-11-24+01:00
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