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Charter: Illuminierte Urkunden 1493-1496_Innsbruck
Signature: 1493-1496_Innsbruck
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1493-1496, Rom
Prunksupplik für Zyprian von Serntein:
Papst Alexander VI. bewilligt die von Zyprian von Northeim, genannt Sernteiner, Sekretär des Römischen Königs Maximilian [I.] sowie Pfleger von Runkelstein, Rattenberg und Aichelburg (Zypriani de Northem alias Serntiner [...] Maximiliani Romanorum regis secretarii et prefecti in Runckelstain, Rettenberg et Aichelberg), eingebrachte Supplik mit dem Vermerk [unterhalb des Kontexts der Urkunde] fiat ut petitur, R. bzw. [neben dem Summarium der Bitten] fiat R. Gewährt wird:
- das Recht, sich einen weltlichen oder Ordenspriester zum Beichtvater zu wählen, der den Petenten von sämtlichen kirchlichen Sentenzen, Zensuren und Strafen der Exkommunilkation, Suspension und des Interdikts, gleichgültig, ob diese infolge eines Gesetzes oder von einem Menschen verhängt worden sind, absolviert und diesen weiters einmal im Leben sowie in Todesgefahr von den schwersten und dem Papst vorbehaltenen Strafen - mit Ausnahme jener, die in der Bulle [In die] Cene Domini genannt werden - freispricht und ihm eine angemessene Busse auferlegen darf. In den dem Papst nicht vorbehaltenen Fällen darf der Beichtvater den Petenten jederzeit absolvieren. Des Weiteren darf der Beichtvater den Petenten von sämtlichen frommen Gelübden und Verpflichtungen – jedoch mit Ausnahme des Gelübdes einer Wallfahrt ins Heilige Land, und Compostella, des Ordensgelübdes und des Gelübdes der Keuschheit – befreien und solche Gelübde, auch wenn sie durch eine andere Person geleistet werden sollten, in andere frommen Gelübde umwandeln. Daneben darf der Beichtvater dem Petenten einmal im Leben und einmal im Tod bzw. in Todesgefahr den vollen Ablass aus päpstlicher Autorität gewähren.
- das Recht, Messen und andere Gottesdienste am Tragaltar auch vor dem Tagesanbruch um das Morgengrauen herum und ebenso zur Zeit eines Interdikts durch einen ordentlichen [geistlichen] Priester bzw. durch einen weltlichen oder Ordenspriester feiern zu lassen, und zwar an einem dafür geeigneten Ort in Anwesenheit des Petenten, seiner Familie, seiner Hausgenossen und Eltern.
- das Recht, während eines Interdikts bestattet werden zu dürfen und die kirchlichen Sakramente zu empfangen.
- das Recht, durch den persönlichen Besuch von ein oder zwei Kirchen oder Kapellen am jeweiligen Aufenthaltsort des Petenten an den Stationstagen all jene Ablässe zu gewinnen, welche ansonsten von den Gläubigen nur durch den Besuch der [sieben Haupt-]Kirchen innerhalb und ausserhalb der Mauern Roms gewonnen werden können.
- das Recht, an Fasttagen Eier, Butter, Käse und andere Milch- und Fleischgerichte zu essen.
- die Möglichkeit der Transsumierung dieser Urkunde inner- oder außerhalb der römischen Kurie, und zwar mit der Unterschrift eines öffentlichen Notars und der Besiegelung durch einen Prälaten, einen anderen kirchlichen Würdeträger oder einen Domkanoniker.
- die Derogation aller dieser Supplik entgegenstehenden Bestimmungen, einschließlich der [Pflicht zur] Datierung für confessionalia, sowie der damit dieser Supplik entgegenstehenden Regeln der päpstlichen Kanzlei.
- [die Erlangung der Rechtskraft] für die vorliegende Supplik allein durch die Unterschrift (sola signatura) ohne Aushändigung anderer Urkunden.

Markus Gneiss  

Original
Current repository
Innsbruck, Tiroler Landesarchiv, Autogramme, I 6


Material: Pergament


    Graphics: 







