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Collection: Ardagger, Kollegiat (1049-1743)

1. Stiftsgeschichte

2. Bestandsgeschichte

3. Editionen

4. Editionskritik


1. Stiftsgeschichte

Mitte des 13. Jahrhunderts war das Kollegiatstift Ardagger von einem Überfall bewaffneter Anhänger des Herzogs von Bayern betroffen, der sich insbesondere auf das vorhandene Schriftgut vernichtend auswirkte und somit zweihundert Jahre Geschichte dieser Institution nahezu ausradierte. Auch die Stiftungsurkunde dürfte den Ereignissen um 1250 zum Opfer gefallen sein, konnte sich aber als Abschrift erhalten: Danach erfolgte die Gründung des Kollegiatstifts Ardagger am 7. Jänner 1049 durch den Salier Heinrich III. zu Ehren der Hl. Margaretha. Die feierliche Einweihung der Stiftskirche wurde im Jahre 1063 durch Anno, Erzbischof von Köln, vorgenommen, ein Festakt, den wiederum nur eine Urkundenkopie überliefert.
Möglicherweise wurde das Kollegiatstift 1049 bereits mit Besitz dotiert, der in etwa das Gebiet der heutigen Pfarren Stift Ardagger, Markt Ardagger und Kollmitzberg umfasste. Urkundlich gesichert ist allerdings, dass die Pfarre Stephanshart mit der Filialkirche Zeillern erst um 1138-–1147 in das Stiftsgut eingegliedert wurde. Eine genaue Rekonstruktion der Besitzverhältnisse des Kollegiatstifts Ardagger lässt das vorhandene Quellenmaterial aber nicht zu, sodass eine Einschätzung der ökonomischen Situation des Stifts besonders bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts kaum möglich ist. Der Neubau der Stiftskirche unter Propst Heinrich I. (1224–-1239) ist jedoch Indiz dafür, dass die wirtschaftliche Lage des Kollegiatstifts in diesen Jahren einigermaßen günstig gewesen sein muss. Es waren die Mittel vorhanden, um in den Chor des romanischen Gotteshauses das "Margarethenfenster", ein monumental und detailreich gestaltetes hohes Achsenfenster, einzusetzen, das in ursprünglich 15 Kreismedaillons Szenen aus der Vita der Hl. Margaretha, der Patronin des Stifts, zeigt.
Mit der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts bessert sich die Überlieferungssituation des Kollegiatstifts Ardagger. Als besonderer Wohltäter erweist sich Propst Hermann (1280–1296) durch die Stiftung von Ländereien und Wein und ab dem 14. Jahrhundert ist über größere Schenkungen des Adels zu erfahren.
Nachdem das Stift bereits Mitte des 13. Jahrhunderts von bayrischen Truppen heimgesucht worden war, wiederholte sich 1529 das Bild von Plünderung und Zerstörung mit dem Einfall türkischer Reiterscharen auf noch schlimmere Weise. Als das Kollegiatstift Ardagger während des Bauernkrieges von 1596/97 an die aufständischen Bauern Abgaben in Form von Geld und Wein leisten musste, kam es vergleichsweise glimpflich davon. Der Türkensturm dürfte mit einer solchen Intensität über das Stift hinweggefegt sein, dass auch Auswirkungen auf das Kapitel denkbar sind: So wurde seitdem immer wieder die geringe Mitgliederzahl beklagt.
Fest steht, dass die Gemeinschaft der Chorherren zunehmend kleiner wurde und vermutlich spätestens seit der Wende zum 17. Jahrhundert nicht mehr existent war, wofür wirtschaftliche Krisenzeiten als direkte Folge von Kriegen, Reformation und allgemein kirchenkritische Haltung als Gründe angeführt werden können. 1662 wurde das Kollegiatstift in eine Realpropstei umgewandelt. Die Pfründe der einstigen Chorherren wurden vereint, als Verwalter und Nutznießer gleichermaßen fungierte der Propst. Vom Stift entlohnte Vikare kümmerten sich auch weiterhin um die Seelsorge in den Stiftspfarren und lebten zusammen in der Propstei, erfüllten also jene Gemäuer mit geistlichem Leben, die von manchem Propst der Spätzeit nur noch selten besucht wurden. Diese Pröpste hatten an Ardagger in erster Linie wirtschaftliches Interesse und betrachteten die Propstei als eine von mehreren, oft noch einträglicheren, Pfründen. Am Ende dieser Entwicklungen steht die Aufhebung der Propstei Ardagger am 31. Oktober 1784 durch Joseph II. und die Eingliederung in den Religionsfonds. Mit dem Verkauf der Propsteiherrschaft 1811 wurde Ardagger Stift herrschaftliche Privatpatronatspfarre bis zur Ablöse 1985.
Den Titel "Titular-Propst von Ardagger" verleiht der Bischof von St. Pölten heute Geistlichen als Zeichen seiner Wertschätzung.
In unseren Tagen ist die Bedeutung von Stift Ardagger vor allem in kunsthistorischem Zusammenhang zu sehen: Mit dem Margarethenfenster, dem ältesten Figuralfenster in Österreich, birgt Stift Ardagger einen Kunstschatz ersten Ranges, der gemeinsam mit der Stiftskirche vor einigen Jahren restauriert wurde und seither in neuem Glanz erstrahlt.

Literatur:
Diözesanmuseum St. Pölten (Hg.), Das Margaretenfenster aus Stift Ardagger. Diözesanmuseum St. Pölten, Sonderausstellung 1991 (St. Pölten 1991).
Thomas Aigner (Hg.), Kollegiatstift Ardagger. Beiträge zu Geschichte und Kunstgeschichte (=Beiträge zur Kirchengeschichte Niederösterreichs 3, St. Pölten 1999).


