Diese Sammlung ist eine Teilmenge der Sammlung Illuminierte Urkunden
Die Sammlung "Papsturkunden" versammelt Beispiele, die über (Zier-)Schrift und Bleisiegel hinausgehen und auch graphische Elemente zeigen. Die frühesten Beispiele dokumentieren die Verwendung von Rota und Benevalete als urkundenspezifische graphische Zeichen. Aber schon unter Papst Eugen III. (reg. 1145-1153) gibt es Beispiele, bei denen die Initiale E(ugenius) erstaunlich üppigen Dekor aufweist (vor allem 1146 Mai 4). Die graphische Ausschmückung der Initiale wird ab den 1210er Jahren erneut zum Thema. Die Formen, die Kunsthistoriker nennen sie Palmettenfleuronnée, stammen zweifellos aus dem Buchwesen. Der Vorteil der Urkunden liegt jedoch daran, dass die Stücke jeweils datiert sind und so eine Chronologie der verwendeten Formen auf sicherer Grundlage erstellt werden kann. Ein weiterer Aspekt, der viel Potential bietet, sind Vergleiche mit entsprechenden Stücken aus der Kanzlei Kaiser Friedrichs II. Man gewinnt den Eindruck, die beiden Kanzleien standen auch auf dem Gebiet des künstlerischen Dekors ihrer Produkte in einem Konkurrenzverhältnis. Mit dem Ende der stauffischen Herrschaft scheint auch das Ausstattungsniveau der Papsturkunden zurückzugehen. Ein bemerkenswertes Einzelstück von 1289 lehrt allerdings, dass die weitere Durchdringung des Materials noch Überraschungen bereithalten wird. Graphischer Dekor wird dann erst wieder im 4. Viertel des 14. Jahrhunderts zum Thema. Das Zeitfenster beginnt derzeit mit 1378 (Papst Urban VI.) und reicht bis zu Papst Eugen IV. und schliesst Urkunden der Konzilien mit ein.
Die Sammlung stellt eine (mitunter zufällige) Auswahl dar, versucht aber die Entwicklung hin zu den graphisch bemerkenswerten Stücken aufzuzeigen. Erstes bemerkenswertes Stück ist derzeit eine in Perugia ausgestellte Littera cum filo serico von 1393 Juni 16.
Der hohe Organisationsgrad der Kurie, die Schreiber der Urkunden nennen sich in der Regel rechts auf der Plica, ermöglicht sehr spezifische Forschungsansätze, vor allem auch in Bezug auf Fleuronnée in Handschriften, die für den Papsthof oder im Umfeld der Kurie entstanden.
Bei der Hauptsammlung steht auch eine Suchfunktion zur Verfügung. Wenn Sie dort etwa nach "Scriptor" suchen, werden alle Papsturkunden angezeigt, bei denen der Scriptor in der Datenbank vermerkt wurde. Hier tauchen bekannte Namen auf, etwa S. de Aquila (Stefano de Aquila), B. Poignare (Barthélemy Poignare) oder Baptista Palavicinus.
Abgesehen von der graphischen Qualität, die selbstredend ebenfalls eine politisch-mediale Aussage sein kann, beginnen ab Papst Martin V (reg. 1417-1431) auch heraldische Elemente eine gewisse Rolle zu spielen. Namentlich gibt es (nachweisbar ab dem Krönungstag 1417 November 21) M-Initialen, bei denen der mittlere Schaft des unzialen "M" als Säule ausgebildet ist, ein Verweis auf die Abstammung des Papstes aus der Familie Colonna. Während das Konzil von Konstanz keine für unsere Fragestellung bemerkenswerten Produkte beitragen kann, so der heutige Forschungsstand, sind die Urkunden des Basler Konzil mitunter bemerkenswert. Wieder ist man versucht eine Konkurrenzsituation zu vermuten, wenn man die Bestätigung des Friedens von Arras durch das Konzil (1435 November 5) neben die Unionsbullen Papst Eugens stellt (1439-1442), vor allem neben jene, die für den Hof in Burgund anfertigt wurden.
Ottfried Krafft hat auf einige Papsturkunden aufmerksam gemacht, bei denen die Historisierung, also der Bezug zu Aussteller, Inhalt, Empfänger oder Verwendung über das Heraldische hinausgeht. Sein erstes Beispiel ist ein Stück, mit dem der Kult des hl. Sebald gestattet wird ( 1425 März 26) und das die nun bereits seit 1417 nachweisbare Säule zeigt. Ein Historisierung mit figürlichen Motiven zeit die Urkunde zur Heiligsprechung des hl. Bernhardin von Siena (1450 Mai 24).
Papst Sixtus IV. (reg. 1471-1484) verwendet mitunter sein Familienwappen als Dekor für die Initiale S(ixtus); erstmals nachweisbar derzeit 1472 März 15. Unter seinem Pontifikat wird auch der Buchdruck, dekoriert mit Holzschnitten, zu einem Mittel, der Öffentlichkeitsarbeit; als derzeit erstes Beispiel ist ein Türkenablass von 1480, gedruckt in Basel. Von Papst Innocenz VIII. (reg. 1484-1492) ist derzeit ein Stück mit heraldischem Dekor bekannt ( 1484 November 2), das zudem auffällt, weil ein rein dekoratives zoomorphes Motiv die Initiale bereichert.
Das 16. Jahrhundert hält zahlreiche Neuerungen bereit. Der historisierte aber doch rein graphische Dekor eines Ablasses Papst Julius II. ( 1503 November 26) rezipiert zwar die prunkvolle Ausstattung vieler Kardinalsammelindulgenzen, kann aber mit deren Farbigkeit nicht konkurrieren. Weiteres Beispiel für sind eine Urkunde für Xanten (1507 Februar 19) und die Gründungsurkunde für Christ's College in Cambridge, ein Libell von 1508 Februar 8. Ein Beispiel, eine Urkunde Papst Pauls IV für Hersfeld ( 1556 Juni 12) steht als Vertreter für jenen überbordenden floralen Dekor, der dann für Jahrhunderte die Papsturkunde prägen wird.Regesten werden nur in Ausnahmefällen angezeigt, sind jedoch vielfach über Links an anderen Stellen (zumeist in "Urkundensammlungen" von monasterium.net) einsehbar.
Martin Roland