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Das Augustinerchorherrenstift St. Nikola in Passau wurde zwischen 1067 und 1073 von Bi-schof Altmann als Doppelkloster gegründet. Altmann, ehemaliger Kapellan der Kaiserin Ag-nes und eifriger Anhänger der Kirchenreform, hatte es sich zum Ziel gesetzt, die Ideale der Reform wie den Kampf gegen die Simonie und die Einhaltung des Zölibats in seiner Diözese durchzusetzen. In diesen Zusammenhang fällt auch die Gründung des Stiftes St. Nikola nahe der Innüberfuhr bei Passau. Das Privileg Papst Alexanders II. vom 3. März 1073 nennt als Patrozinien die Heilige Dreifaltigkeit, die Auferstehung, den Apostel Andreas, den Märtyrer Pantaleon und den Bekenner Nikolaus – ein Orientbezug, der sich aus Bischof Altmanns Jeru-salemreise erklärt. Ab dem 13. Jh. hatte St. Nikolaus jedoch alle anderen Patronate weitge-hend verdrängt. Materiell fand das Kloster durch Schenkungen der Kaiserin Agnes bedeuten-de Unterstützung. Die ersten Urkunden zur Gründung des Klosters und sämtliche, die auf Altmanns Namen lautend überliefert sind, haben sich später als Fälschungen herausgestellt. Auf diese Weise gestaltet es sich schwierig, die Herkunft der ersten Kanoniker St. Nikolas zu rekonstruieren. Die in einer der Fälschungen getroffene Aussage, sie seien aus verschiedenen Klöstern akquiriert worden, bewertet Egon Boshof jedoch als glaubwürdig. Auch daß sie nach der Augustinerregel lebten, berichten diese frühen Dokumente, wenn auch die Papstprivile-gien lediglich von der communis et regularis vita sprechen. Vermutlich hat Altmann für ge-eignete Vögte für das Nikolakloster gesorgt. Die Vogteibefugnisse wurden unter den Adels-familien der Babenberger für die österreichischen und der Formbacher für die bayerischen Besitzungen des Klosters aufgeteilt. Als wenige Jahre später der Investiturstreit zwischen Papst Gregor VII. und Kaiser Heinrich IV. seinen Höhepunkt erreicht hatte, standen dem Bi-schof genau diese beiden Familien gegen den Kaiser Heinrich IV. zur Seite. Im 13. Jh. erhiel-ten die Chorherren von den Babenbergern Leopold VI. und Friedrich Mautfreiheit für Trans-porte von Lebensmitteln und Gütern in den herzöglichen Ländern. Später haben Kaiser Fried-rich II., König Ottokar von Böhmen und Albrecht v. Habsburg dieses Privileg immer wieder bestätigt. Das gute Verhältnis des Nikolaklosters auch zu anderen adeligen Familien wird durch seinen Niederschlag in zahlreichen Urkunden bestätigt.
Auch der erste Propst des Kloster, Hartmann, ein ebenso eifriger Anhänger der Kirchenreform wurde, wie sein Bischof Altmann, verbannt. Hartmann wurde zunächst Hofkaplan des Ge-genkönigs Rudolf von Rheinfelden, vermutlich bis zu dessen Tod.
Anfang 1078 besetzte Heinrich IV. Passau, die Stadt seines Gegners Altmann. Die Kanoniker von St. Nikola, die den königlichen Besetzern unbeirrt Widerstand leisteten, wurden aus ih-rem Stift vertrieben, Altmann selbst konnte in der Folge seiner offenen Parteinahme gegen den König die Stadt nicht mehr betreten.
Dennoch scheint es eine Kontinuität im Kloster St. Nikola gegeben zu haben: unter dem neu eingesetzten Bischof Hermann und seinem Nachfolger Thiemo blieb das Kloster weiter be-wohnt. Eine Urkunde Kaiser Heinrichs V. vom 25. Juni 1111 enthält den ersten Hinweis auf ein Armenspital des Klosters.
Der Besitz des Klosters wuchs indessen in den Folgejahren. Einkünfte aus den Kirchen des umliegenden Landes verbesserten die finanzielle Lage St. Nikolas. Mit dem Wiederaufleben des Klosters nach dem unruhigen Anfangsjahren im 12. Jh. verbunden war vermutlich auch die Entstehung eines Skriptoriums. Das überlieferte Handschriftenverzeichnis (Clm 16053) aus der Mitte des 12. Jh. bezeugt außerdem wertvolle Handschriften, die z. B. in Rom erwor-ben worden waren. Die Bibliothek von St. Nikola wurde Ende des 13. Jh. nach Neuburg aus-gelagert. Durch kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Ruprecht von Berg und Georg von Hohenlohe wurde die Bibliothek dort im Jahr 1389 durch Brand zerstört. In St. Nikola machte man sich an die Wiederherstellung: wertvolle Bücher wurden ausgeliehen und selbst kopiert, um die Bestände wiederherzustellen. Ein unter Propst Leonhart gegen Ende des 15. Jh. angefertigter Bibliothekskatalog zeigt, dass die Bibliothek von St. Nikola stets großes In-teresse erfahren hat.
