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- Die Benediktinerinnen im Chiemsee
- Primärquellen in Auswahl (chronologisch)
- Sekundärliteratur
Chronikalische Quellen enthalten zu Gründung und Frühzeit des Klosters Frauenchiemsee teilweise irreführende Nachrichten. So weiß z. B. der große bayerische Geschichtsschreiber Johannes Turmair, gen. Aventin (1477-1534), in seinen Annales Ducum Boiariae zu berichten, dass der fränkische König Chlotar II. (584-629) Abt Eustasius von Luxeuil (615-629) zur Missionierung nach Bayern geschickt habe. Auf Eustasius` Einwirken hin gründete demnach Herzog Tassilo II. zwei Klöster: einen Herren- und einen Frauenkonvent. Eine tatsächliche Beteiligung Eustasius` wurde in der Forschung angezweifelt. Auch die wenigen Informationen, die wir über Tassilo II. haben, sind mit Aventins Bericht nicht in Einklang zu bringen: Tassilo II. lebte zu Beginn des 8. Jh.s, zu spät also für eine Beteiligung in dieser Personenkonstellation.
Im Zuge archäologischer Ausgrabungen im Kloster Herrenchiemsee durch Hermann Dannheimer in den Jahren 1979-1989 konnten neue Erkenntnisse zur Geschichte der Klöster im Chiemsee gewonnen werden. Es wurden Reste hölzerner Bauten aus dem frühen 7. Jh. gefunden. Diese Vorgängerbauten im Bereich der Anlage des um 1130 gegründeten Chorherrenstifts werden als ältere Klosteranlage gedeutet, die in karolingischer Zeit durch Steingebäude ersetzt wurde. In Bezug auf die Datierung korrespondieren diese Erkenntnisse mit Aventins Angaben. Heinz Dopsch geht davon aus, dass nicht nur die Datierung, sondern auch Aventins Benennung von Eustasius als Gründer bzw. Beteiligter der Gründung zutreffend ist und er setzt folglich die Gründung Herrenchiemsees vor dem Todesjahr des Missionars, also vor 629, an. Dass es sich bei dem von Aventin erwähnten Frauenkonvent, den Eustasius mit begründet haben soll, um Frauenchiemsee handelt, ist nicht anzunehmen.
Einen späteren, wenn auch impliziten Hinweis auf ein bereits existierendes Frauenkloster gibt kein Geringerer als Karl der Große, der im Jahr 788 das Kloster Herrenchiemsee an das Bistum Metz schenkte, und dabei in der Urkunde von einem monasterium virorum spricht. In dieser Präzisierung, der Benennung als Männerkonvent, könnte ein Hinweis auf das Vorhandensein eines parallel existierenden Frauenklosters enthalten sein.
Heute wird meist der berühmte Bayernherzog Tassilo III. als Gründer Frauenchiemsees angesehen. Die Salzburger Annalen und andere Zeugnisse berichten von der Gründung eines Klosters im Chiemsee für das Jahr 782, ein Ereignis, das die Annales Fuldenses dem Agilolfingerherzog zuschreiben. Dieser Quellenbefund spricht gegen die Existenz beider Klöster auf den Chiemseeinseln bereits im 7. Jh.
Das Kloster selbst bewahrt die Tradition, von Tassilo III. gegründet worden zu sein. So berichtet z. B. im 17. Jh. die Äbtissin Maria Magdalena Haidenbucher von Armenspeisungen am Todestag des Herzogs, dem 11. Dezember. Im Rahmen archäologischer Ausgrabungen auf der Fraueninsel, ebenfalls durch Hermann Dannheimer im Jahr 1984, wurden weitere Hinweise auf die enge Verbindung Frauenchiemsees zu Herzog Tassilo III. zu gewonnen. Mit der langobardischen Königstochter Liutpirc verheiratet, weist Tassilos Gründung Parallelen zu norditalienischen Gründungen der Familie seiner Ehefrau wie z. B. auf der Halbinsel Sirmione oder San Salvatore bei Brescia, auf. Auf eine Verbindung nach Italien weisen in diesem Zusammenhang auch qualitätvolle Chorschranken aus dem 8. Jh. und zwei aufwändig bearbeitete Marmorbälkchen aus südalpinem Marmor. So sprechen auch die gefundenen Teile der frühen baulichen Ausgestaltung des Klosters für eine enge Verbindung zu Herzog Tassilo III.
