Charter: Illuminierte Urkunden 1393-01-23_Koeln-1
Signature: 1393-01-23_Koeln-1
Add bookmark
1393-01-23, Perugia
Source Regest:
Bearbeitungsstand: MITTEL
Bearbeitungsstand: MITTEL
Current repository:
Köln, Historisches Archiv der Stadt Köln (Stadtarchiv), Best. 210 (Domstift), U 3/1401
Köln, Historisches Archiv der Stadt Köln (Stadtarchiv), Best. 210 (Domstift), U 3/1401
Material: Pergament
- Materielle Beschreibung:
Kanzleigemäss gestaltete Littera cum filo serico mit Papstnamen in Zierschrift, die Lombarden-Formen variiert, mit vergrösserter Initiale B(onifatius) mit geometrischen Aussparungen mit zentralen Vierpass- bzw. Stern-/Blüten-Motiven sowie mit zwei grossen, mit einfachem Dekor besetzten Fadenspiralen, die links von der Initiale ausgehen. Cadellenartig gestaltete Schäfte der langen "s" der ersten Zeile und Lombarde U(niversis) - Stil und Einordnung:
Diese von einem Skriptor, der sich "Franciscus" nennt (siehe unten), mundierte Urkunde ist zwar durchaus nicht aussergewöhnlich aufwendig dekoriert, die Stern- bzw. Blütenmotive der Aussparungen und die Gestaltung der Oberlängen bei den langen "s" der ersten Zeile scheinen jedoch durchaus charakteristisch.
Die Aussparungen erinnern an derartige Motive bei Johannes de Tremosnicz (siehe bei 1396 Juli 11). Der mehrfache rechts-links-Wechsel der beiden Parallellinien bei den Schäften der cadellenartigen Oberlängen kommt so bei keinem anderen Stück, das mir derzeit bekannt ist, vor.
Die Beobachtungen werden jedoch von einer zweiten Urkunde desselben Schreibers für denselben Empfänger relativiert, die andemselben Tag ausgestellt wurde, und die diese Motive nicht zeigt. - Martin Roland
Bibliography:
Comment
Scriptor: Franciscus. Registrata gratis.Da nur der Vorname bekannt ist, ist eine eindeutige Identifizierung des Skriptors derzeit nicht möglich. In Frage käme vor allen ein Schreiber, der bei Frenz, Conspectus (https://www.phil.uni-passau.de/fileadmin/dokumente/fakultaeten/phil/lehrstuehle/frenz/Forschung/littera_F.pdf), als "Franciscus I." bezeichnet wird und von 1375 bis nach 1410 in den Kanzleien Bonfaz' IX., Benedikts XIII. und Johannes XXIII. nachgewiesen werden kann.
Vergleiche eine zweite Urkunde aus demselben Umfeld, die an demselben Tag ausgestellt wurde.
Zur performativen Verwendung diser Urkunde
Das Regest des Archivs, das oben wiedergegeben wird, endet mit dem Verbot, dass "diese Bulle nicht zum Einsammeln umher getragen werden (solle)". Dies beruht auf folgendem Satz aus Zeite 13f.: Quas mitti per questuarios districtius inhibemus, eas si secus actum fuerit, carere viribus decernentes.
Das Regest des Archivs, das oben wiedergegeben wird, endet mit dem Verbot, dass "diese Bulle nicht zum Einsammeln umher getragen werden (solle)". Dies beruht auf folgendem Satz aus Zeite 13f.: Quas mitti per questuarios districtius inhibemus, eas si secus actum fuerit, carere viribus decernentes.
Haben wir es hier also tatsächlich mit einem frühen Beleg zu tun, der uns - wie üblich "ex negativo" (also durch ein Verbot) - Auskunft gibt, welche Praktiken (welche performativen Vollzüge) man kurz vor 1400 im Zusammenhang mit der Gewährung von Ablässen zu erwarten hat?
Papst Bonifaz IX. verbietet streng, dass diese (auf die vorliegende Urkunde [litterae] oder auf den Ablass [indulgentiae] zu beziehen) (herum)geschickt werden durch "quaestuarii". Damit sind Personen gemeint, die Geld unmässig oder durch unlautere Tätigkeiten erwerben, in diesem Kontext wohl einsammeln.
