Charter: Illuminierte Urkunden - Papsturkunden 1515-99-99_Nuernberg
Signature: 1515-99-99_Nuernberg
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1515-99-99_Nuernberg
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1515-99-99 (handschriftliches Datum nicht lesbar), Ausstellungsort unbekannt (Druck: [Genf, Jacques Vivian])
Beichtbrief: Der namentlich nicht benannte Aussteller besiegelt für einen nicht mehr lesbaren Empfänger die mit apostolischer Autorität publizierte und auf einem Privileg Papst Leos X. gründende Bestätigung der Beichtprivilegien und Ablässe für den Chorherrenorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem, besonders für dessen Niederlassung in Annecy, u.a. mit dem Inhalt, dass alle Mitglieder der Gebetsverbrüderung ihren Beichtvater selbst wählen dürfen. Dem Empfänger wird versprochen, all die aufgezählten Ablässe und sonstigen Vorteile ebenfalls zu geniessen, u.a. ein in der Todesstunde zu erlangender vollständiger Ablass und ein jährlicher Ablass am Gründonnerstag, am Karfreitag sowie am 15. Juli.Markus Gneiss
Source Regest:
FWF Projekt P 26706-G21 "Illuminierte Urkunden"
Bearbeitungsstand: HOCH
FWF Projekt P 26706-G21 "Illuminierte Urkunden"
Bearbeitungsstand: HOCH
Current repository:
Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Graphische Sammlung, HB 14.637
Reste eines aufgedrückten roten Wachssiegels
Material: Papier
Dimensions: 16,5 x 28,6cm


- Materielle Beschreibung:
Typographischer Einblattdruck mit Holzschnittdekor: Aus dem Schriftblock zu Beginn eine Fläche für einen Holzschnitt, der den aus einem Sarkophag auferstehenden Christus zeigt, ausgespart. - Links und oben eine aus mehreren Teilen zusammengesetzte Bordüre, teilweise mit zoomorphen Motiven. Einfache vierzeilige Initiale zu Beginn des Textes.
- Stil und Einordnung:
Die Ausstattung dieses Beichtbriefes ist ungewöhnlich, denn üblichweise wird auf Holzschnitte ganz verzichtet (vergleiche den ersten gedruckten Beichtbrief von Johannes Gutenberg [1454/55]: Abb.) Wenn Dekor verwendet wird, dominirt ein Holzschnitt mit dem Papstwappen (vgl. 1515-99-99_Muenchen).
In dem hier vorliegenden Beispiel wird auf den Bildverweis auf das Papsttum verzichtet und ein inhaltlicher Bezug zur begünstigten Institution hergestellt. Trotzdem hat das hier behandelte Stück Berührungspunkte mit dem Themenfeld "Historisierte Papsturkunde"; siehe daher den entsprechenden Glossareintrag: https://www.monasterium.net/mom/index/IllUrkGlossar/HistorisiertePapsturkunden.
Zusätzlich werden Bordüren verwendet.
Für beides gibt es im unmittelbaren regionalen Umfeld Vorbilder: Ausstellerbezogene Holzschnitte auf Beichtbriefen gibt es, soweit unsere Kenntnis derzeit reicht, erstmals in einem Beispiel für die Dominikanerinnen von Poligny im (französischen) Jura aus dem Jahr 1483 (GW 7073; http://memoirevive.besancon.fr/ark:/48565/a011339658975AFuzU3 [mit Abb.]). Eine von der inhaltlichen Anbindung vergleichbarer Beichtbrief aus 1505 liegt auch für die Chorherren von Annecy, vor (Abb.). Es ist freilich bemerkenswert, dass weder in Bezug auf die Formulierungen des Inhalts noch in Bezug auf die konkrete Form des Dekors nähere Zusammenhänge bestehen; es wurde ausschliesslich die Idee übernommen, eine Auferstehung darzustellen. In Bezug auf die Bordüren kann auf einen Bruderschaftsbrief der Karmeliter, der ebenfalls Beichtprivilegien enthält, verwiesen werden, der 1504 in Genf gedruckt wurde (Abb.). - Verwendete Drucktypen, Vorlagen für Zierinitiale und Bordüren
Die Drucktype wurde von Jacques Vivian, dem damals führenden Drucker in Genf, verwendet. Man vergleiche beispielsweise die grössere Texttype in Pierre Velliards Modus componendi epistolas von 1517 (GLN 15 16: GLN-5761; USCTC 451920). Neben dem Majuskel-M mit doppeltem Mittelschaft ist das Majuskel-D mit gebrochenem Bogen charakteristisch. Diese Type wird auch in dem von Vivian 1523 gedruckten Brevier für Beaune im Kalender verwendet (GLN-5667 - Hinweis Oliver Duntze vom GW) und in der Texttype eines Drucks einer französischen Übersetzung eines Textes von Johannes Stabius (GLN-5776), ebenfalls von 1523, in dem sich der Drucker auch nennt.