Im 9. Jh. tritt eine Persönlichkeit hervor, die für das Kloster fortan große Bedeutung haben sollte: Irmengard, Tochter Ludwigs des Deutschen, zunächst Äbtissin von Buchau am Federsee, nach 857 Äbtissin von Frauenchiemsee. Vermutlich um die Tochter in der Nähe zu haben holte Ludwig, der sich zu dieser Zeit häufig in Regensburg aufhielt, Irmengard nach Bayern. Auch investierte der König in den Ausbau der Klosteranlage: So stammt die heute noch vorzufindende Torhalle aus der zweiten Hälfte des 9. Jh.s und weist eine aufwändige Ausgestaltung in Form von Fresken auf. Über Irmengards Wirken als Äbtissin ist dagegen wenig bekannt. Ihr Grab, das sie um 866 in der Klosterkirche fand, entwickelte sich bald zu einem Ort der Verehrung. Bereits zum Zeitpunkt ihres Ablebens muss Irmengard verehrt worden sein, denn der Typus ihrer Grabkammer entspricht dem eines Stifter- bzw. Heiligengrabes, wie man es auch im Fall des Heiligen Bischofs Virgil (gest. 784) im Virgildom in Salzburg vorfindet. Die Grabnische wurde in das Fundament der bestehenden Kirche eingebaut. Dahinter stand die Idee, dass der Heilige so das Fundament seiner Kirche stützte. Zwischen 1000 und 1020 öffnete man Irmengards Grab, vermutlich im Rahmen von Umbaumaßnahmen der Klosteranlage. Man gab ihr eine Grabauthentik bei, welche sie als Äbtissin identifiziert. Etwa um 832 geboren wurde sie nur ca. 34 Jahre alt, wie es auch anthropologische Untersuchungen ihres Skeletts aus dem Jahr 2001 bestätigen. Um 1631 wurden Irmengards sterbliche Überreste umgebettet, der Ort ihrer Grabkammer erhielt eine rote Marmorplatte, auf der ein metrischer Text, vermutlich von Abt Gerhard von Seeon zu Beginn des 11. Jh.s im Rahmen der Graböffnung verfasst, zu lesen ist. Der alte Steinsarkophag wurde nun durch einen Zinnsarg ersetzt, Teile der Gebeine zu Verehrungszwecken außerhalb des Grabes aufbewahrt. Dass das Kloster im Dreißigjährigen Krieg von den Schweden verschont blieb, schrieb man dem besonderen Schutz Irmengards zu. So nahm die Verehrung der Königstochter um den Chiemsee und darüber hinaus stetig zu. Um 1641 wurde der Sarg erneut umgebettet: Hochwasser bedrohte die wertvollen Überreste. Im Jahr 1929 wurde Irmengard schließlich selig gesprochen, ihre Gebeine unter dem Altar der Irmengard-Kapelle niedergelegt. Das zuvor benutzte Hochgrab, das von einem schmiedeeisernen Geländer umgeben ist, blieb an Ort und Stelle, ist aber leer. Der darin befindliche Steinsarg wurde mit Holz verkleidet und ist daher nicht sichtbar.
Für kurze Zeit wurde Frauenchiemsee zu Ende des 9. Jh.s zum Gefängnis für die durch Untreue gegen ihren Cousin König Arnulf in Ungnade geratene Hildegard, Tochter König Ludwigs des Jüngeren. Ihrer Güter für kurze Zeit beraubt weilte sie währenddessen im Inselkloster. Dieses wurde vermutlich wegen der Nähe zur königlichen Pfalz Altötting als Aufenthaltsort ausgewählt.
