Censimento digital. Eine Pilotstudie aufgrund von Papsturkunden der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts im Deutschordenszentralarchiv in Wien
1953 schlug der italienische Diplomatiker Franco Bartoloni die Erarbeitung eines „Index actorum Romanorum pontificum ab Innocentio III ad Martinum V electum“ (oder kurz „Censimento“) vor, der alle erhaltenen Originale von Papsturkunden von 1198 bis 1417 verzeichnen sollte[1]. Die Erfassung erfolgt nach geographischen Gebieten und innerhalb dieser nach Archiven; große Archive mit besonders reicher Überlieferung wie die Archives Nationales in Paris erhielten eigene Bände. Bartolonis Plan sah die Erstellung von knappen Regesten, Angaben zur Archivgeschichte und zu allfälligen Parallelüberlieferungen in den vatikanischen Registern vor, besonders aber sollten Angaben zu den äußeren Merkmalen der Urkunden aufgenommen werden. Vor allem zu berücksichtigen waren die – in zunehmender Häufigkeit, Menge und Komplexität auftretenden – Vermerke von Kanzlei und Prokuratoren mit Angaben zu ihrer Position auf der jeweiligen Urkunde. Ebenso berücksichtigt wird das Material der Bullenbefestigung (Seide oder Hanf), während Angaben zu Schrift nicht aufgenommen werden. Bartoloni entwarf eine Schema, in das die gefragten Angaben zur jeweiligen Urkunde von den Bearbeitern eingetragen werden konnten[2]. Diesem Schema folgt die Erfassung der Urkunden auch nach einer Überarbeitung 1978[3] in den im Rahmen des Index actorum veröffentlichten Bänden bis heute[4], und auch eine Reihe verwandter Unternehmen, die außerhalb des Index veröffentlicht worden sind, orientieren sich im wesentlichen an dieser Richtlinie[5].
Dem Charakter des Gegenstands entsprechend ist die von Bartoloni entworfene Vorgangsweise hochgradig strukturiert und systematisch. Der Inhalt eines Censimento-Bandes ist ein durch vielfältige Indices erschlossener Bestand von Informationen, der geradezu als ausgedruckte Datenbank verstanden werden kann. Somit ist der Gedanke naheliegend, diese papiererne Datenbank in eine adäquate digitale Form zu überführen und – damit einen Mehrwert gegenüber der durch Indices erschlossenen gedruckten Version schaffend – die Inhalte dieser Datenbank als Metadaten mit den Digitalisaten der beschriebenen Papsturkunden zu verknüpfen.
Für eine Pilotstudie bietet sich die Plattform Monasterium an, die eine große Zahl von Urkunden aus Archiven vor allem in Österreich und Süddeutschland in digitalisierter Form bereitstellt. Unter den aufgenommenen Archiven besticht das Deutschordenszentralarchiv in Wien, das als Zentralarchiv verschiedene archivische Provenienzen vereint und somit einen außerordentlich reichen Bestand an Papsturkunden besitzt, der aus diplomatischen Gründen hochinteressant ist, bereits durch ein Regestenwerk erdschlossen ist[6] und vollständig digitalisert zur Verfügung steht. Monasterium bietet mit der Möglichkeit, individuelle Sammlungen zu Forschungszwecken anzulegen, beste Voraussetzungen, um eine entsprechende Pilotstudie durchzuführen. Ein erster Schritt wurde in einem im Rahmen des Masterstudiums „Geschichtsforschung, historische Hilfswissenschaften, Archivwissenschaft“ im Sommersemester 2018 abgehaltenen Forschungsseminars gesetzt. Die Teilnehmer untersuchten die Kanzlei- und Archivvermerke auf Papsturkunden Honorius III., Gregors IX., Innocenz IV. und Alexanders IV. und erfaßten diese als Metadaten zu den auf Monasterium bereitgestellten Digitalisaten. Die Arbeit wurde von zwei besonders engagierten Studierenden (Tamara Frömel und Julian Konrad) auch nach dem Abschluß des Forschungsseminars weitergeführt. Damit sind die hier veröffentlichten Angaben als vorläufiges Zwischenergebnis zu betrachten: So sind z.B. die Positionen der Vermerke sowohl in XML-Attributen als auch im Text selbst angegeben, haben die Studierenden versucht, die visuelle Form der editorischen Texte (kursiv) mit dem Tag <cei:foreign> auszudrücken, oder fehlen Kodierungen für die Zitate in den Regesten. Die Studierenden haben auch Bildausschnitte mit den Kanzleivermerken und der Initiale der Intitulatio markiert, die aber derzeit von Monasterium.net noch nicht angezeigt werden können.