Von der Zierinitiale A kennen wir sowohl die Vorlage als auch andere Drucke, in denen Vivian diese Initiale verwendet: In einem Genfer Inkunabeldruck von 1495 der französischen Übersetzung des Fasciculus temporum des Werner Rolevinck (GW M 38751; GLN-6600), dessen Zuordnung zu einer bestimmten Offizin unterschiedlich beurteilt wird, wird eine Initiale verwendet, deren kopfstempelförmiger linker Schaft, deren Serifen nach links und deren Schaftspaltungen rechts (Abb.) als unmittelbare Vorlage gedient haben müssen für die Initiale, die dan Vivian 20 Jahre später verwendet. Diese Übernahme ist auch deswegen bemerkenswert, da sich die in diesem Inkunabeldruck von 1495 verwendeten Drucktypen sehr deutlich von jenen unterscheiden, die Jacques Vivian 1515 für seinen Beichtzettel verwenden wird. Bei Vivian ist diese Initiale bisher nicht nachweisbar, aber bei seinem "Nachfolger" als führender Genfer Drucker, bei Wygand Koeln (Hinweis Oliver Duntze): Dieser verwendet das A, das im Beichtzettel von 1515 vorkommt, um 1524 in seinem Druck von Jean Albertins De mirabilii temporis mutatione (GLN-5765) auf fol. 4v (auf diesen Druck werden wir noch zurückkommen, denn hier kommen auch identische Bordüren vor).
Die Bordüren
Im Jahr 1500 verwendet Jean Belot (Bellot), als führender Drucker Genfs Vorgänger von Jaques Vivian, für seinen Calendrier des bergers (GW 5913) einen Holzschnittstreifen (Abb.), dessen Dekor mit jenem weitgehend übereinstimmt, der über der Initiale des Beichtbriefs von 1515 vorkommt. Bei Belot kommt ein vergleichbarer Drache, ein taubenartiger Vogel und die Akanthusranke vor. Die Elemennte wurden bei der Bordüre, die Vivian verwendet, abgewandelt, die Vorbildhaftigkeit des von Belot verwendeten Holzschnitts steht aber ausser Frage (Abb.).
Der motivlich entsprechende Bordürenholzschnitt, den Vivian 1515 für den hier behandelten Beichtbrief verwendet, kommt auch in zwei Druckwerken vor, die wir bereits als Vergleiche verwendet haben: Im Jahr 1504 verwendet ein unbestimmter Drucker diese Leiste für den Beichtbrief, den die Genfer Karmeliter drucken liessen (siehe oben) und (Abb.). Beinahe 20 Jahre später taucht dieselbe Leiste bei Wygand Koeln auf, in seinem Druck von Jean Albertins, De mirabilii temporis mutatione (Abb.), den wir wegen der Zierinitiale ebenfalls schon erwähnt haben. Hier kommt nicht nur diese eine Leiste vor, sondern auch eine, die einen laufenden Hund, Akanthus und einen Schmetterling zeigt. Dieser Holzschnitt ist beim Beichtbrief von 1515 neben der Drachen-Leiste plaziert.