Im Jahr 1062 schenkte König Heinrich IV. das Kloster an das Salzburger Erzstift. Um 1077 machte er diese Schenkung rückgängig, Frauenchiemsee wurde wieder königliche Abtei. Bis diese Veränderung Anerkennung durch einen Papst erhielt, vergingen allerdings sechzig Jahre; erst 1141 bestätigte Papst Innozenz II. dem Kloster seinen Besitzstand. Für das Kloster ist diese überhaupt die erste Papsturkunde. Um 1201 allerdings später schenkte König Philipp Frauenchiemsee erneut an das Erzbistum Salzburg. Erzbischof Eberhard II. bestätigte dem Kloster jedoch die angestammten Rechte und Freiheiten, die Verwaltung der Lehen, Einsetzung von Amtleuten, Verleihung der Ländereien, aber auch geistliche Freiheiten wie die freie Äbtissinnenwahl wurden dem Konvent zugestanden. Beim Erzbischof verblieb somit v.a. die geistliche Aufsicht über das Ordenshaus. So konnte sich Frauenchiemsee eine recht unabhängige Stellung bewahren, der Status des reichsunmittelbaren Klosters war jedoch verloren. Die zeitweise geplante Auflösung des Klosters durch Eberhard II. aufgrund disziplinärer Beanstandungen zugunsten der Einrichtung eines Bischofssitzes auf Frauenchiemsee scheiterte. Dafür wurde auf der benachbarten Herreninsel das Bistum Chiemsee errichtet. Das Kloster Frauenchiemsee gehörte jedoch weiterhin dem Erzbistum Salzburg an.
Vögte der Frauenchiemseer Kirche waren jeweils die lokalen Inhaber der Grafenrechte. So bekleideten für die Tiroler Besitzungen seit dem 13. Jh. die Grafen von Tirol, im Raum nördlich der Alpen die bayerischen Herzöge oder der Erzbischof von Salzburg das Amt des Vogts, aus dem sich im Laufe des späteren zwölften und der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Landeshoheit über die Klosterbesitzungen entwickelte. Die bayerischen Herzöge treten im 14. und 15. Jh. wiederholt durch Privilegienbestätigungen und Einflussnahmen auf die wirtschaftlichen Geschicke des Klosters hervor.
Im Jahr 782 gegründet zählt Frauenchiemsee zu den ältesten Frauenklöstern in Bayern. Allerdings handelte es sich jahrhundertelang nicht um ein Benediktinerinnenkloster im heutigen Sinn, sondern um ein adeliges Damenstift. Solche Einrichtungen ermöglichten unverheirateten Damen hoher Abkunft ein religiöses Leben im standesgemäßen Rahmen. Auch zur Erziehung adeliger Mädchen wurden solche Stifte genutzt. Die Konventualinnen erhielten von ihren Familien beim Eintritt in ein solches Haus Besitzungen zu ihrer Versorgung, über die sie verfügen konnten. Die Regeln des Zusammenlebens waren nicht den strengen Auflagen unterworfen, wie sie die Benediktregel von Mönchen fordert. Der Eintritt in ein adeliges Damenstift hatte zudem keine Endgültigkeit; sollte sich z.B. eine Heiratsgelegenheit ergeben, konnte die Dame das Stift wieder verlassen. Allein das Gelübde der Äbtissin war endgültig. Bereits für das 10. Jh. ist im Traditionsbuch des Klosters dieser Charakter eines Damenstifts greifbar, indem Landbesitz einzelner Damen Erwähnung findet.