Mainzer Diözesanstatuten machen die Wortbedeutung restlos klar (1354, Erzbischof Gerlach): 6.8: "Die Prälaten und die Rektoren der Kirchen in Stadt und Diözese Mainz dürfen bei Strafe der Suspension in ihren Kirchen, Klöstern oder Pfarreien nur solche Almosensammler (questuarios) zulassen, die Erlaubnisbriefe mit dem Siegel des Erzbischofs haben." (Link)
Papst Bonifaz IX. verbietet streng, dass diese (auf die vorliegende Urkunde [litterae] oder auf den Ablass [indulgentiae] zu beziehen) (herum)geschickt werden durch "quaestuarii". Damit sind Personen gemeint, die Geld unmässig oder durch unlautere Tätigkeiten erwerben, in diesem Kontext wohl einsammeln.
Mainzer Diözesanstatuten machen die Wortbedeutung restlos klar (1354, Erzbischof Gerlach): 6.8: "Die Prälaten und die Rektoren der Kirchen in Stadt und Diözese Mainz dürfen bei Strafe der Suspension in ihren Kirchen, Klöstern oder Pfarreien nur solche Almosensammler (questuarios) zulassen, die Erlaubnisbriefe mit dem Siegel des Erzbischofs haben." (Link)
Diese Bestimmung in der Urkunde Bonfaz' IX. ist mit einer Bestimmung Bischof Friedrichs von Regensburg aus dem Jahr 1361 (https://www.monasterium.net/mom/DE-AKR/Urkunden/SpAR_Urk_286/charter) gemeinsam zu interpretieren, die die Verleihung eines Ablasses von 40 Tagen an das Regensburger Katharinenspital (und der Bestätigung von Ablässen anderer Aussteller für dieses) bekanntmacht und dann bestimmt: Inhibemus autem, ne pretextu huiusmodi gratiae staciones fiant publice aut ullus questuarius admittatur, sed solum concesse indulgencie cum eiusdem hospitalis indigenciis exponantur. Er verbietet, dass dieser sein Ablass den Vorwand bildet, "stationes" öffentlich (also nicht im Spital) zu errichten oder irgendein "questuarius" zugelassen (losgeschickt) werden möge. Vielmehr soll der gewährte Ablass (concesse indulgentie) nur in den "indigentiae" des Spitals zur Schau gestellt werden (exponantur).
Die Urkunde des Bischof richtet sich an seinen Klerus. Er schärft diesem unmittelbar noch der eben besprochenen Pasage ein: Cuilibet etiam vestrum in remissionem iniungimus peccatorum et mandamus, ut negocium dicti hospitalis velitis (?) in vestris parochiis et ecclesiis quantum potest fideliter et efficiter promovere. Er ermuntert also die Empfänger dieses "negocium" (Geschäft, gemeint ist der Ablass) des Spitals im jeweiligen Verantwortungsbereich bekannt zu machen. Der Ort, an dem man den Ablass bekommt, bleibt aber einzig das Spital selbst.
Die Urkunde des Bischof richtet sich an seinen Klerus. Er schärft diesem unmittelbar noch der eben besprochenen Pasage ein: Cuilibet etiam vestrum in remissionem iniungimus peccatorum et mandamus, ut negocium dicti hospitalis velitis (?) in vestris parochiis et ecclesiis quantum potest fideliter et efficiter promovere. Er ermuntert also die Empfänger dieses "negocium" (Geschäft, gemeint ist der Ablass) des Spitals im jeweiligen Verantwortungsbereich bekannt zu machen. Der Ort, an dem man den Ablass bekommt, bleibt aber einzig das Spital selbst.
Klar wird: Die Ablassurkunden werden zur Schau gestellt.