Wien, Graz, November 2019
Christoph Egger, Georg Vogeler
[1] Franco Bartoloni, Per un censimento dei documenti pontifici da Innpocenzo III a Martino V (escluso), in: Atti del Convegno di studi delle fonti del medioevo Europeo in occasione del 70o della fondazione dell’Istituto storico Italiano (Roma, 14-18 aprile 1953). Communicazioni (Roma 1957) 3-24.
[2] Istruzioni per il Censimento dei Documenti Pontifici dall’elezione di Innocenzo III all’elezione di Martino V (8 Genn. 1198-1 Nov. 1417) (Commissione Pontificia per gli Archivi Ecclesiastici Italiani, 1958).
[3] Die überarbeitete Version dient nur als interne Richtlinie, sie wurde nicht veröffentlicht.
[4] Bernard Barbiche, Les actes pontificaux originaux des Archives Nationales de Paris. 3 Bde. (Index actorum pontificum 1-3, Città del Vaticano 1975-1982); Brigide Schwarz, Die Originale von Papsturkunden in Niedersachsen 1199-1417 (Index Actorum Romanorum Pontificum 4, Città del Vaticano 1988); Patrick N. R. Zutshi, Original Papal Letters in England 1305-1415 (Index Actorum Romanorum Pontificum 5, Città del Vaticano 1990); Tilmann Schmidt, Die Originale der Papsturkunden in Baden-Württemberg 1198-1417. 2 Bde. (Index Actorum Romanorum Pontificum 6, Città del Vaticano 1993); dazu ders., Nachtrag, in: Zeitschrift Geschichte des Oberrheins 151 (2003) 1-12; Tilmann Schmidt, Die Originale der Papsturkunden in Norddeutschland (Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein) 1199-1415 (Index Actorum Romanorum Pontificum 7, Città del Vaticano 2003); Isabella Aurora, Documenti originali pontifici in Puglia e Basilicata 1199-1415 (Index Actorum Romanorum Pontificum 8, Città del Vaticano 2016).
[5] Anton Largiadèr, Die Papsturkunden des Staatsarchivs Zürich von Innozenz III. bis Martin V.: ein Beitrag zum Censimentum Helveticum (Zürich 1963); DERS., Die Papsturkunden der Schweiz von Innozenz III. bis Martin V. ohne Zürich: ein Beitrag zum Censimentum Helveticum. 2 Bde. (Zürich 1968-1970); Wolfgang Hilger, Verzeichnis der Originale spätmittelalterlicher Papsturkunden in Österreich 1198-1304. Ein Beitrag zum Index Actorum Romanorum Pontificum ab Innocentio III ad Martinum V electum (Fontes Rerum Austriacarum II/83, Wien 1991); Jane Sayers, Original Papal Documents in England and Wales from the Accession of Pope Innocent III to the Death of Pope Benedict XI (1198-1394) (Oxford 1999); Walter Zöllner, Die Papsturkunden des Staatsarchivs Magdeburg von Innozenz III. bis zu Martin V. I.: Erzstift Magdeburg (Wissenschaftliche Beiträge der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 1966/13 = Historische Beiträge 3, Halle 1966); ders., Die jüngeren Papsturkunden des Staatsarchivs Magdeburg. Bestände Halberstadt, Quedlinburg und übrige Gebiete (Studien zur katholischen Bistums- und Klostergeschichte 23, Leipzig 1982); ders., Die jüngeren Papsturkunden des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar (Von Innozenz III. bis zum Konzil von Konstanz) (Studien zur katholischen Bistums- und Klostergeschichte 40, Leipzig 1996); Peter Linehan, Portugalia pontificia. Materials for the history of Portugal and the Papacy 1198-1417. 2 Bde. (Lisboa 2013).
[6] Udo Arnold - Marian Tumler, Die Urkunden des Deutschordenszentralarchivs in Wien. Regesten I-III (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 60/I-III, Marburg 2006-2009).