Seit dem Hochmittelalter mussten sich die adeligen Damenstifte reformerischer Kritik unterziehen: Für zu weltlich und zu wenig asketisch befand man das Leben darin, nicht religiös im Sinne der Benediktregel. Askese und Vertiefung vermissten die Reformer bis ins späte Mittelalter in manchem dieser Häuser. Beinahe wäre, wie schon erwähnt, Erzbischof Eberhard II. von Salzburg (1200-1246) die Aufhebung des Klosters Frauenchiemsee gelungen. Die päpstliche Gesandtschaft zur Untersuchung der Zustände auf der Fraueninsel konnte sein vernichtendes Urteil über das Haus jedoch nicht bestätigen, und das Kloster bestand fort. Die Kritik setzte sich noch jahrhundertelang fort: so datiert z. B. ein Visitationsbericht einer Abordnung der Melker Reformbewegung auf den 16. September 1452, der Einblick in die Lebensumstände und das religiöse Leben der Damen in Frauenchiemsee gewährt und „etleich strefflich stuck“ aus dem Konvent vermeldet. Der Bericht gewährt manchen Einblick in den Alltag im Kloster. Neben der Äbtissin Barbara Aichberger lebten zu dieser Zeit zwölf Frauen im Konvent. Von Kleiderfragen, der Versorgung der Schwestern mit Habseligkeiten des alltäglichen Lebens, der Pflege kranker Schwestern, von liturgischen Feiern, der Bewahrung der Urkunden und der Schlüssel zu wichtigen Dokumenten, vom Beisammensein der Äbtissin mit ihrem Konvent und weiteren Details erfahren wir aus dem Schriftstück.
Im Januar 1491 ereilte das Kloster eine schwere Brandkatastrophe, bei der weite Teile der Konventgebäude zerstört wurden, als sich im Januar in einem Regenguss eine Fuhre ungelöschten Kalks entzündete. Diese hatte die recht baufreudige Äbtissin Magdalena Auer von Winkel über den zugefrorenen See auf die Insel bringen lassen. Nach der Katastrophe mussten die Schwestern bis zur Beendigung der Wiederaufbauarbeiten an den Wohngebäuden im September desselben Jahres in Notunterkünften verweilen.
Für das 16. Jh. fließen die Quellen eher spärlich. Spätestens nach 1567 leitete eine Verwalterin (zuerst Benigna Preiß) anstelle einer Äbtissin die Geschicke des Klosters. Nach Benigna Preiß übernahm Margaretha Leitgeb, eine Zisterzienserin aus Niederschönfeld, zusammen mit zwei Begleiterinnen das Kloster auf der Chiemseeinsel, um den Konvent zu leiten. Zuvor, am 10. März 1570, hatte es eine Visitation gegeben, deren Bericht die Ereignisse etwas klarer werden lässt: Die Visitation beanstandete demzufolge die Baufälligkeit der Gebäude, woraufhin Herzog Albrecht V. (1550-1579) Benigna Preiß als Verwalterin absetzte. Der fromme Herzog war es vermutlich auch, der die Zisterzienserinnen herbeibeorderte. Drei Jahre sollten die Schwestern aus Niederschönfeld die Leitung des Inselklosters übernehmen. Das Verhältnis der neuen Oberin zu den Frauenchiemseer Damen gestaltete sich jedoch recht angespannt. Nach einem Brand im Mai 1572 verlängerte sich der Aufenthalt Margaretha Leitgebs auf unbestimmte Zeit. Ein weiterer Visitationsbericht aus dem Jahr 1575 zeigt wieder ein geordnetes Bild des Klosterlebens, die Klagen über die Administratorin waren verstummt. Im Oktober desselben Jahres wählten die Konventualinnen dann allerdings Marina Plinthamer (1575-1582) zur neuen Äbtissin, die sich jedoch als problematische Besetzung herausstellte: Herzog Albrecht beklagte ihre wenig religiöse Lebensführung, ihre zahlreichen Reisen und ihre laxe Einstellung bezüglich der Einhaltung der Klausur. Sie würde schlecht wirtschaften und ihre Pflichten vernachlässigen. Vermutlich um einer Absetzung zu entgehen, resignierte Marina Plinthamer im Oktober 1582. Nach ihrer Amtsaufgabe wollte der Herzog sie gern aus dem Konvent entfernen, jedoch verwahrte sich Erzbischof Johann Jacob von Salzburg gegen eine Eingliederung der Plinthamer entweder in den Konvent von Nonnberg oder ihren Aufenthalt in der Erzabtei St. Peter in Salzburg. Man fürchtete ihren schlechten Einfluss.