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      • Materielle Beschreibung: 
        Die Bordüre der Supplik erstreckt sich auf drei Ränder des Pergaments. Die Deckfarbeninitiale B(eatissime pater) links oben, die im Binnenfeld das von gekreuzten Schlüsseln und einer Tiara überhöhte Wappen von Papst Alexander VI. (Borgia) zeigt, ein dreizipfeliges Vera Ikon oben in der Mitte, ein Medaillon mit einem bekrönten Wappenschild mit Reichsadler rechts oben und ein nicht ausgemaltes Medaillon im linken Seitenstreifen (mit einer nackten gekrönten Halbfigur darüber) strukturieren die Bordüre. Zwischen zwei breiten farbigen Leisten entwickelt sich auf farblosem Grund ein vegetabiler Fries, bestehend aus am ehesten als akanthusförmig zu benennenden Blättern und Blüten, angereichert mit goldenen Scheiben und anderen Zierformen. An die Initiale schliessen sich, die beiden ersten Wörter der Anrede an den Papst bildend, abwechselnd rote, goldene und blaue Buchstaben an, deren Zwischenräume mit Fleuronnée ausgefüllt sind, das vor allem durch vertikale Parallel-Linien strukturiert ist.
      • Stil und Einordnung: 
        Der Stil, der die Ausstattung dieser Prunksupplik prägt, tritt auch in andern Suppliken und Kardinalsammelindulgenzen auf. Die dunkelgraue Vera ikon im Dreizipfel-Typus mit einer Träne auf der rechten Wange ist ein leicht zu erkennendes Leitmotiv, es erweist sich jedoch, dass auch der floral dominierte Bordürendekor und auch die Capitalis der Zierschrift und das Fleuronnée jeweils übereinstimmende Motive aufweisen.
      • Das derzeit älteste Beispiel für übereinstimmenden floralen Dekor - grossformigen Blatt- und Blütenmotive, die durch Linien verbunden sind - ist eine Prunksupplik für Albert von Bonstetten in Einsiedeln (1484 ca.). Charakteristisch ist eine runde rote Blute mit einer gelben Scheibe in der Mitte mit einem graphisch eingezeichnetes Motiv, sowie linsenförmige Motive, die jedoch als Blätter zu verstehen sind. Auch als Leitmotiv eignet sich die Gestaltung des Medaillons links, das mit "Dornen" besetzt ist. Wenn man dieses Detail in der Bonstetten-Urkunde betrachtet, wird klar, dass hier "Lorbeerblätter" vereinfachend verfremdet wurden.
      • Ein wichtiges Beispiel dieser Gruppe ist eine Kardinalsammelindulgenz von 1493 März 20 für den Martinsaltar in St. Margareta in Mediasch. Bei diesem - wie bei Ablässen üblich - fest datierten Stück, ist auch das Fleuronnée besonders nahe verwandt.
      • Ein weiterer, 1498 Jänner 10 datierter Ablass mit den hl. Theodor von Sitten (Théodule du Valais) in der Initiale (Reckingen [VS], Pfarrarchiv; vgl. Des Saints des hommes, 2013, S. 34 und https://veronicaroute.com/1498/09/10/ 1498-2/) zeigt zwei ganz nahe verwandte Motive: das dreizipfelige Vera Ikon mit der Träne und den charakteristischen weissen Partien im unteren Bereich der Augäpfel, die aus dem grauen Inkarnat herausleuchten, mit schmalem weinrotem Kreuznimbus mit weissem Liniendekor. Das zweite Motiv ist rechts neben der Initiale zu finden und besteht aus einem pfeilförmigen Mittelblatt und je zwei schmalen seitlichen Blättern, die von einem Fruchtkolben ausgehen. Der Medaillonkranz findet sich hier beim Papstwappen in der rechten oberen Ecke.
      • Das Vera Ikon, die runden Blüten, die charakteristischen Fleuronnée-Formen, die von vertikalen Linien und grossen an Perlenreihen gemahnende Motive geprägt sind, sind in einem 1500 März 24 datierten Ablass für Creglingen (http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-324614) gut zu vergleichen. Hier schliesst sich auch ein Ablass von 1500 April 11 für die Pfarrkirche in Glatz unmittelbar an, der auch eine Variante des hier mehr fächerförmigen Blattmiotivs mit dem Pfeilblatt im Zentrum zeigt.
      • Ein weiterer Ablass von 1501 Februar 10 für Poppenreuth im Staatsarchiv Nürnberg gehört in diese Gruppe, wie Vera Ikon und Medaillongestaltung belegen. Das florale Ornament ist freilich üppiger und dichter. 1503 November 8 (Link zu einer SW-Aufnahme) ist schliesslich ein Ablass für die Salvatorkapelle im (alten) Rathaus von Wien datiert.
      • Die hier vorgestellte Stilgruppe kann mit grosser Sicherheit in Rom verortet werden, da sie für ganz unterschiedliche Auftraggeber tätig wurde, aber alle Urkunden von der Kurie (bzw. ihrem Umfeld) ausgestellt wurden.
        Die stilistische Aufarbeitung der einzelnen Werkstätten, die Kardinalsammelablässe und Prunksuppliken ausstatteten, steckt noch in den Kinderschuhen. Einige der hier vorgestellten Details sind jedoch so charakteristisch, dass davon ausgegangen werden kann, dass zumindest der Deckfarbendekor (wohl aber auch das Fleuronnée) von einer Hand bzw. von Mitgliedern einer Werkstatt geschaffen wurden, die eng (vielleicht arbeitsteilig) zusammenarbeiteteten. Charakteristische Details wir die mitunter seltsam ornamental gestaltete Nase des Christusgesichtes (Anker-förmig) sind präzise genug, um eine Zusammengehörigkeit postulieren zu können. Die sonstigen figürlichen Elemente sind von sehr bescheidener Qualität und wurden hier, da sie im hier besprochenen Beispiel eben nicht vorkommen, nicht behandelt. Dies gilt auch für ornamentale Details, die hier fehlen, wie die drei farbigen Ringe, die die Mitte der Bögen vieler Initialen betonen.
        Die hier vorgestellten Beispiele reichen von der Mitte der 1480er Jahre bis in die Mitte des ersten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts, umfassen also etwa 20 Jahre.
      • Martin Roland
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      Comment