Die Bordürenleisten mit den Weintrauben sind in allen drei behandelten Drucken ähnlich: Jene mit dem Eichhörnchen kommt 1504 und 1523 vor, jene, die einen um 90° gedrehten auffliegenden Vogel zeigt (und daher ursprünglich eine vertikale Anbringung gehabt haben muss, kommt 1504 und 1515 vor. Die Randgestaltung den inneren Eckbereichen der Trauben-Leisten macht wahrscheinlich, dass man aus den Teilen einen vollständigen (also vierseitigen) Rahmen zusammensetzen konnte. Der Eichhörnchen-Streifen wird wohl der obere horizontale Bordürenteil gewesen sein. Der kurze Streifen ohne zoomorphe Motive, der bei dem Beichtbrief von 1515 links neben dem Auferstehungs-Holzschnitt angebracht ist, kommt in den beiden Vergleichsbeispielen nicht vor. - Zusammenfassung
Der bisher ohne Einordnung gebliebene Beichtbrief (vgl. http://objektkatalog.gnm.de/objekt/HB14637) konnte zweifelsfrei für Genf als Druckort und für Saint-Sépulcre in Annecy als Verwendungsort in Anspruch genommen werden. Die verwendeten Druckmaterialien (Typen, Initialen, Bordüren, Holzschnitte) belegen wie vernetzt das Gewerbe in Genf damals war: Sowohl das Nachstechen von erfolgreichen Motiven als auch das Verwenden derselben Typen und Druckstöcke durch verschiedene Drucker können nachgewiesen werden. - Martin Roland
Mentions:
- http://objektkatalog.gnm.de/objekt/HB14637
- Renaissance, Barock, Aufklärung. Kunst und Kultur vom 16. bis zum 18. Jahrhundert: Katalog der ausgestellten Objekte (des Germanischen National-Museums), S. 432, Kat. 423 (mit möglicher Lokalisierung nach Rom), online unter: https://www.gnm.de/fileadmin/editorCMS/publikation/pdf/publikation83_pdf1.pdf
- Bilderpracht und Seelenheil, 2019, S. 208f. (Nr. G 3: Markus Gneiss, Martin Roland). (Volltitel auf Zotero): https://www.univie.ac.at/paecht-archiv-wien/IllUrk/Bilderpracht-und-Seelenheil_Illuminierte-Urkunden-aus-Nuernberger-Archiven-und-Sammlungen_2019_mit-Links.pdf
Comment
Der Ablass wurde als Einblattdruck vervielfältigt. Der Druck ist derzeit bibliographisch nicht nachweisbar.Saint-Sépulcre war eine in Annecy gelegene Niederlassung der Chorherren vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Dieser Orden geht auf ein im Jahr 1099 von den Kreuzfahrern bei der Grabeskirche in Jerusalem errichtetes Kapitel zurück, das 1114 reguliert wurde und seitdem nach den Regeln des hl. Augustinus lebte. Von Jerusalem bzw. seit dem Ende des 13. Jahrhunderts von Perugia in Italien als Hauptsitz aus verbreitete sich der Orden u. a. ebenfalls in Spanien, Frankreich, Nord- und Süditalien, Polen, Ungarn, Kroatien und Südwestdeutschland. Die Kanoniker konzentrierten sich – wie schon in Jerusalem – vor allem auf die Armen-, Kranken- und Pilgerpflege. Die Niederlassung in Annecy wurde schon vor der französischen Revolution aufgelöst und die letzten Gebäude 1966 abgerissen.
Kaspar Elm, L'ordre des Chanoines réguliers du Saint-Sépulche de Jérusalem, S.
137-172, in: Die Antoniter, die Chorherren vom Heiligen Grab in Jerusalem und die
Hospitaliter vom Heiligen Geist in der Schweiz (Helvetia sacra IV 4), Basel und
Frankfurt/Main 1996, S. 152, erwähnt ein Privileg Papst Leo X. von 1513 Juni 10, das
alle bisherigen Rechte des Ordens aufzählt und bestätigt. Es ist wohl als Grundlage
des hier vorliegenden Beichtbriefes zu betrachten.
Martin Roland
Places
- Ausstellungsort unbekannt (Druck: [Genf, Jacques Vivian])
- Type: Ausstellungsort
- Deutschland
- Type: Region
- Frankreich
- Type: Region
- HRR
- Type: Region
- Italien (Kurie)
- Type: Region
Keywords
- Illuminated Charters: Niveaus:
- N1: historiated
- N1: Panels
- N1: Borders
- Glossary of illuminated charters (in German):
- Historisierte Papsturkunden
- Druck
- IllUrk-Urkundenart:
- Beichtbrief
Illuminierte Urkunden - Papsturkunden 1515-99-99_Nuernberg, in: Monasterium.net, URL <https://www.monasterium.net/mom/IlluminierteUrkundenKurie/1515-99-99_Nuernberg/charter>, accessed 2025-04-18+02:00
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