Im 17. Jh. vollzog sich die Entwicklung vom spätmittelalterlichen Damenstift zur Beneditkinerinnenabtei im eigentlichen Sinne. Unter der Äbtissin Maria Magdalena Haidenbucher (1609-1650) erfolgten weitere Visitationen, die schließlich im Jahr 1624 dazu führten, dass die den Schwestern gewährten, für adelige Damenstifte üblichen Privilegien, wie persönliches Eigentum an bestimmten Habseligkeiten, relativ lockere Auflagen bezüglich der Klausur etc. aberkannt wurden. Die Damen mussten alles abgeben, die Äbtissin die Zellen schließlich gemäß den neuen Auflagen kontrollieren. Von einer weiteren Visitation im Jahr 1628 ist ein umfangreicher Bericht erhalten, der erkennen lässt, wie sich die Gepflogenheiten des Stifts mehr und mehr zugunsten des monastischen Charakters des Hauses entwickelten bzw. dorthin geführt wurden.
Schwere Zeiten durchlebte das Kloster während des Dreißigjährigen Krieges, und es stellte sich heraus, dass der letztgenannte Visitationsbericht nicht irrte, als er Äbtissin Maria Magdalena Haidenbucher als „reif, klug, diskret, treu ergeben“ beschrieb. Von der stetigen Angst bewegt, das Kloster könnte durch die Schweden verheert werden, durchlebte die Äbtissin diese schweren Jahre. Mehr noch: Frauenchiemsee wurde Zuflucht für Konvente, die vor den Schweden die Flucht ergriffen hatten. So erreichten die Fraueninsel am 22. April 1632 der Konvent von Niederschönfeld mit Äbtissin und Priorin, 35 Chorfrauen und 17 Laienschwestern, 13 Knechten und 23 Pferden. Dazu kamen aus Landshut-Seligenthal Äbtissin, Priorin, 31 Chorfrauen und 13 Laienschwestern und aus Altenhohenau Priorin und 23 Chorfrauen, 2 Novizinnen und 10 Konversinnen. Die Flüchtigen verweilten mindestens sechs Wochen, manche blieben noch länger. Maria Magdalena Haidenbucher hat die Turbulenzen dieser Jahre in ihrem Tagebuch niedergeschrieben, das sie von ihrem Amtsantritt bis ins Jahr 1650 führte und das eine bewegende Quelle zu den Ereignissen dieser Zeit aber auch zur Alltagsgeschichte des Klosters darstellt.
Durch das 18. Jh. hindurch bestritt das Kloster den Alltag ohne größere Rückschläge. Erst um die Jahrhundertwende zeichnen sich erneut Veränderungen ab. Aus dem Jahr 1801 kommt die Relation des kurfürstlichen Kommissars, Gelehrten und Historikers Lorenz von Westenrieder auf uns. Darin beschreibt er nach einer Untersuchung vor Ort das Leben im Kloster Frauenchiemsee – aus der Sicht der Aufklärung. Vernunft und Wissenschaft waren die zentralen Werte, die den Kommissaren als erstrebenswert galten. Dementsprechend hegten sie keine Wertschätzung für die frommen Gebetsübungen der Klosterinsassinnen. So bemängelten sie, dass es keine „nützlichen“ Bücher im Kloster gebe und die Schwestern von vielen Dingen in Unkenntnis verblieben waren, mit den Worten Westenrieders „unbeschreiblich leer und unwissend“. Man befand das Kloster für reformbedürftig. Der an das Erzbischöfliche Konsistorium in Salzburg herangetragene Bericht erwirkte zum einen Befremden – die Kommissare hatten ihren Besuch in Frauenchiemsee dort nicht angekündigt, zum anderen aber auch die Zusicherung der Unterstützung bei der Verbesserung der Zustände. Man bestellte den Prälaten von Herrenchiemsee zum Visitator. Auch sollten die Damen neue Geistliche gestellt bekommen, von denen jedoch der bisherige Vikar von Tattenhausen, Joseph Lechner, seinen Unmut kund tat und es ablehnte, die „eigensinnigen Weiber“ zu betreuen. Man fand freilich Ersatz und der Konvent erhielt im Frühjahr 1801 seine neuen Priester.