Anm. 1:
Die Formulierung von Bonifaz IX. hat eine Vorgeschichte. Sie wird bereits bei einem 1247 Juni 4 von Papst Innocenz IV. in Lyon für das Spital von St. Gallen ausgestallten Ablass verwendet (Link), 1251 März 27 ebendort und von demselben für das Kloster Osterrode (Link), dann 1253 April 11 in einem in Lüttich vom Kardinallegaten Hugo gewährten Ablass für das Spital in Hagenrode verwendet (Link) und 1259 Februar 12 in einem Ablass von Papst Alexander IV. für das Katharinenspital in Regensburg (Link).
1274 Mai 7 stellt Erzbischof Guido von Nazaret in Lyon einen Ablass für das Spital in Petersthal aus und befieht, dass dieser unser Brief nicht ausserhalb des Spitals durch besagte "questianarii" verwendet werden solle (Inhibemus eciam per subtractionem huiusmodi nostre indulgentie, ne hec nostra littera extra hospitale predictum per questuarios vel alios quoscunque aliquatenus deferatur) (Link).
Die Formulierung findet auch Eingang in Formelbücher: Johannes Bononiensis, Summa notarie (ed. Ludwig Rockinger, 1863), für arme Nonnen (Link).
Die Formulierung von Bonifaz IX. hat eine Vorgeschichte. Sie wird bereits bei einem 1247 Juni 4 von Papst Innocenz IV. in Lyon für das Spital von St. Gallen ausgestallten Ablass verwendet (Link), 1251 März 27 ebendort und von demselben für das Kloster Osterrode (Link), dann 1253 April 11 in einem in Lüttich vom Kardinallegaten Hugo gewährten Ablass für das Spital in Hagenrode verwendet (Link) und 1259 Februar 12 in einem Ablass von Papst Alexander IV. für das Katharinenspital in Regensburg (Link).
1274 Mai 7 stellt Erzbischof Guido von Nazaret in Lyon einen Ablass für das Spital in Petersthal aus und befieht, dass dieser unser Brief nicht ausserhalb des Spitals durch besagte "questianarii" verwendet werden solle (Inhibemus eciam per subtractionem huiusmodi nostre indulgentie, ne hec nostra littera extra hospitale predictum per questuarios vel alios quoscunque aliquatenus deferatur) (Link).
Die Formulierung findet auch Eingang in Formelbücher: Johannes Bononiensis, Summa notarie (ed. Ludwig Rockinger, 1863), für arme Nonnen (Link).
Der Ursprung des Questuarius liegt, wie Paulus, Ablass, Bd. 2, S. 265- (Reprint 2000, S. 206-226 und Anm. auf 361-367) ausführt, in den frühen Kreuzzugsablässen. Schon Papst Innocenz III. verbot auf der Lateransynode 1215 (c. 14. X de poen. et rem. V. 38) freilich deren Tätigkeit, wenn sie keine echte Papst- oder Bischofsurkunde vorweisen können (S. 269; Reprint, S. 209). Dies löste das Problem jedoch nicht, wie viele Bestimmungen zeigen. Berthold von Regensburg nannte diese Sammler "Pfennigprediger" (S. 277; Reprint, S. 215f,). Ortsgebundene Ablässe, wie die hier behandelten, werden von Paulus, S. 287f. (Reprint, S. 225) behandelt, weil ihnen die hier thematisierte Formel, die Quaestuarii verbietet, beigefügt ist.
Andreas Zajic, Martin Roland
Places
- Italien (Kurie)
- Type: Region
- Köln
- Perugia
Persons
- Papst Bonifaz IX.
Keywords
- Illuminated Charters: Niveaus:
- N2: Initials
- N2: Display script (with decorative character)
Illuminierte Urkunden 1393-01-23_Koeln-1, in: Monasterium.net, URL </mom/IlluminierteUrkunden/1393-01-23_Koeln-1/charter>, accessed at 2024-12-23+01:00
A click on the button »Show annotation« displays all annotations on the selected charter image. Afterwards you are able to click on single annotations to display their metadata. A click on »Open Image Editor« opens the paleographical editor of the Image Tool.
You are copying a text frominto your own collection. Please be aware that reusing it might infringe intellectural property rights, so please check individual licences and cite the source of your information when you publish your data
The Charter already exists in the choosen Collection
Please wait copying Charter, dialog will close at success