2. Bestandsgeschichte

Die Gründungsurkunde des Kollegiatstifts Ardagger aus dem Jahre 1049 ist nur als Abschrift überliefert, eingefügt in das älteste erhaltene Buch des Stifts, das heute in der Stiftsbibliothek Seitenstetten aufbewahrt und als Kodex 238 bezeichnet wird. Dieser eigentliche Bibelkodex, seinen Hauptteil bildet eine Bibelhandschrift aus dem vermutlich 3. Viertel des 12. Jahrhunderts, fungierte auch als Traditionsbuch und Kopialbuch und beinhaltet insgesamt 16 historische Dokumente. Als Gottfried Edmund Friess (1836–-1904) seine "Geschichte des einstigen Collegiat-Stiftes Ardagger in Nieder-Oesterreich" verfasste und im Anhang 105 Urkunden des Stifts Ardagger für den Zeitraum 1049-–1547 in einer Übersicht zusammenstellte, konnte er den Kodex 238 als Quelle für neun Abschriften verschollener Urkunden des 11.-14. Jahrhunderts, darunter nicht nur die Stiftungsurkunde sondern auch die Weiheurkunde (1063), ausmachen. Da von der Annahme ausgegangen werden muss, dass der Raubzug bayrischer Krieger um 1250 zur Vernichtung beinahe des gesamten Schriftguts des Stifts Ardagger geführt hat, kann die Bedeutung dieses Kodex 238 gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ab der Mitte des 13. Jahrhunderts ändert sich das zahlenmäßige Verhältnis von Original und Abschrift deutlich: Waren es für die Zeit vor 1250 noch drei Urkunden, die Friess im Original einsehen konnte, so war es für die Zeit danach die überwiegende Mehrheit.
Eine Bestandsüberprüfung im Jahre 1964 durch den damaligen Diözesanarchivar Dr. Gerhard Winner ergab, dass fünf der Urkunden, die Friess noch im Kirchenarchiv Ardagger vorgefunden hatte, nicht mehr vorhanden waren. Die restlichen von Friess verwendeten Urkunden und Abschriften haben die Zeiten überdauert und werden gegenwärtig an folgenden Orten aufbewahrt: Stiftsbibliothek und Stiftsarchiv Seitenstetten, Diözesanarchiv St. Pölten, Österreichisches Staatsarchiv, Abteilung Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Niederösterreichisches Landesarchiv.

Literatur:
Benedikt Wagner, Archiv und Bibliothek des Stiftes Ardagger. In: Thomas Aigner (Hg.), Kollegiatstift Ardagger. Beiträge zu Geschichte und Kunstgeschichte (=Beiträge zur Kirchengeschichte Niederösterreichs 3, St. Pölten 1999) 16–77.


3. Benützte Edition

Godfrid Edmund Friess, Geschichte des einstigen Collegiat-Stiftes Ardagger in Nieder-Oesterreich. In: AÖG 46 (1871) 419–-561.


4. Editionskritik

Im Jahre 1871 veröffentlichte Gottfried Edmund Friess (1836-–1904) eine "Geschichte des einstigen Collegiat-Stiftes Ardagger in Nieder-Oesterreich", die im Anhang eine Zusammenstellung von Urkunden des Stifts Ardagger bietet, allerdings beschränkt auf den Zeitraum 1049–-1547. Die meisten Urkunden standen Friess im Original zur Verfügung, auf Abschriften musste er weitaus seltener zurückgreifen. Abgesehen von einer Ausnahme wurde jede Urkunde bzw. Abschrift mittels Regest erfasst. Diese inhaltlichen Zusammenfassungen sind eher knapp gehalten, wenn sie eine Volltextaufnahme einleiten, fehlt eine solche, immerhin in etwa der Hälfte der Fälle, dann sind die Regesten ausführlicher gestaltet.
Während die Kopfregesten einen ersten Eindruck vom Inhalt der Urkunde vermitteln, bieten die umfangreicheren Regesten darüber hinausgehende Details, z. B. genauere geographische Beschreibung von Grundstücken, namentliche Auflistung von Zeugen und Sieglern. Defizite dieser beiden Regestenformen sind auf der einen Seite extreme Kürze und damit mangelnde Präzision auf der anderen Seite mit unnötigen Details überfrachtete Sachverhaltsdarstellungen, in die mittelhochdeutsche Urkundenzitate unterschiedlichster Länge hineinverwoben sein können. Diesen "Schwächen" sollte im Zuge einer etwaigen Neuedition, eine solche wäre äußerst sinnvoll, entgegengewirkt werden, um die Aussagekraft der Regesten zu erhöhen. Außerdem sollte eine Volltextaufnahme jeder einzelnen Urkunde erfolgen.

Zur Person des Herausgebers:
Gottfried Friess wurde am 1.10.1836 in Waidhofen an der Ybbs geboren. Nachdem er 1857 ins Benediktinerstift Seitenstetten eingetreten war und fünf Jahre später zum Priester geweiht worden war, studierter er von 1862–1867 an der Universität Wien Geschichte und Geographie und unterrichtete ab 1866 am Stiftsgymnasium Seitenstetten. 1874 übernahm er die Funktion des Stiftsbibliothekars und 1879 jene des Stiftsarchivars. 1885/86 arbeitete er in Rom an der Edition der Register Papst Klemens V. mit. Als Historiker profilierte sich Friess mit Arbeiten zu landesgeschichtlichen Themen, insbesondere mit Bezug auf das westliche Niederösterreich, sowie zur Dynasten- und Ordensgeschichte. Friess verstarb am 18.1.1904 in Seitenstetten.
Literatur:
Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-–1950, I (Graz 1957) 368.