Wenig später jedoch bahnte sich die Auflösung des Klosters im Rahmen des Reichsdeputationshauptschlusses an. Im März 1803 traf die mit der Inbesitznahme des Kloster für den Kurfürsten betraute Lokalkommission auf der Fraueninsel ein. Der Konvent bestand zu dieser Zeit aus 16 Chorfrauen und 13 Laienschwestern. Die Ländereien wurden dem Kloster abgesprochen, die Konventualinnen sollten ihr Auskommen fortan in Form von Geldzahlungen erhalten. Man sicherte ihnen weiterhin ihr Klosterleben auf der Insel zu, verbot jedoch die Aufnahme von Novizinnen. Das Klosterpersonal wurde unmittelbar in den kurfürstlichen Dienst gestellt. Mehrere Konventualinnen traten in der Folgezeit aus dem Kloster aus, manche kehrten aber nach kurzer Zeit wieder zurück. Bis 1836 dünnte der Tod die Reihen der Schwestern aus. Klostergebäude und Insel gerieten aufgrund der nur noch spärlichen Einkünfte sowohl der Frauen wie auch der ehemaligen Hintersassen, die nach der Einziehung der Klosterländereien nur kleine Landstücke zur Eigenversorgung erhielten, in eine missliche Lage. Unwetter beschädigten die Gebäude, die Inselbewohner verarmten.
Der Landshuter Spiritual Joseph Rauchenbichler wurde im Jahr 1836 gebeten, Unterbringungsmöglichkeiten für auswärtige Klosterfrauen im Königreich Bayern zu finden. Noch fünf alte Konventualinnen bewohnten zu diesem Zeitpunkt die Klostergebäude. Rauchenbichler fand Gefallen an Lage, Gebäuden und Atmosphäre in Frauenchiemsee. So konnte er die verbliebenen Schwestern dazu bewegen, eine Bitte um Wiederbelebung des Klosters zunächst an den Erzbischof von München und Freising, Lothar Anselm Freiherrn von Gebsattel, und nach dessen Zustimmung schließlich an König Ludwig I. zu richten. Der Bitte wurde am 29. Dezember 1836 statt gegeben. Dem Kloster wurde sodann die Aufnahme von Novizinnen gestattet und die Auflage gemacht, eine Mädchenschule zu eröffnen. Nach seinem Besuch im August 1837 stiftete König Ludwig I. zur Finanzierung des Klosters und zum Unterhalt von sechs Schwestern 36 000 Gulden, die verzinslich angelegt wurden. Joseph Rauchenbichler sollte der neue Beichtvater des Konvents werden. 1838 nahm zunächst die Industrieschule für handwerklichen und Hauswirtschaftsunterricht, im Herbst des Jahres 1839 dann die Elementarschule ihren Betrieb auf. Auch ein Mädchenpensionat wurde eingerichtet.
Zur Zeit des Nationalsozialismus wurden die Räumlichkeiten des Pensionats als Kinderverschickungslager genutzt, die inzwischen bestehende Mittel- und Hauswirtschaftsschule wurden vorübergehend geschlossen.
Nach dem Krieg nahmen die Schulen den Betrieb wieder auf. Die Elementarschule bestand noch bis 1969. Seit 1946 existierte für die älteren Schülerinnen zunächst eine Mädchenoberschule, die später als Gymnasium weitergeführt und ab 1971 auch für Buben geöffnet wurde. 1983 wurde das Gymnasium jedoch wegen sinkender Schülerzahlen geschlossen. Die Hauswirtschaftsschule mit angeschlossenem Internat wandelte sich zur Berufsaufbauschule und musste im Jahr 1995 ebenfalls geschlossen werden.
Heute stehen große Teile der Klostergebäude zur Nutzung für Seminare und Tagungen zur Verfügung. Der Konvent der Benediktinerinnen besteht weiterhin und erfüllt die Klostergebäude in einer über 1200 Jahre währenden Tradition mit Leben.
Die Schenkung Herrenchiemsees an das Bistum Metz durch Karl den Großen: MGH DD Karol. I, 219 f., Nr. 162: „monasterium virorum nomine Kieminseo“.