      Die Supplik des Petenten erlangt durch den eigenhändigen Vermerk fiat ut petitur, dem die Initiale R für den Taufnamen des amtierenden Papsts Alexander VI. (Rodrigo Borgia, amt. 1492 bis 1503) folgt, Rechtsgültigkeit. Die Bestätigung wird rechts neben den tabellarisch aufgezählten Bitten nochmals mit fiat R. wiederholt.
      Weitere eigenhändig von Alexander VI. genehmigte Suppliken sind ebenso bekannt. Unter anderem handelt es sich dabei um drei frühe Prunksuppliken bekannt, die sich in New York, Pierpont-Morgan-Library, Acc.-Nr. MA 1175,1 und 2 (siehe Richard Salomon, Prunksuppliken in einer amerikanischen Sammlung, in: Festschrift Edmund E. Stengel, Münster,Köln 1952, S. 81–89, Radocsay, Renaissance-Urkunden, 1967, S. 217f. [mit Abb.], und derselbe, Illuminierte Urkunden, 1971, S. 40, 42, 50: die Fugger-Thurzo-Supplik vielleicht 1495 parallel zu dem Geschäftsvertrag), sowie in Krakau, Nationalmuseum, Czatoryski-Bibliothek, Perg. 656, befinden und wo sich identische Vermerke des Referendars finden. Die Supplik von Johannes, Bischof von Samland, und des dortigen Kapitels, die sich in Krakau befindet, wird zwischen 1492 und 1497 (an einen 22. Februar) datiert. Daneben kennt Franz Fabian in seinem Aufsatz zu Prunkbittschriften noch weitere Stücke, die von Alexander persönlich genehmigt wurden, nämlich Suppliken von a) Herzog Georg von Bayern-Landshut, seiner Gemahlin Hedwig, seinem Kanzler Wolfgang von Neukolberg und seinen Räten Sigmund von Leymigen und Kaspar von Waldenfels eingereichte Supplik (datiert zwischen 1492 und 1502, dem Todesjahr Hedwigs) und b) dem Augustiner-Chorfrauenstift Inzigkofen (Datum: 1494, April 26, Rom). Fabian zählt ebenso die hier regestierte Supplik Sernteins unter den von Alexander eigenhändig genehmigten Stücken auf; siehe Fabian, Prunkbittschriften, 1931, S. 118, weiters Beilage II,6 (S. 131-133) und die Tafeln VIII sowie IX.
      Die zeitliche Einordnung des Stücks ist nicht nur durch die Amtszeit des Papstes, sondern auch durch die Funktionstitel möglich, die dem Petenten beigegeben werden. Serntein wird als Pfleger (prefectus) in Runkelstein, Rattenberg und Aichelberg bezeichnet. In Runkelstein ist er von 1493 bis 1500 belegt, in Aichelburg (in der Supplik: Aichelberg) ab 1495. "Rettenberg" kann eigentlich nur mit Rattenberg am Inn identifiziert werden, nur ist Serntein dort ansonsten nicht als Pfleger nachweisbar; ev. erscheint Rettenberg in der Prunksupplik aber auch irrig für Hertenberg/Hörtenberg, wo Serntein ebenfalls in den 1490er Jahren als Pfleger belegt ist. Zumindest im Jahr 1497 war allerdings Andreas von Liechtenstein Maximilians Pfleger in Rattenberg, siehe RI IX/2/1, Nr. 5348 (1497 Oktober 1, Innsbruck). In der Supplik wird Serntein als Sekretär König Maximilians I. bezeichnet, nicht jedoch als dessen Protonotar, ein Amt, das er ab 1496 bekleidete.
      Zu diesen Informationen siehe allgemein: Pankratius Stollenmayer, Zyprian von Northeim, gen. Sernteiner, Hof- und Tirolischer Kanzler (1457-1524). Sein Entwicklungsgang (1457-1501), Phil. Diss. Universität Innsbruck 1919, sowie Rotraut Hyden, Zyprian von Serntein im Dienste Kaiser Maximilians I. in den Jahren 149-1508, Phil. Diss. Universität Graz 1973.

      Markus Gneiss, Martin Roland


      LanguageLatein
      Places
      • HRR
        • Type: Region
      • Italien (Kurie)
        • Rom
          • Tirol
            • Type: Region
           
          Keywords
          • Illuminated Charters: Niveaus:
            • N1: Coat of arms
            • N1: Borders
            • N1: painted
            • N1: historiated
            • N1: Initials
            • N1: with Additional Colours
            • N2: Penwork(Fleuronnée)
          • Glossary of illuminated charters (in German):
            • Historisierte Papsturkunden
          • IllUrk-Urkundenart:
            • Prunksupplik
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