Im Lauf des 13. Jh. erhielt das Kloster durch die Päpste Honorius III. und Gregor IX. päpstli-chen Schutz und das Recht zur freien Propstwahl verbrieft. Für den klösterlichen Besitz er-gaben sich jedoch keine größeren Veränderungen. Erst im 17. Jh. erfuhren wenige dem Klos-ter zugehörigen Pfarreien Umstrukturierungen im Sinne von Ein- oder Ausgliederungen in andere Pfarreien.
Im Kontext der Auseinandersetzungen der bayerischen Herzöge mit der Stadt Passau geriet St. Nikola zum Instrument herzöglicher Bestrebungen, die Stadt vom Geschäft mit dem wei-ßen Gold auszuschließen: das Kloster hatte von den bayerischen Herzögen seit langem ein Privileg zur Befreiung vom Salzzoll inne. Im Jahr 1568 ließ die bayerische Regierung auf dem Gelände des Klosters einen Salzstadel errichten und eine Straße zwischen Donau und Inn bauen, um Passau so umgehen zu können. So entstand der Stadt aus den fehlenden Einnah-men großer finanzieller Schaden. Erst 1608 wurde der so entstandene Streit um den Salzhan-del mit einem Vergleich beigelegt.
In den Zustand des Klosters im Spätmittelalter geben vor allem die Berichte der Visitationen einen – wenn auch schlaglichtartigen – Einblick. Ein Bericht der am 24. und 25. November 1451 abgehaltenen Visitation äußerte sich nicht zufrieden über die Disziplin in St. Nikola. Ein weiteres Protokoll von 1466 konnte nicht von Besserung künden. 1556 trat Propst Thomas Gunner zur neuen Lehre über und floh nach Österreich, auch weitere Mitglieder des Klosters konvertierten. Nur noch sieben Chorherren zählte das Kloster 1558.
Erst im 17. und 18. Jh. erfuhr St. Nikola wieder neuen Aufschwung. Bemühungen um eine bessere Verwaltung der Güter und eine wachsende Kanonikerzahl bereiteten dem Kloster eine Zeit neuer Blüte.
Um 1803 wurde auch das Kloster Passau-St. Nikola aufgehoben. Inder Folge wurden Einrich-tung und Wertgegenstände verstreut, ebenso wie der Bibliotheksbestand. Die Gebäude dien-ten fortan als Militärhospital bzw. bis 1945 als Kaserne. Nach Kriegsende betreuten Deutsch-ordensschwestern in den Mauern des ehemaligen Klosters Kriegsflüchtlinge. Die Schwestern blieben fortan und betreiben bis heute in dem Gebäudekomplex verschiedene soziale Einrich-tungen.
Zur Bestandsgeschichte Die Urkunden des Klosters St. Nikola befinden sich heute im Besitz des Bayerischen Haupt-staatsarchivs. Der Bestand umfasst ca. 5500 Urkunden, die in Form einer Aussteller-Siegler-Liste bis um 1400 und für die Zeit danach in einer Kartei mit Kurzregesten erschlossen sind. Im Rahmen des DFG-Projekts "Urkundenportal" wurden diese Metadaten erstmals daten-bankmäßig erfasst.
Literatur:
Stephanie HABERER, Stift St. Nikola-Keimzelle des Augustinerchorherrenordens in Bayern, Projektseite „Klöster in Bayern“ des Hauses der Bayerischen Geschichte, Augsburg: http://www.hdbg.de/kloester/kloester_detailansicht_basisdaten.php?id=KS0307&templ=relaunch_vorlage_detail_geschichte (Abruf vom 3. Juli 2009).
Karl BOSL (Hg.), Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, 7. Bd.: Bayern, 2. Aufl., Stuttgart 1974, S. 574-575.
Ludger DROST, St. Nikola in Passau. Kunstgeschichte des einstigen Augustinerchorherrenstiftes von 1067 bis heute, Passau 2003, S. 3 und S. 299 ff. , dort mit weiterer Literatur.
Josef OSWALD, Beiträge zur Geschichte Bischof Altmanns von Passau (1070-1091) und des Chorherrenstifts St. Nikola, in: Ostbairische Grenzmarken 4 (1960), S. 212-226.
Josef OSWALD/Hans Karl MORITZ, Sankt Nikola zu Passau. Schicksale in neun Jahrhunderten, Passau 1960.
Tilman STRUVE, Die Romreise der Kaiserin Agnes, in: Historisches Jahrbuch 50 (1985), S. 1-29.