Die Urkunde ist in edierter Version online auf den Seiten der dMGH: http://bsbdmgh.bsb.lrz-muenchen.de/de/fs1/object/goToPage/bsb00000358.html?pageNo=219&sortIndex=030%3A020%3A0001%3A010%3A00%3A00
Johannes Aventinus Turmair, Annales Ducum Boiariae, in: Ders., Sämmtliche Werke, München 1882. Online auf den Seiten der Bayerischen Staatsbibliothek: http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0001/bsb00016718/images/
Maria Magdalena Haidenbucher, Geschicht Buech de Anno 1609 biß 1650. Das Tagebuch der Äbtissin von Frauenwörth. Nach dem Autograph herausgegeben, mit Anmerkungen, Nachwort, Registern versehen von Gerhard Stalla (=Geistliche Literatur der Barockzeit 11), Amsterdam/Maarssen 1988.
Hartmut Atsma, Die schriftlichen Quellen zur Geschichte der Chiemsee-Klöster bis zur Errichtung des Augustinerchorherrenstiftes auf der Herreninsel, in: Vladimir Milojcic, Bericht über die Ausgrabungen und Bauuntersuchungen in der Abtei Frauenwörth auf der Fraueninsel im Chiemsee, 1961-1964. Mit Beiträgen von Hartmut Atsma u. a. (=Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Phil.-ist. Klasse; NF 65), München 1966, Teil A, Textteil S. 43-57.
Peter von Bomhard/ Walter Brugger, Bau- und Kunstgeschichte des Klosters Frauenchiemsee, in: Walter Brugger/ Manfred Weitlauff (Hgg.), Kloster Frauenchiemsee 782-2003, Weißenhorn 2003, S. 521-612.
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Wolfgang Lehner, Umbruch und Neuorientierung – Kloster Frauenchiemsee in der Reformationszeit, in: Walter Brugger/ Manfred Weitlauff (Hgg.), Kloster Frauenchiemsee 782-2003, Weißenhorn 2003, S. 291-302.
Andreas Nerlich, Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Untersuchungen der mutmaßlichen Gebeine der seligen Irmengard, in: Walter Brugger/ Manfred Weitlauff (Hgg.), Kloster Frauenchiemsee 782-2003, Weißenhorn 2003, S. 671-686.
M. Luitgard Olbrich/ M. Magdalena Schütz, Kloster Frauenchiemsee seit der Wiedererrichtung im Jahre 1836, in: Walter Brugger/ Manfred Weitlauff (Hgg.), Kloster Frauenchiemsee 782-2003, Weißenhorn 2003, S. 423-450.
Wilhelm Störmer, Das monasterium puellarum Frauenchiemsee 866 bis 1200, in: Walter Brugger/ Manfred Weitlauff (Hgg.), Kloster Frauenchiemsee 782-2003, Weißenhorn 2003, S. 57-86.
Gertrud Thoma, Von drohender Auflösung zu umfassender Konsolidierung. Rechtliche Stellung, Besitzverwaltung und geistliches Leben im Kloster Frauenchiemsee 1201-1339, in: Walter Brugger/ Manfred Weitlauff (Hgg.), Kloster Frauenchiemsee 782-2003, Weißenhorn 2003, S. 155-194.
Gertrud Thoma, Quellen zur Geschichte des Klosters Frauenchiemsee im 13. Und 14. Jahrhundert. Überlegungen zu Datierungsfragen, in: Walter Brugger/ Manfred Weitlauff (Hgg.), Kloster Frauenchiemsee 782-2003, Weißenhorn 2003, S. 195-200.
Klaus Unterburger, Kloster Frauenchiemsee im 18. Jahrhundert, in: Walter Brugger/ Manfred Weitlauff (Hgg.), Kloster Frauenchiemsee 782-2003, Weißenhorn 2003, S. 367-390.
Manfred Weitlauff, Vom spätmittelalterlich-benediktinischen „Damenstift“ zur tridentinisch-„regulierten“ Benediktinerinnenabtei. Kloster Frauenchiemsee im 17. Jahrhundert, in: Walter Brugger/ Manfred Weitlauff (Hgg.), Kloster Frauenchiemsee 782-2003, Weißenhorn 2003, S. 303-366.